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Parteibeschluss: So will sich die SPD umfassend erneuern

Nach ihrer Niederlage bei der Bundestagwahl heißt es in der SPD jetzt: volle Kraft voraus für die personelle, programmatische und organisatorische Erneuerung. Einen entsprechenden Beschluss fasste der Parteivorstand am Montag einstimmig.

von Lars Haferkamp · 3. März 2025
Kraftzentrum der Erneuerung: Das Willy-Brandt-Haus in Berlin, der Sitz des SPD-Parteivorstands

Kraftzentrum der Erneuerung: Das Willy-Brandt-Haus in Berlin, der Sitz des SPD-Parteivorstands

Der Vorstand der SPD hat am Montag in Berlin einen wichtigen Beschluss zur Erneuerung der Partei verabschiedet – einstimmig. Die Beschlussvorlage lag dem „vorwärts“ bereits zuvor exklusiv vor. 

Deutschland stehe angesichts von Krisen und Kriegen in Europa und der Welt vor immensen Herausforderungen, heißt es im Beschluss „Verantwortung in schwierigen Zeiten mit Mut zur Erneuerung“. „Die SPD stellt sich diesen Herausforderungen und der Verantwortung für Deutschland“, heißt es weiter. Deshalb habe sie die Sondierungsgespräche mit der Union über die Bildung einer neuen Bundesregierung begonnen. 

SPD „am Beginn eines Neuaufbaus“

Zugleich gehe es jetzt darum, das SPD-Ergebnis bei der Bundestagswahl am 23. Februar „nicht nur zu analysieren, sondern Schlüsse daraus zu ziehen, die die deutsche Sozialdemokratie nachhaltig in die Lage versetzen, wieder Wahlen gewinnen zu können“. Die SPD stehe jetzt „am Beginn eines Neuaufbaus“. Nur wenn die Partei die richtigen Schlüsse ziehe, werde sie als Volkspartei der linken Mitte wieder mehrheitsfähig. Diese Arbeit beginne jetzt. Und sie dürfe nicht enden. Denn: „Wer sich erneuern will, sollte das jeden Tag tun.“

Das Papier beschreibt konkret, wie sich die SPD politisch neu aufstellen will. So sollen erstens das Ergebnis der Bundestagswahl und die Entwicklungen der vergangenen Jahre durch eine Kommission aufgearbeitet werden. Dazu sollen auch externe Expert*innen hinzugezogen werden. Auch soll es Befragungen der Wahlkreise und Ortsvereine, eine gemeinsame Auswertung mit Hauptamtlichen des Willy-Brandt-Hauses, der Landesverbände und Bezirke geben.

Programmatische Erneuerung in offenem Dialog

Zweitens will sich die SPD programmatisch erneuern. Dazu sollen Grundsatzfragen „in einem dialogischen offenen, demokratischen und inklusiven Prozess mit Mitgliedern, Bürger*innen, Wissenschaftler*innen und Expert*innen“ geklärt werden. „Dieser Prozess darf keine reine Selbstbeschäftigung sein, sondern muss in der SPD Fenster und Türen öffnen, um Impulse aus der Gesellschaft aufzunehmen und die SPD fest in der Gesellschaft zu verankern“, heißt es im Beschluss.

Inhaltlich soll es darum gehen, soziale Politik im 21. Jahrhundert neu zu definieren. Das betrifft etwa die Verteidigung der Grundprinzipien der sozialen solidarischen Sicherung oder die Frage, wie ein handlungsfähiger Staat künftig gestaltet werden muss. Die Partei brauche „eine Programmatik, in der sich die SPD unter den Rahmenbedingungen eines globalisierten und entfesselten Kapitalismus und angesichts der Hinwendung von Teilen der ökonomischen und politischen Eliten zu autoritären Denkmustern programmatisch neu ausrichtet“.

Kommunikation soll neu aufgestellt werden

Der Parteivorstand wird dazu in Zusammenarbeit mit der Grundwertekommission eine Konzeption erarbeiten. Start des Prozesses ist der ordentliche Bundesparteitag 2025. Der ordentliche Bundesparteitag 2027 soll dann das Programm verabschieden.

Drittens will die SPD ihre Kommunikation neu aufstellen. Das Ziel dabei soll unter anderem sein, eigene Begriffe zu prägen und die Politik der Partei „nicht nur mit Fakten zu unterlegen, sondern diese auch emotional positiv zu besetzen“. Die SPD soll wieder in der Lage sein, ihre Politik so zu kommunizieren, dass sie als Erfolg wahrgenommen wird.

Bundesparteitag 2025 wird vorgezogen

Schließlich will sich die SPD auch organisatorisch neu aufstellen. Hierbei setzt sie unter anderem auf „Standardisierung und Digitalisierung für eine moderne Parteiorganisation“. Ein weiteres wichtiges Ziel ist, eine handlungsfähige Parteiorganisation insbesondere in Ostdeutschland sicherzustellen. Auch soll die Kommunalpolitik der SPD gestärkt werden, die als „Grundlage einer funktionsfähigen Partei“ verstanden wird.

Als wichtiger Zwischenschritt „auf dem Weg zur personellen, programmatischen und organisatorischen Erneuerung“ soll der ordentliche Bundesparteitag 2025 vorgezogen werden. Er soll möglichst noch vor der Sommerpause stattfinden. Neben der Wahl der Parteispitze soll der Parteitag über Schlussfolgerungen aus der Wahlanalyse beraten und über einen „Fahrplan für die strategische, programmatische und organisatorische Aufstellung der SPD für die Bundestagswahl 2029“.

Aktuelle Entwicklungen zur Bundestagswahl 2025 gibt es zum Nachlesen in unserem Newsticker.

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10 Kommentare

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mo., 03.03.2025 - 14:24

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Mir geht das alles etwas zu schnell. Wo ist denn das Nachdenken und Diskutieren der Gründe der Wahlniederlage ???

Gespeichert von Ralf Schönert (nicht überprüft) am Di., 04.03.2025 - 09:49

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Der SPD-Vorstand beschließt eine umfassende Erneuerung: Neuausrichtung, bessere Kommunikation, moderne Parteiorganisation. Doch ein entscheidender Punkt fehlt: die direkte Beteiligung der Mitglieder an der Frage einer Koalition mit der CDU. Wie haben schmerzhaft erfahren, was passiert, wenn zentrale Entscheidungen über die Basis hinweg getroffen werden. Die Agendapolitik der 2000er oder die Große Koalition 2013 wurden mit Skepsis aufgenommen und führten zu Vertrauensverlusten. Wer von einer „neuen SPD“ spricht, muss echte Mitbestimmung ermöglichen. Die Partei kann nicht von Erneuerung reden und gleichzeitig über eine Koalition ohne offenen Mitgliederdialog entscheiden. Warum sollte der angekündigte „demokratische, inklusive Prozess“ nicht auch für eine Regierungsbeteiligung gelten? Die Mitglieder müssen in Foren, Abstimmungen oder in Regionalveranstaltungen über den Koalitionsvertrag beraten! Erneuerung beginnt jetzt - mit echter Basisbeteiligung.

Ich kann der Sicht von R. Schönert nicht zustimmen. Wenn Die SPD unter den gegebenen Rahmenbedingungen eine Mitgliederbefragung durchführen würde, würde sich bei vielen Menschen die Frage nach der Staatsräson unserer Partei stellen, bei mir auch.

Dein Argument gegen eine Mitgliederbefragung zur SPD-Regierungsbeteiligung beruht auf „Staatsräson“ – ein Begriff, der kritisch hinterfragt werden muss. Die Legitimität einer Regierungsbeteiligung sollte nicht aus Staatsräson, sondern aus dem Willen der Mitglieder und Wähler abgeleitet werden. Parteien sind keine Verwaltungsorgane, sondern politische Bewegungen, die durch Debatte und demokratische Willensbildung ihre Richtung bestimmen. Eine SPD, die ohne Basisbeteiligung über eine Koalition entscheidet, verliert Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Historisch wurde „Staatsräson“ oft genutzt, um demokratische Prozesse zu umgehen. Gerade eine sozialdemokratische Partei sollte nicht in diese Falle tappen. Warum sollte ausgerechnet die Frage der Regierungsbeteiligung nicht basisdemokratisch entschieden werden? Wessen „Staatsräson“ zählt: die der Bundesregierung oder die eines demokratischen Diskurses? Eine echte Erneuerung der SPD kann nur mit, nicht über die Mitglieder entschieden werden.

Gespeichert von Peter Plutarch (nicht überprüft) am Di., 04.03.2025 - 13:55

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Klingt wie üblich: Die Regierungsbeteiligung hat Priorität. Zugeständnisse im Rahmen der Koalitionsbildung werden vor die Klammer gezogen, so dass die Basis sie nur noch Abnicken kann. Und die programmatische Erneuerung wird in die Länge gezogen und so lange weichgespült, bis die Abkehr von jedem Spurenelement von Sozialdemokratie durch die Bundesspitze nicht mehr so starkt auffällt.

Mal im Ernst: Wer glaubt, dass die SPD ihren Niedergang durch die immer gleichen Rezepte beenden kann, die diesen Niedergang bisher verursacht haben?

Gespeichert von Gerd Maschun (nicht überprüft) am Di., 04.03.2025 - 19:11

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Olaf Scholz als Kanzler, hat während der Ampelkoalition, nicht alle Probleme lösen können. Was wurde in den dreieinhalb Jahren alles über die Medien, an falsch Meldungen berichtet.
Was mich stört ist das wir als SPD immer wieder Versprechen gemacht haben und diese auf Grund der anderen Koalitionspartner, nicht umsetzen konnten. Olaf hat auch mit seinem zu ruhigen Verhalten viele Leute verunsichert.
Ich Arbeite an der Basis und wir müssen immer wieder viele Fragen beantworten, die selbst wir nicht beantworten können. Zum Thema Zusammenarbeit und Mitnahme fällt mir wenig ein.
Wie ich erfahren habe, ist die SPD NRW bei den Koalitionsverhandlungen nicht dabei.

Mir ist es sehr wichtig, dass es bei einer erneuten GROKO Themen wie Sicherheit, Rente (Rentenreform), Wohnungsbau (Sozial u. Bezahlbar) Krankenhausreform (Pflege) und andere Sachen auf den Weg gebracht werden.
Auch die Milliarden für unsere Sicherheit müssen irgendwo herkommen. Schuldendeckel!

Ich hoffe, dass alles gut wird.

Gespeichert von Birgit Jellonek (nicht überprüft) am Di., 04.03.2025 - 22:22

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Seit 50 Jahren weiß man, dass es einer grundlegenden Rentenreform bedarf.
Selbst die gesetzliche Rente der USA, OASDI, ist armutsfester als die Rente in Deutschland.
OASDI - gesetzliches Renteneintrittsalter = 67 Jahre
Beitragsbemessungsgrenze ca. 142.000 USD
Alle zahlen 12,43 % ihres Einkommens in die umlagefinanzierte gesetzliche Rente.
AG und AN je die Hälfte, Freiberufler und Selbständige den kompletten Satz alleine.
Daraus erhalten Geringverdiener 56 % des durchschnittlichen Einkommens
Durchschnittsverdiener 41 % des durchschnittlichen Einkommens
Gutverdiener 30 % des durchschnittlichen Einkommens.
Unabhängig von Arbeitsjahren reichen 40 Credits um rentenberechtigt zu sein .

Staatliche medizinische Versorgung ist inklusive.

über 401/403 k kann zusätzliche private Altersvorsorge betrieben werden.

Bei der in Deutschland geltenden Beitragshöhe von 18,6 % und analoger Berechnung müsste die durchschnittliche Rentenhöhe bei 63,8 % liegen.
Warum funktioniert das nicht

Gespeichert von Heinz Schneider (nicht überprüft) am Di., 04.03.2025 - 23:08

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.. heißt der Diskussionsbeitrag der Grundwertekommission, 88 Seiten, aus dem Juni 2017. Das Konzept hat nichts von seiner Aktualität verloren, im Gegenteil. Nur: die Partei hat es nicht zur Kenntnis genommen, also ignoriert. Kaum jemand hat es gelesen. Zwar gab es 2017 schon Internet: ein Versand des Papiers an alle Mitglieder war aber anscheinend nicht möglich?
Also liebe Genossinnen und Genossen im WBH: den Versand nachholen, das wäre ein Aufschlag.
Dann den wenigstens den Abschnitt über globale Kooperation lesen, raus aus den Wahnsinnsbeschlüssen des heutigen Tages, und rein in die Diskussion!!