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SPD Berlin: So geht Michael Müller in den Wahlkampfendspurt

Am Sonntag wählt Berlin ein neues Abgeordnetenhaus. Der Regierende Bürgermeister und SPD-Spitzenkandidat Michael Müller ist auch im Endspurt noch unermüdlich im Einsatz. Sorge macht ihm vor allem eins.
von Kai Doering · 16. September 2016
Michael Müller im Kreis von Wahlkämpfern
Michael Müller im Kreis von Wahlkämpfern

Die „heiße Wahlkampfphase“ verdient ihren Namen am Dienstag dieser Woche gleich doppelt. Zum einen sind es nur noch wenige Tage bis zur Berliner Abgeordnetenhauswahl, zum anderen hat das Thermometer an diesem Tag früh die 30-Grad-Marke geknackt. Vor dem „Gesundbrunnen-Center“, einer Einkaufspassage im Wedding, steht die Luft. Die Passanten beeilen sich, in das klimatisierte Gebäude zu kommen.

Bezahlbare Wohnungen, gebührenfreie Bildung, Arbeitsplätze

Als Michael Müller beginnt zu reden, bleiben trotzdem viele stehen. Der Regierende Bürgermeister hat den obersten Knopf seines Hemds geöffnet und das Sakko gleich im Auto gelassen. Auch im Schatten drückt die Hitze. Müller steht auf einer kleinen Bühne neben einem großen roten Würfel. Zur Unterstützung hat er sich SPD-Generalsekretärin Katarina Barley eingeladen.

Im Schnelldurchlauf hebt Michael Müller die Punkte hervor, die seiner Hauptstadt-SPD wichtig sind: mehr bezahlbare Wohnungen („verkaufte Mietwohnungen sind für immer weg“), eine gebührenfreie Bildung „von der Kita bis zur Uni“, mehr Arbeitsplätze. Mittlerweile hat sich eine große Traube rund um die kleine Bühne gebildet. Viele Menschen nicken zustimmend.

Berlin als Stadt der Freiheit erhalten

Dann wird Michael Müller energisch. „Bei dieser Wahl geht es darum, Berlin als Stadt der Freiheit und Offenheit zu erhalten“, mahnt er. Die AfD und andere rechtsgerichtete Parteien bedrohten das, was Berlin ausmache. „Wer mit seiner Stimme spielt oder meint, anderen Parteien einen Denkzettel verpassen zu müssen, schadet am Ende sich selbst.“

Katarina Barley schlägt in dieselbe Kerbe. Als „Teilzeit-Berlinerin“ habe sie „den Blick von außen auf diese wunderbare Stadt“. Sie schätze es sehr, dass in Berlin jede und jeder leben könne, wie er wolle. Doch das sei in Gefahr. „Durch diese Stadt ist schon einmal eine tiefe Spaltung gegangen“, erinnert die SPD-Geneneralsekretärin an die jahrzehntelange Teilung in Ost und West. Gegen eine erneute Spaltung sollten „sich alle Berliner wehren“.

„Handlungsunsicherheit“ der Demokraten

Wie tief der Spalt bereits ist, haben Barley und Müller eine Stunde vor ihrem Auftritt am „Gesundbrunnen-Center“ erfahren. Es gebe zurzeit eine große „Handlungsunsicherheit“ der Demokraten hat ihnen Bianca Klose von der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus“ (mbr) erzählt. Die Organisation mit Sitz in Prenzlauer Berg berät seit 15 Jahren öffentliche Einrichtungen, Unternehmen, Schulen und auch Einzelpersonen im Umgang mit rechtem Gedankengut. „In diesem Jahr haben wir im Schnitt bereits täglich eine Schulung durchgeführt“, sagt Klose.

Zwar könne die mbr sichtbare Erfolge ihrer Arbeit verbuchen – „Angsträume“, in denen sich früher Neonazis breitmachten, gebe es heute in Berlin kaum noch – doch die Annahme, durch ein Erstarken der AfD seien NPD und Co auf dem Rückzug, sei ein Trugschluss. Es gebe vielmehr eine „Melange rechts von der AfD“. Der Beratungsbedarf für die mbr werde nach der Wahl am Sonntag wohl noch mal deutlich zunehmen. „Wir stehen bereit“, versprach Klose Michael Müller bei seinem Besuch.

Michael Müller ist der beliebteste Politiker

Nach der jüngsten Umfrage könnte die AfD am Sonntag mit 14 Prozent ins Abgeordnetenhaus einziehen. Die SPD läge mit 23 Prozent deutlich vor CDU (18), Grünen (15) und Linken (14,5). Der mit Abstand beliebteste Politiker Berlins ist Michael Müller. Könnten die Hauptstädter ihren Regierenden Bürgermeister direkt wählen, würde sich gut die Hälfte für Müller aussprechen, nur 17 Prozent für seinen Gegenkandidaten von der CDU.

„Ich will mit den Menschen reden, mit ihnen ins Gespräch kommen“, nennt Michael Müller als Hauptziel seines Wahlkampfes. „Sie haben viele Fragen, ich muss sehr viel erklären“, ist seine Beobachtung der vergangenen Wochen. Das Interesse freut Müller, schließlich zeige es, „dass wir in sehr politischen Zeiten leben“.

Seit Dezember 2014 ist er Regierender Bürgermeister. In einem Mitgliederentscheid hat ihn die Berliner SPD zum Nachfolger von Klaus Wowereit bestimmt. Mitglied des Abgeordnetenhauses ist Müller seit 20 Jahren. Dieser Wahlkampf ist sein erster als Spitzenkandidat. „Das Interesse der Medien ist jetzt ein anderes“, sagt Müller und auch dass Menschen ihn direkt auf der Straße ansprechen, sei häufiger geworden.

Vom Drucker zum Politiker

 In der Druckerei, in der er 15 Jahre mit seinem Vater gearbeitet hat, ist Michael Müller nur noch selten. Die Druckmaschinen bedient heute ein Bekannter. Doch verlernt hat Müller nichts. Routiniert setzt er Schriften und trägt Farbe auf – diesmal, um für ein Video zu erklären, wie das Druckhandwerk funktioniert. Bis 2004 hat Müller hier noch regelmäßig selbst gedruckt: Anzeigen, Prospekte, vor allem aber Bücher. „Mir hat es immer Spaß gemacht, in ­einem kleinen Betrieb zu arbeiten, weil man hier alles selber machen muss.“ Als Müller zum ersten Mal SPD-Landesvorsitzender wurde, war es damit vorbei.

Aus der Zeit in der Druckerei hat er für die Politik einiges mitnehmen können. „Als Selbstständiger bewertet man manche Dinge anders“, ist Müller überzeugt. Während Lehrer oder Juristen im Wirtschaftsausschuss über gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge diskutiert hätten, habe er über die konkreten Anliegen der Gewerbetreibenden nachgedacht. „Am Ende braucht man beides.“ Und wie es aussieht, wird das auch über den Sonntag hinaus so sein.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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