Parteileben

SPD-Basis: Erneuerung ist dringend nötig, aber kein Selbstläufer

Dass die Erneuerung der SPD kommen muss, darin sind sich fast alle einig. Wie sie auszusehen hat, ist strittig. Am Rande des SPD-Parteitags haben wir einige Positionen dazu eingeholt.
von Robert Kiesel · 8. Dezember 2017
SPD-Bundesparteitag
SPD-Bundesparteitag

Es liegt Arbeit vor der SPD, davon ist Ruth Müller überzeugt. Die Themen Europa, Wohnungsbau, Spaltung der Gesellschaft müssten angegangen werden, um die Sozialdemokraten aus ihrer aktuellen Krise zu holen. Aus ihrer Sicht dringend nötig: „Die Partei für Frauen attraktiv zu machen. Wir brauchen mehr Frauen!“, zeigt sich Müller überzeugt und gibt an, dass sie die bislang angekündigten Maßnahmen zuversichtlich machen, dieses Vorhaben auch tatsächlich in die Tat umzusetzen. „Ich habe eine ernste Debatte erlebt, ohne viel Show“, so das Fazit der Delegierten aus Landshut zur Halbzeit der SPD-Parteitags.

Miteinander reden – auf Augenhöhe

Jonathan Kuchinke ist zwei Wochen nach der Bundestagswahl in die SPD eingetreten, um die Erneuerung der Partei mitzugestalten. Zwei Monate später ist er genauso überzeugt wie damals: „Die Erneuerung ist zwingend notwendig.“ Wie sie aussehen kann, haben Kuchinke zufolge die vergangenen Wochen gezeigt: „Wir müssen die Kommunikation innerhalb der Partei verbessern, miteinander sprechen, egal ob Mitglied im Ortsverein oder Teil der Parteispitze. Die Dialogveranstaltungen haben gezeigt, wie das funktionieren kann“, erklärt der 20-Jährige. Eine innerparteiliche Kommunikation, die jede Stimme gleich gewichtet, ist für den Studenten aus Marburg unverzichtbar, nicht nur nach den „desaströsen Wahlen“. Den nun begonnenen Prozess weiterzutragen ist „entscheidend und sinnvoll“, so Kuchinke. Dann, aber nur dann, gehen die Ergebnisse auch wieder nach oben.

Mehr Frauen in die Partei

Dass sich die SPD erneuern muss, ist für Cilia Ebert-Libeskind klar. Dass es dabei vor allem darum gehen muss, mehr Frauen in die Partei und in Verantwortung bringen, ebenso: „Die Partei muss weiblicher werden, glaubwürdiger, was Frauen in Führungspositionen angeht“, sagt die 37-Jährige. Den Leitantrag zur Erneuerung der SPD lobt sie, auch weil „die SPD damit ehrlich bekennt, wo sie gerade steht.“ Zweifel hat sie daran, dass sich das „richtige politische Signal der Parteispitze“ umsetzen lässt, wenn die SPD Teil einer zukünftigen Bundesregierung wird. „Eine Erneuerung erfordert massive Ressourcen, gerade auch personell. Sollten wir uns an einer Regierung beteiligen, werden wir diese nicht haben“, so Ebert-Libeskind.

In der Vergangenheit verfangen

Weniger optimistisch zeigt sich Harald Unfried, ebenfalls Delegierter aus Landshut. „Bisher ist wahnsinnig wenig von einer substanziellen Erneuerung erkennbar. Viel Rhetorik, wenig Konkretes“, so seine Bilanz nach der ersten Hälfte des Parteitags. „Die Argumentationsmuster der Parteiführung gleichen denen aus den Jahren 2009 und 2013“, kritisiert der Delegierte aus Landshut mit Blick auf die Debatte über eine Öffnung der Partei für Gespräche zur möglichen Fortsetzung der großen Koalition und fügt hinzu: „Wir sind weiter verfangen in der Vergangenheit.“ Daran, dass die Erneuerung der Partei „existenziell notwendig“ ist, lässt Unfried keinen Zweifel: „Dabei geht es gar nicht so sehr um die Inhalte, der Prozess entscheidet.“ Weitere „Formelkompromisse“, wie sie aktuell absehbar seien, helfen der Partei nicht weiter, ist der 53-Jährige überzeugt. „Wir brauchen einen symbolischen Bruch“, fordert Unfried und nennt als Beispiel Jeremy Corbyn, der die britische Labour-Party zu neuem Leben erweckt hat.

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare