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SPD-Außenpolitiker: Warum Michael Roth aufhört

Die SPD verliert einen ihrer prominentesten Außenpolitiker: Michael Roth kündigt seinen Abschied aus der Spitzenpolitik an. Bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr will er nicht mehr antreten. In einem Video nennt er die Gründe.

von Nils Michaelis · 26. März 2024
Michael Roth kündigt seinen Abschied von der Politik an

Seit Dezember 2021 ist Michael Roth Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages.

Noch am Montag war Michael Roth so zu erleben, wie man ihn kennt: als leidenschaftlichen Außenpolitiker und Unterstützer der Ukraine. In einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ warb der Sozialdemokrat für größere Anstrengungen bei der Versorgung des von Russland angegriffenen Landes mit Waffen.

Damit soll bald Schluss sein. Am Dienstagmorgen sorgte ein Video für Schlagzeilen, das der SPD-Bundestagsabgeordnete auf der Plattform X veröffentlich hat. Darin kündigt der 53-Jährige an, im kommenden Jahr nicht wieder für den Deutschen Bundestag zu kandidieren und sich nach dem Ende der laufenden Legislaturperiode von der Bundespolitik zu verabschieden.

Wachsende Distanz gegenüber Partei und Fraktion  

In dem Video gibt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages vor allem persönliche Gründe an. „Es ist Zeit, zu gehen“, sagt er. „Ich habe immer gesagt, dass ich diese Entscheidung selbstständig und ohne Druck von außen treffen werde. Mir war immer klar, nicht als Bundestagsabgeordneter in Rente zu gehen.“ Er sei dankbar für die Aufgaben, die ihm in der Vergangenheit von Partei, Fraktion und Bundesregierung übertragen worden seien.

Gegenüber dem Magazin „stern“ hat Roth weitere Gründe für seinen Rückzug genannt. In einem Interview, aus dem viele andere Medien zitieren, nennt der aus Hessen stammende Politiker eine wachsende Entfremdung zwischen ihm und der Partei, insbesondere der Fraktion. Roth: „Im letzten Jahr habe ich gemerkt, dass ich mit unseren Sitzungen immer mehr fremdele, dass mich die Gremien stören, die Stimmung darin. Wenn die Tür zum Fraktionssaal aufging, hatte ich zuletzt den Eindruck, ich steige in einen Kühlschrank.“ 

 

Nach dann 27 Jahren, vielen tollen Aufgaben in Bundestag, Bundesregierung und SPD ist für mich nach der nächsten Bundestagswahl Schluss mit der Politik. 7 Mal wählten mich die Menschen in meinem Wahlkreis direkt ins Parlament. Ich gehe selbstbestimmt und bin unendlich dankbar. pic.twitter.com/ebY6rKWRZw

— Michael Roth - official 🇪🇺🇺🇦🇮🇱 (@MiRo_SPD) March 26, 2024

 

Und weiter: „Manchmal fühlte ich mich wie ein Fremdkörper.“ Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass er öffentlich stark für seine Haltungen geworben, das Gespräch mit Kolleg*innen aber vernachlässigt habe. „Insofern trage ich auch eine Mitverantwortung für die Entfremdung.“

Als einen weiteren Grund für seinen Rückzug nennt Roth auch die Belastungen, die das Leben als Spitzenpolitiker mit sich bringe. „Wenn man heute Spitzenpolitik betreibt, muss man sich fast komplett aufgeben. Das ist brutal.“ Er sei sicher, dass Willy Brandt heute nicht mehr Bundeskanzler werden könnte. 2022 hatte Roth wegen eines psychischen Erschöpfungszustandes für mehrere Monate eine Auszeit genommen.

Stationen als Außenpolitiker

Seit Dezember 2021 führt Roth den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuss. Davor war er acht Jahre lang Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt. Dem Bundestag gehört der Politologe seit dem Jahr 1998 an. Auch bei den folgenden Bundestagswahlen holte er das Direktmandat für den Wahlkreis Werra-Meißner-Rotenburg-Hersfeld in seiner nordhessischen Heimatregion.

2017 und 2019 wurde Roth in den SPD-Parteivorstand gewählt. Seit 2021 gehörte er dem Präsidium am. Auf dem Bundesparteitag 2023 wurde Roth nicht wiedergewählt. 2019 ging der Politiker gemeinsam mit Christina Kampmann ins Rennen um die Kandidatur bei der Wahl der Parteivorsitzenden. Im ersten Wahlgang der Mitgliederbefragung kam das Duo mit 16,3 Prozent der Stimmen auf Platz drei.

In seinem Video betont Roth, ohne Zorn und Enttäuschung seinen Abschied zu nehmen. Als Ausschussvorsitzender werde er auch weiterhin seine Arbeit für eine freie Ukraine und ein sicheres Israel tun.

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13 Kommentare

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Di., 26.03.2024 - 13:24

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Ich gratuliere Ihm zu diesem Schrutt. Für mich war Sein Eintreten für Waffenexporte, Aufrüstung ...... schwer mit der sozialdemokratischen Tradition, der ich anhänge, nur schwerstens vertretbar.
Aber Frage an den vorwärts: warum wird Mützenichs ede bei Euch nicht dokumentiert und diskutiert, oder die Rede des Papstes ? Das Sterben und die Zerstörungen müsseen ein Ende haben !

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Do., 28.03.2024 - 11:12

Antwort auf von Armin Christ (nicht überprüft)

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Auch ich finde es eigenartig, dass Roths Abgang mehr oder weniger "hochgepuscht" wird, während Rolf Mützenichs Rede, die es sich im Bundestagsprotokoll nachzulesen lohnt, überwiegend kritisiert wird.
Wem nützt es, wenn durch immer stärkere Waffen immer mehr Menschen sterben müssen, außer den Rüstungsunternehmen? Nicht einmal Putin hilft dies.
Es ist doch traurig, wenn Friedensappelle, auch innerhalb der SPD, kritisiert werden, während Militaristen Lob ernten.

Gespeichert von Richard Frey (nicht überprüft) am Fr., 29.03.2024 - 17:46

Antwort auf von Peter Boettel (nicht überprüft)

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Dieser Beitrag wurde gelöscht, weil er gegen Punkt 4 unserer Netiquette verstößt

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Di., 26.03.2024 - 16:12

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Na ja, auch wenn ich nie ein Fan von ihm war (er war mir zu rechts), wünsche ich ihm alles Gute für die Zukunft.

Gespeichert von Christian Rade… (nicht überprüft) am Mi., 27.03.2024 - 13:09

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Michael Roth tritt zurück und kritisiert das Klima in der Fraktion („Kühlschrank“)?

Wo äußert sich eigentlich der Fraktionsvorsitzende („einfrieren“) dazu? Wann und v. a. was sagt er denn dazu?

Nebenbei, keine Aussage dazu ist auch sehr vielsagend.

Gespeichert von Peter Plutarch (nicht überprüft) am Do., 28.03.2024 - 08:56

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Man kann ihn zu seinem überfälligen Schritt nur beglückwünschen.

Einem Linken hätte man dieses Maß an Illoyalität gegenüber der eigenen Regierung schon vor langer Zeit nicht mehr durchgehen lassen. Michael Roth hat sich wie Strack-Zimmermann (sein Pendant bei der FDP) in der Pose des mutigen Vorkämpfers gefallen. Tatsächlich hat er ausschließlich Standpunkte stets mit dem maximalen medialen Rückenwind und voll auf Linie der transatlantischen Herren vertreten. Das hat weder mit Aufklärung noch mit Courage zu tun, es ist und bleibt der ebenso bequeme wie mutmaßlich lukrative Standpunkt. Im Grunde sind seine sämtlichen Vorhersagen und Positionen kollabiert.

Dass er im Weggang noch so gegen seine Fraktion nachtritt, kann ich nur als schweren Fall von Charakterschwäche ansehen.

Ich kann Ihrem Kommentar nur beipflichten.
Erst vor wenigen Tagen erschien in der Frankfurter Rundschau ein Interview mit Roth, in dem er die Ablehnung von Taurus kritisiert hat. Er ist als Militarist aufgetreten und nun frustriert, nicht mehr in den Vorstand gewählt worden zu sein. Kennt er denn nicht die friedenspolitischen Grundsätze der SPD?
Wenn heute in tagesschau.de ein sogenannter Brandbrief von Wissenschaftlern erwähnt wird, wird dies als großes Zeichen sogenannter Wahrheit hingestellt; wenn aber Rolf Mützenich und andere für Frieden plädieren, wird dies totgeschwiegen. Als Parallele fallen mir Gustav Noske und Eduard David, die im 1. Weltkrieg Genossen wie Hugo Haase u.a. wegen ihrer Haltung angegriffen haben, ein.

Gespeichert von Kai Doering am Do., 28.03.2024 - 12:16

Antwort auf von Peter Boettel (nicht überprüft)

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Da können wir Sie beruhigen: Rolf Mützenich wird einen Gastbeitrag im nächsten "vorwärts" schreiben.

Gespeichert von Richard Frey (nicht überprüft) am Fr., 29.03.2024 - 17:42

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Ich kann den Schritt von Michael Roth gut nachvollziehen. Auch mich bedrückt die Entwicklung meiner SPD sehr nach 55 Jahren Parteizugehörigkeit in dritter Generation. Ich sehe seinen Rückzug als weitere Etappe auf dem Schrumpfkurs meiner SPD auf dem Weg zu einer weiteren Linkspartei in der Nähe der 5-%-Hürde. Eines Tages wird sich vielleicht die Notwendigkeit einer Vereinigung mit der Linkspartei zu einer neuen SED stellen um gemeinsam noch über die 5-%-Hürde zu kommen.

Gespeichert von Robert Hagen (nicht überprüft) am Sa., 30.03.2024 - 02:08

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Liest man die Mehrzahl der bisherigen Kommentare, so würde man als langjähriger Sozialdemokrat nur hoffen, dass sich da eine Minderheit austobt. Leider aber ist es vermutlich nicht so, die innerparteiliche Resonanz auf die Äußerungen von Rolf Mützenich zeigen ja, dass sich die Partei, wie schon gegen Ende der Kanzlerschaft von Helmut Schmidt, mehrheitlich wieder ins außenpolitische Abseits begibt. Und man stellt fest, dass viele Genossen die historische Fehleinschätzung des NATO Doppelbeschlusses in den 80er Jahren bis heute nicht erkannt haben. Auf diesem Humus ist nun auch die Abkehr von der Ukrainepolitik des Kanzlers zu sehen. Michael Roth hat diese Politik zwar zu Beginn und in Details kritisiert, nach vieler Ansicht völlig zurecht, aber er war auch ein Unterstützer der zuletzt von Scholz eingenommenen Politik der Unterstützung der Ukraine "damit diese nicht verliert". Es wird der Tag kommen, wo man ihn als den Aufrechten in der Sozialdemokratie ehren wird, als einer, der früher als andere die eklatanten Fehlentwicklungen unserer Russlandpolitik erkannt hat und der früher als die meisten anderen erkannt hat, dass zur Rettung Europas vor dem neuen russischen Imperialismus man auch mit militärischer Unterstützung das gegen alle Regeln des Völkerrechts überfallene Land Ukraine unterstützen muss.

Gespeichert von walter weimer (nicht überprüft) am Sa., 30.03.2024 - 12:10

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Michael Roth hat von Anfang des Krieges an gemeinsam mit Frau Zimmermann und Herrn Hofreiter in zahlreichen Talkshows trotz stichhaltiger, auf Fakten beruhender Gegenargumente, das Narrativ verbreitet, der Kanzler sei zu ängstlich zu zögerlich und er könnte, wenn er nur wollte mehr militärische Hilfe für die Ukraine organisieren. Er sei mit Schuld am Leid und Tod vieler Menschen. Damit hat er den der SPD Schaden zufügen wollenden Medien die Schlagzeilen geliefert, das Ansehen und das Vertrauen in den Kanzler und seine Partei negativ beeinflusst. Diese masslose Dauerkritik hat Herrn Melnyk zu üblen Beschimpfungen gegegenüber den Kanzler und Herrn Mützenich angestachelt. Es ist generell kein guter Stil, wenn man bei einer Trennung oder einem Rückzug in aller Öffentlichkeit die mangelnde Geborgenheit und Wärme bei der verlassenen Gemeinschaft beklagt.

Gespeichert von walter weimer (nicht überprüft) am Sa., 30.03.2024 - 12:18

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Sie kritisieren Herrn Mützenich für einen Satz aus seiner 11minütigen Rede, verlieren aber in ihrer Gegenwartsblindheit kein Wort darüber, dass die totale Blockade das tatsächliche Einfrieren der Ukrainehilfe durch die konservativen US-Republikaner Deutschland in eine fatale Lage bringen wird.
Es ist erschreckend, mit welcher, auch für Historiker blamablen. eindimensionalen wichtige Fakten ausblendende , Gegenwartskomplexitätsanalysenunfähigkeit diese Brandbriefschreiber ihre Prominenz in die Waagschale werfen, um mit großkalibrigen Wortattacken gegen den Kanzler und die Parteiführung, größtmöglichen Schaden bei der ohnehin durch zahlreiche Denkzettel geschwächten SPD anzurichten. Sie ignorieren, dass bei jedem Waffeneinsatz gegen Russland historische Geschehnisse mit bedacht werden müssen. Deutschland darf nicht in einen Krieg gegen das russische Volk verwickelt werden. Wie schnell kann ein inszeniertes Ereignis einen unkontrollierbaren Weltenbrand auslösen. Das ist ein äußerst schwieriger, herausfordernder Balanceakt für den Kanzler, der bei der Parteibasis auf sehr große Zustimmung stößt. Dass der Kanzler wegen seiner Unterstützung für die Ukraine lauthals und beleidigend auf Versammlungen und in offenen Briefen massiv als Kriegstreiber angeprangert wird, ist in ihre geruhsame Studierstube nicht vorgedrungen.