Herr Tiefensee, kann die Elektromobilität aus Ihrer Sicht die Antriebstechnik der Zukunft werden und den Ottomotor ersetzen?
Wolfgang Tiefensee: Saubere und bezahlbare Mobilität für alle werden wir auf Dauer nur sicherstellen können, wenn wir uns vom Öl unabhängig machen. Die Autos der Zukunft werden elektrisch angetrieben. Elektromobilität muss raus aus der Nische und rein in den Massenmarkt.
Das gilt für rein elektrische Antriebe, für Hybridfahrzeuge und für die Wasserstoffund
Brennstoffzellentechnologie. Nach mehr als 100 Jahren Entwicklungsgeschichte
des Verbrennungsmotors stehen wir heute vor einer technologischen Zeitenwende
im Verkehr. Auch wenn der Verbrennungsmotor noch einige Zeit seine Bedeutung für den Verkehr behalten wird und hier Effizienzverbesserungen sowie der Einsatz biogener Kraftstoffe auf der
verkehrspolitischen Agenda bleiben, gilt es bereits heute, den Übergang zur Elektromobilität zu gestalten.
Herr Maubach, bekommen die an der Entwicklung der Elektromobilität beteiligten Unternehmen genug Unterstützung aus der Politik oder mangelt es an Engagement?
Klaus-Dieter Maubach: Ich habe den Eindruck, dass es sehr viel politische Unterstützung
gibt: Mehrere Bundesministerien fördern Elektromobilitätsprojekte. Auch aus den Bundesländern gibt es viel Zuspruch. Ein Problem sehe ich darin, dass all diese Aktivitäten nicht, oder
zumindest noch nicht, inhaltlich koordiniert sind.
Wünschenswert aus Sicht der beteiligten Unternehmen und Forschungseinrichtungen
wäre sicher eine klare politische Verantwortlichkeit für die Entwicklung der E-Mobilität. Ich
könnte mir, wie beim G8-Prozess, einen "Sherpa" der Bundesregierung für Elektromobilität
vorstellen.
Gilt umgekehrt für die Politik, dass die Unternehmen aus Ihrer Sicht genug in
entsprechende Technologien investieren? Noch scheint es erhebliche Schwierigkeiten etwa bei der Leistung der Batterien zu geben.
Tiefensee: Ja, die technischen Hürden sind noch hoch und die Einführung der
Elektromobilität wird nicht über Nacht kommen. Die deutsche Automobil- und
Zulieferindustrie hat immer wieder zukunftsweisende technologische Maßstäbe
gesetzt. Das erwarte ich auch bei der Elektromobilität. In Deutschland soll geforscht
und entwickelt werden, hier sollen die Patente liegen, die Fahrzeuge produziert
und auf die Straße gebracht werden.
Das gilt für den Straßenverkehr, das gilt aber ebenso für Schifffahrt und Schiene und die Luftfahrt, wo erste erfolgreiche Tests mit der Brennstoffzelle stattgefunden haben. Damit sichern
wir hochwertige und zukunftsfähige Arbeitsplätze. Herr Maubach hat Recht: Wir
brauchen den engen Schulterschluss von Politik, Industrie und Wissenschaft, und wir brauchen - so wie beispielsweise in Japan oder in den USA - ein umfassendes,
ehrgeiziges Gesamtprogramm Elektromobilität, das die Markteinführung von Mobilität mit Batterie und Brennstoffzelle in Deutschland aus einem Guss sicherstellt.
Viele befürchten, dass ein elektronisch betriebenes Auto nicht zwangsläufig "grünen", also atomfreien Strom tanken wird. Eine unbegründete Sorge?
Maubach: Warum Sorge? Der große Vorteil von Strom liegt darin, dass man von
einzelnen Energieträgern, vor allem vom Öl, unabhängig wird. Wenn der Kunde es
will, können wir heute jedes E-Auto mit zertifiziertem Öko-Strom versorgen. Aber
auch mit unserem heutigen E.ON-Strommix stößt ein E-Auto indirekt nur rund
80 Gramm CO2 pro Kilometer aus - die Hälfte des heutigen Durchschnittswerts
von Verbrennungsmotoren und deutlich unter der von der EU für 2012 beschlossenen
120 Gramm-Grenze. Und eins dürfen Sie nicht vergessen: Auch mit Strom
aus Kernenergie werden E-Autos zu Null- Emissionsautos!
Die Union blockiert eine von der SPD favorisierte Prämie für den Erwerb von
Elektroautos. Eine Gefahr für das ganze Projekt E-Mobilität?
Tiefensee: Aus meiner Sicht sind Elektromobilität und erneuerbare Energiequellen
ein tolles Zukunftspaar. Notwendig für eine breite Einführung von Elektrofahrzeugen
ist die Schaffung der entsprechenden Voraussetzungen. Dazu gehört auch zu prüfen, ob Anreizsysteme notwendig sind und wie diese auszugestalten sind. Eine Prämie wird - sobald sich der
Markt für Batterie- und Brennstoffzellenautos entwickelt - sicher dazu
gehören müssen.
Herr Maubach, gerade hat die von E.ON initiierte Elektro-Motorradrallye am
hessischen Edersee stattgefunden. Wie wird sich Ihr Unternehmen an der Entwicklung der E-Motorräder engagieren?
Maubach: Wir sehen unsere Aufgabe nicht im Fahrzeugbau - weder mit zwei noch mit vier Rädern. Uns interessiert die Schnittstelle zwischen Fahrzeug und Stromnetz, deswegen sammeln wir Erfahrungen im Betrieb der Ladeinfrastruktur. Beispielsweise in unserem laufenden Pilotprojekt mit BMW in München, wo wir ein kleines Stromtankstellennetz betreiben.
Wir wollen die E-Autos als Speicher in die intelligenten Stromnetze der Zukunft einbinden, um so die schwankende Erneuerbare Energie besser nutzen zu können. So könnte
Elektromobilität nicht nur den Straßenverkehr, sondern auch die Stromwirtschaft
revolutionieren.
Interview: Fréderec Verrycken
Chefredakteur der DEMO, Fraktionsvorsitzender der SPD in der Bezirksverordnetenversammlung Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf