Die SPD Bremerhaven hat ihre historischen Spuren erkundet. Daraus entstand ein einzigartiges, multimediales Projekt. Es ist identitätsstiftend. Nicht nur für die Genossen, sondern für die ganze Stadt.
Unauffällig reiht sich das vierstöckige Haus in der Bremerhavener Deichstraße in ein Ensemble aus schlichten Neu- und Altbauten ein. Erst auf den zweiten Blick bleibt das Auge an den historischen Jugendstil-Verzierungen unter dem Giebel hängen. „Das ist das Haus Eintracht“, erklärt Uwe Mögling. Gewerkschaften errichteten es Anfang des 20. Jahrhunderts, um Büro- und Versammlungsräume einzurichten. Auch die örtliche SPD zog hier ein. „Sogar eine große Arbeiterbibliothek gab es“, sagt Mögling. Diese sei aber 1933 von den Nazis verbrannt worden. Wenige Schritte weiter zeigt der 72-jährige Sozialdemokrat auf den Tatort der Bücherverbrennung: den Theodor-Heuss-Platz.
Es sind Stationen auf dem „Roten Stadtrundgang“ der SPD Bremerhaven. Er führt an 13 Orten entlang, die exemplarisch für die Geschichte der Sozialdemokratie in der Hafenstadt stehen. Die Idee für den Rundgang entstand im Vorfeld des SPD-Jubiläumsjahres 2013. „Wir wollten zeigen, wofür die SPD in Bremerhaven steht“, sagt Martin Günthner, der Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Bremerhaven und Bremer Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen. So sei der Gedanke entstanden, Geschichte und Gegenwart der Partei anhand von Orten darzustellen. Die Historie der Hafenstadt ist mit der SPD eng verknüpft. Seit 1947 stellten die Sozialdemokraten fast immer den Oberbürgermeister.
Projekt mit Eigendynamik
Kaum hatte sich die Idee für den Rundgang im Unterbezirk herumgesprochen, entwickelte das Projekt eine Eigendynamik. Plötzlich meldeten sich zahlreiche Genossen, die sich schon einmal mit der Geschichte der SPD Bremerhaven befasst hatten und brachten ihr Wissen ein. Zwei Sozialdemokraten, die eine Marketingagentur führen, boten an, eine professionelle Internetseite zu dem Projekt zu erstellen. Ehrenamtlich und kostenlos. Sogar eine Handy-App entwickelten sie, mit der man den Stadtrundgang auch ohne Begleitung ablaufen kann. „So ein Projekt kann man nicht am Reißbrett planen“, sagt Martin Günthner. Jeder habe seine Potenziale eingebracht.
Das Ergebnis wird von den Bremerhavenern gut angenommen. Den bisher sechs Rundgängen haben sich jeweils 15 bis 20 Teilnehmer angeschlossen. Das Publikum war bunt gemischt: Rentner und junge Familien, Alteingesessene und Neuzugezogene. „In Bremerhaven haben viele Menschen familiäre Bindungen an die SPD, etwa weil der Vater früher auf der Werft gearbeitet hat“, erklärt Günthner. Deshalb sei das Projekt identitätsstiftend für die ganze Stadt. Auch die Handy-App ist mit bisher mehr als 1000 Nutzern ein Erfolg.
Bundesweite Aufmerksamkeit erlangte das Projekt „Roter Stadtrundgang“ im vergangenen November. Denn auf dem SPD-Bundesparteitag in Leipzig gewann der Unterbezirk Bremerhaven den Wilhelm-Dröscher-Preis, mit dem originelle Projekte der SPD-Basis ausgezeichnet werden. Das Preisgeld von 3000 Euro wollen die Bremerhavener in die Weiterentwicklung des Stadtrundgangs investieren. „Wir überlegen zum Beispiel, wie wir Menschen mit Handycaps einbinden können“, sagt Swen Awiszus, der sich um die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Projekts kümmert. Ob Führungen in Gebärdensprache oder Tondateien für die App – es gebe viele Möglichkeiten, an dem Projekt weiterzuarbeiten. Awiszus: „Deshalb macht es auch soviel Spaß.“
Info:
Mehr zum "Roten Stadtrundgang" erfährt man auf roter-stadtrundgang.de und spd-bremerhaven.de. Beteiligt an dem Projekt sind: Martin Günthner, Jörg Fehring, Timo Hörske, Heiko Stratmann, Sabrina Czak, Matthias Wefer, Sybille Böschen, Karlheinz Michen, Frank Schildt, Swen Awiszus, Sönke Allers und Uwe Mögling.
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.