Hilfe, ich bin illegal. Also, wenn ich das mit der Parteireform richtig verstanden habe. Ich habe den jüngsten "vorwärts" studiert, die Anträge zum Bundesparteitag. "Partei leben!" hieß die Überschrift. Aber vor das Leben hat die Antragsberatungskommission das Lesen gesetzt, sieben Seiten ohne Bilder. Das muss so sein, das verstehe ich auch als Organisationslaie. Warum ich illegal bin?
Nun, ich bin Unterstützer der SPD, naja, ich halte mich dafür. In einem Kulturforum arbeite ich hin und wieder mit, gut, ich gehe da hin. Ich kann einfach nicht in Strukturen denken, die das
Parteiengesetz erfordert. Um ernsthaft in einer Partei mitzuwirken, bräuchte ich meine persönliche Andrea Nahles, also eine private Generalsekretärin, die meine E-Mails liest, vielleicht sogar
pünktlich beantwortet, Anträge formuliert, die Arbeit halt macht. Bevor mir Andrea Nahles die Reduzierung ihrer Arbeit aufs Banale vorwirft: Ein persönlicher Referent, der hinter mir aufräumt,
würde reichen. Aber ich war mal in der SPD. Mit 14 Jahren wollte ich rein, durfte nicht, schaute traurig auf mein riesiges, vom Bauzaun geklautes Willy-Brandt-Plakat, das zwischen Postern von
Mark Spitz, Les Humphries und Günter Netzer im Kinderzimmer hing.
"Wir haben die Trennung beide überlebt, also die SPD und ich."
Als es mit der Aufnahme klappte, hing an der Wand Helmut Schmidt, Hochglanz, ein Geschenk des örtlichen Landtagsabgeordneten. Mit der Partei und mir ging es zwei Jahre gut. Ich habe das nicht ausgehalten, diese Ortsvereinssitzungen. Gleich auf der ersten wurde gewählt und mir eingeflüstert, ich müsse Gudrun von der AsF als Schriftführerin wählen, weil dann die Frauen auch den Juso-Siggi bei der Wahl zum zweiten Bildungsobmann unterstützen würden. Das sei wichtig für den Einfluss im Vorstand des Ortsvereins Marl-Drewer-Süd.
Wir haben die Trennung beide überlebt, also die SPD und ich. Was aber steht jetzt in den Anträgen zum Bundesparteitag? Wer Mitglied war, kann kein Unterstützer werden. Punkt. Klar, man will sich nicht einen Typen ins Haus holen, der gerade erst zur Linken rübermachte. Aber ich komme mir da vor wie ein wiederverheirateter Katholik, der von der Kommunion ausgeschlossen wird. Jetzt habe ich rausgefunden, dass ich im "Kulturforum der Sozialdemokratie" sitze - so heißt das korrekt, nicht "Kulturforum der SPD". Das hat sich jemand ausgedacht, der denken kann, wie es die Parteistatuten erwarten. Ich bin also doch nicht illegal.
Georg Oligmueller
ist Kabarettist, Alternativ-Karnevalist („Geierabend“) und Blogger. Er lebt im Ruhrgebiet, freiwillig.