Parteileben

Projekt Bürgerversicherung

von Vera Rosigkeit · 18. Oktober 2011
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Eine umfassende medizinische Versorgung unabhängig vom Einkommen und mehr Gerechtigkeit bei der Finanzierung strebt die SPD mit ihrem Konzept der solidarischen Bürgerversicherung an. Vorgestellt haben es am Montag SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles und der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach, in Berlin.

Die Bürgerversicherung könne nach einem Regierungswechsel 2013 unmittelbar umgesetzt werden, gab Lauterbach bekannt. Doch will die SPD ihre Vorschläge zur solidarischen Gesundheitspolitik zuvor in der Öffentlichkeit diskutieren. So geschehen im Willy-Brandt-Haus mit Fachleuten aus Wissenschaft, Verbänden und Politik.

50:50 Parität als Voraussetzung
Im Mittelpunkt der Diskussion stand zunächst die Finanzierung über ein vorgesehenes Dreisäulenmodell: Geplant ist, den heutigen Arbeitnehmerbeitrag zu einem Bürgerbeitrag weiterzuentwickeln, den alle Bürger prozentual auf ihr Einkommen aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit entrichten, erklärte Lauterbach das Modell. Der neue Arbeitgeberanteil werde als prozentualer Beitrag auf die gesamte Lohnsumme der bürgerversicherten Beschäftigten eines Unternehmens erhoben. Eine Beitragsbemessungsgrenze soll es zwar weiterhin für Arbeitnehmer, nicht aber für Arbeitgeber geben. Die dritte Säule soll über eine Steuer auf Kapitalerträge erfolgen. Dagegen sollen auf Mieten und Kapitaleinkünfte keine Beiträge zur Krankenversicherung fällig werden.

Sowohl Nahles als auch Lauterbach betonten, "dass mit diesem Modell die echte Parität in der Finanzierung wieder hergestellt wird." Doch genau dies wurde von Annelie Buntenbach, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstands des DGB, in Frage gestellt. Die Parität sei im SPD-Konzept nicht mehr sichtbar, bemängelte sie. Auch Thomas Ballast, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Ersatzkassen (vdek), sieht den neuen Arbeitgeberanteil als Lohnsummenverfahren zu kompliziert konstruiert. Dieser Beitrag belaste Unternehmen mit hochwertigen Arbeitsplätzen, kritisierte er. Dem stimmte Frank-Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, zu. Unternehmen mit arbeitsintensiven Berufen würden besonders belastet. Montgomery forderte eine breitere Diskussion darüber, wie andere Einkünfte an der Versorgung beteiligt werden können und dies nicht nur in der Gesundheitspolitik.

Ende der Rosinenpickerei
Weitere Diskussionpunkte: Die Einführung einer einheitlichen Honorarordnung, um Fehlanreize im Versorgungssystem zu stoppen. Denn die unterschiedliche Vergütung von gesetzlich und privat Krankenversicherten sei die Hauptursache der Zwei-Klassen-Medizin, sagte Nahles. Ballast kritisierte: Die SPD solle das Thema Zwei-Klassen-Medizin nicht in den Vordergrund rücken, um nicht populistisch zu argumentieren. Lauterbach erwiderte, dass die Zwei-Klassen-Medizin Realität sei und deshalb auch Thema für die SPD. Buntenbach stimmte zu: Man müsse weg von der Rosinenpickerei der PKV und der ungleichen Verteilung unterschiedlicher Risiken. Warum könne man "Zwangskunden" wie Beamten nicht freistellen, sich in der Gesetzlichen zu versichern?, fragte sie.

Die SPD leiste Sterbehilfe für die PKV, kritisierte Ballast. Lauterbach verneinte: Es sei ein Wettbewerb zu gleichen Bedingungen, die PKV könne sich daran beteiligen. Montgomery widersprach. Die PKV sei hilfreich, um Qualität voranzubringen. "Es wird immer Menshcen geben, die eine bessere Versorgung wollen und auch kaufen können", ist er überzeugt. Den Vorteil der PKV sieht Lauterbach jedoch nicht. Für ihn gilt: "Künftig soll die Krankheit darüber entscheiden, wie und wie schnell jemand behandelt wird und nicht die Frage der Versicherung".

Die Veranstaltung "Solidarische Gesundheitspolitik für alle Bürgerinnen und Bürger" sorgte für reichlich Diskussion. Der Vorschlag für ein solidarisches, gerechtes und leistungsfähiges Gesundheitssystem soll auf dem kommenden SPD-Parteitag im Dezember weiter diskutiert und verabschiedet werden.

Das Konzept zur Bürgerversicherung finden Sie unter www.spd.de/aktuelles/Pressemitteilungen/11396/20110411_beschluss_buergerversicherung.html
Ein Positionspapier der Jusos finden Sie unter: www.jusos.de/aktuell/nachrichten/2011/04/20/juso-positionspapier-zur-buergerversicherung

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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