Parteibuch von Scholz: Warum ein 68-Jähriger jetzt in der SPD ist
Der Satz hat Karl-Erich Fehr maßlos geärgert. Das gibt der 68-Jährige unumwunden zu. „Es ist schändlich, wie die CDU um sich haut“, findet Fehr. Der Satz, der ihn derart in Rage bringt, stammt von Armin Laschet und fiel Mitte September auf dem Parteitag der CSU. „In all den Entscheidungen der Nachkriegsgeschichte standen Sozialdemokraten immer auf der falschen Seite“, hatte Laschet gesagt und nach viel Applaus der Delegierten ein „in der Wirtschafts- und Finanzpolitik“ nachgeschoben.
Ärger über Laschets Affront
Für Karl-Erich Fehr, der mit Willy Brandt aufgewachsen ist („Der Satz ‚Mehr Demokratie wagen‘ war für uns ein Versprechen.“) und dank der sozial-liberalen Bildungspolitik und dem Bafög studieren konnte, war der Auftritt ein Affront. Er hat ihn so sehr getroffen, dass er sich ein T-Shirt hat machen lassen. „Auf der richtigen Seite“ steht darauf. „Am Wahlkampfstand kommt man damit schnell ins Gespräch“, berichtet der 68-Jährige.
Er trägt das T-Shirt auch, als ihm Olaf Scholz am Dienstag sein Parteibuch überreicht. Dafür ist Fehr extra aus Braunschweig nach Wolfsburg gefahren, wo Scholz mit der Gesamt- und Konzernbetriebsratsvorsitzenden von Volkswagen, Daniela Cavallo, über die Zukunft der Automobilindustrie spricht. Als die beiden fertig sind, schlägt Fehrs Stunde. Als ihn der Wolfsburger Bundestagsabgeordnete Falko Mohrs aufruft, geht er nach vorne und nimmt von Scholz das rote Büchlein im Empfang.
„Wir leben zuhause bereits Rot-Grün.“
„Ich habe ihm gesagt, es wird Zeit, dass die SPD wieder den Kanzler stellt“, erzählt Karl-Erich Fehr hinterher. Dass er jetzt, so kurz vor der Wahl, Parteimitglied geworden ist, sei eher ein Zufall. „Sozialdemokrat war ich schon immer.“ Auch etwas anderes als die SPD habe er nie gewählt. Nur in die Partei eingetreten sei er irgendwie nie. Engagiert habe er sich dafür in Sportvereinen und natürlich in der Schule: Mehr als vier Jahrzehnte war Karl-Erich Fehr Lehrer für Deutsch und Sport.
„Der Bereich des ‚Nie wieder‘ treibt mich sehr um“, sagt Fehr und meint damit die Aufklärung über die Zeit des Nationalsozialismus. Gerade junge Menschen müssten viel stärker dafür sensibilisiert werden, ist der ehemalige Lehrer überzeugt. Er selbst sei „schon immer politisch“ gewesen, nun eben auch mit Parteibuch. Seine Frau hat ihres schon länger, allerdings nicht von der SPD. „Wir leben zuhause bereits Rot-Grün“, sagt Karl-Erich Fehr und grinst.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.