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Mehr Subventionsabbau wagen

von Ulrich Kelber · 14. November 2011
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Mit dem "Pakt für Investitionen und Entschuldung" hat die SPD einen weit über ein typisches Steuer- und Abgabenkonzept hinausreichenden Plan für die kommende eigene Regierungszeit vorgelegt. Erfüllbar, konkret und Prioritäten setzend wollen wir die Kommunen um weitere 4 Mrd. Euro pro Jahr finanziell stärken, 10 Mrd. Euro mehr in Bildung investieren und die Neuverschuldung Deutschlands schnell zurückführen. So sichern wir eine gute Zukunft.

Um dies zu erreichen, stellen wir uns den Steuersenkungsversprechen von Schwarz­gelb und den entsprechenden Medienfor­de­run­gen von BILD & Co. klar entgegen. Auch wenn es natürlich politisch Sinn macht, alle Möglichkeiten der Sparsamkeit auszuschöp­fen, so ist der Staat doch in Wirklichkeit unterfinanziert. Unzureichende Bildungsfi­nan­zie­rung, verfallende Infrastruktur, zu geringe Investitionen und weiterhin galoppierende Neuverschuldung gefährden Deutsch­lands Zukunft. Die SPD plädiert in ihrem Konzept daher zu Recht für Steuererhöhungen für Spitzenverdiener, Investitionen in Bildung und Infrastruktur sowie für den Abbau von Subventionen.

Subventionsabbau für Investitionen

Auch wenn der Pakt für Entschuldung und Investitionen mehr konkreten Subventions­ab­bau vorsieht als jedes sozialdemokra­ti­sches Konzept zuvor, so bleibt er doch weit hinter den Möglichkeiten zurück. Ange­sichts der Notwendigkeiten eines konsequenten Abbaus der Neuverschuldung und der Erhöhung der Investitionen wäre es ein großer Fehler, auf die immensen Geldsummen zu verzichten, die ein Abbau der oft wenig effektiven Subventionen, insbesondere der ökologisch schädlichen und damit nicht nachhaltigen Subventionen mit sich brächte. Wir verzichten bei Erhaltung dieser Subventionen auf weit wichtigere soziale, ökonomische und ökologische Prioritäten.

Während die Studie "Wege zum Abbau umweltschädlicher Subventionen" der Friedrich-Ebert-Stiftung aus 2011 auf eine Summe von 35 Mrd. Euro jährlich alleine durch ökologisch schädliche Subventionen kommt, will der Pakt für Entschuldung und Investitionen davon nur 4 Mrd. Euro heben. Das reicht nicht! Die Grundwerte-Kommission der SPD fordert völlig zu recht im Papier "Staatsaufgaben und Zukunftsverantwortung" (August 2011), den vollständigen Abbau der ökologisch schädlichen Subventionen: "So gewinnen wir finanziellen Spielraum für notwendige Investitionen, gezielte Entlastungen von Gering- und Normalverdienern sowie für den Abbau der Staatsverschuldung." Wir sollten wirklich mehr Subventionsabbau wagen wollen.

Anders als FDP und CDU/CSU, die Subventionen grundsätzlich als falsch ansehen, in der Regel aber die Subventionen für ihr eigenes, meist wohlhabendes Klientel unangetastet lassen oder diese sogar ausweiten, bekennt sich die SPD richtigerweise dazu, mit Subventionen steuern und Ungerechtigkeiten ausgleichen zu wollen. Subventionsabbau ist daher eine sehr konkrete Fragestellung: Wer profitiert? Wer erleidet Nachteile durch eine Subvention? Sind Aufwand und Ertrag angemessen? Kann das Geld sinnvoller ausgegeben werden?

Subventionen versickern

Subventionen werden nicht selten wie mit der Gießkanne verteilt. Sie erreichen nicht oder nur zu Teilen ihr Ziel. Sie kommen nicht selten Akteuren oder Bevölkerungsgruppen zugute, die sie nicht benötigen. Und oft verschärfen oder schaffen sie das Problem erst, dass sie eigentlich lösen sollten.

Nehmen wir zum Beispiel die verringerte Energiesteuer auf Diesel. Bis in die achtziger Jahre hinein wurden der Liter Benzin und der Liter Diesel in gleicher Höhe besteuert. Seitdem klafft die Schere immer weiter auseinander. Über sechs Milliarden Euro Subvention gewährt Deutschland den Dieseltankern auf diese Weise jährlich. Oder anders ausgedrückt: Jede meiner Tankfüllungen ist der Gemeinschaft über 13 Euro wert, die monat­liche Schulausstattung für ein Kind aus einer Familie mit niedrigem Einkommen nur etwas über 8 Euro.

Die Subvention von 18 Cent (zzgl. Mehrwertsteuer) je Liter Diesel kommen aber längst nicht mehr einmal annähernd vollständig beim tankenden Autofahrer an. Da Dieselsteuersubvention und technischer Fortschritt den Anteil von Dieselfahrzeugen nach oben getrieben haben, reicht die in herkömmlichen Raffinerien hergestellte Dieselmenge als ein technisch bestimmter Anteil der gesamten Produk­tions­menge nicht mehr aus. Es muss teuer zusätzlicher Diesel hergestellt werden, nur noch ein Teil der Subvention zeigt sich daher später im Endpreis an der Tankstelle. Der Rest verschwindet durch Mehrkosten und erhöhte Margen entweder bei den Ölkonzernen oder in Form höherer Kaufpreise für Diesel-Pkw bei den Autoherstellern.

Vor kurzem fragte mich ein Bürger meines Wahlkreises in Bonn, warum seine Kollegen mit ihren niedrigen Mieten im Umland eigentlich eine Entfernungspauschale als Subvention er­hiel­ten und dafür Lärm und Abgase produzierten, er als Großstadtbewohner aber keine dringend benötigte Hochmiet­pau­schale? Ich wusste keine Antwort!

Eingeführt zur Förderung des Autoverkehrs (so lautete tatsächlich damals die offizielle Gesetzesbegründung) wird die Entfernungs­pau­schale heute von vielen als soziale Errun­gen­schaft angesehen. Dabei ist sie hochgradig unsozial, um damit ein zweites Beispiel für das Versickern einer Subvention zu geben. Grund ist die Tatsache, dass die Entfernungspauschale vom zu versteuern­den Einkommen abgezogen wird und damit die Top-Verdiener massiv bevorzugt. Während diese heute 45% (und nach unserer Planung zukünftig 49%) der 30 Cent Entfernungspauschale in der Tasche haben, können Niedrigverdiener oft überhaupt nichts oder nur wenige Prozentpunkte nutzen. Kaum eine Subvention ist unsozialer als die Entfer­nungs­pauschale.

Als ein letztes, kurzes Beispiel nenne ich die Ausnahmen von der Energiebesteuerung und der Erneuerbare-Energien-Umlage. So richtig es ist, im harten internationalen Wettbewerb stehende Industrien wie die Alu­mi­ni­um­erzeugung nicht mit Zusatz­kos­ten zu belegen, die durch die international gebildeten Preise nicht erlöst werden könnten, so überzogen sind die derzeit in Deutschland zugestandenen Subventionen für die Industrie allemal. Viele Stahl-, Glas- und Chemiefirmen haben viele Jahre lang mehr kostenlose CO 2-Zertifikate erhalten als benötigt, haben diese verkauft und damit durch Klimaschutz und die Privatisierung öffentlicher Güter viel Geld verdient. Und auch die Zementerzeugung erhält alle Ausnahmen von der Energieerzeugung, obwohl es kaum internationale Konkurrenz gibt, nur ein Bruchteil des Zements schon aus Transportkostengründen jemals Staats­grenzen über­schreitet und Länder wie China sogar ein Exportverbot ausgesprochen haben, um den nationalen Energieverbrauch im Griff zu behalten.

Die Gemeinschaft verzichtet damit nicht nur unnötig auf Einnahmen, bei der EEG-Umlage müssen sogar die privaten Haushalte bis hinunter zum Hartz-IV-Empfänger die überflüssigen Ausnahmen für die Zementindustrie und andere Branchen durch erhöhte Zahlungen mit erhöhten eigenen Energierechnungen finanzieren.

Subventionen verhindern Innovation

Schlimmer noch: Die Subventionen verzer­ren Preissignale und behindern so Effizienz­steigerungen und Innovationen. Dazu noch einmal das Beispiel Zement: Durch die Subventionen lohnt sich der Einsatz von Zement selbst in Fällen, wo ohne Subvention z.B. Holz als Baustoff verwendet worden wäre. Das heißt, dass die überflüssigen Ausnahmen beim Klimaschutz für den energieintensiv hergestellten Zement sogar zum Nachteil für weniger energieintensive Konkurrenzprodukte werden, die keine Ausnahmen bei den Abgaben auf Energie erhalten haben. Die gute Idee, dass die Preise auch die ökologische Wahrheit sagen müssen, wird so ins Gegenteil verkehrt.

Die unnötige Subventionierung der uralten Technologie der "Portland"-Zement­her­stel­lung verhindert auch techno­logische Weiterentwicklung. Längst existiert mit "Celite­ment" eine Alternative zum Portland- Zement, die 50% weniger CO 2-Emissionen verursacht. Nur: In Deutsch­­land rechnet sie sich nicht, so lange die Zementherstellung subventioniert wird. Das Schutzzäunchen um die deutsche Zementherstellung verlegt die Branche auf eine Museumsinsel!

Eine Koalition von "Wirtschaftspolitikern" hat entschieden, dass die Ausnahmen von der Energiebesteuerung massiv ausgeweitet werden. Erstens verliert die Gemeinschaft aller dadurch zusätzlich Geld - Privathaushalte und Gewerbetreibende müssen die Mittel nun alleine aufbringen. Zweitens aber sinkt der Druck zur Steigerung der Energieeffizienz, weil das Trugbild langfristig stabiler Energiepreise noch etwas länger aufrecht erhalten wird. Dabei zeigt sich, Aluminium- und Chemieindustrie vielleicht ausgenommen, dass viele Unternehmen noch längst nicht begonnen haben, wirklich alle betriebswirtschaftlich sinnvollen Energieeffizienzmaßnahmen auch zu ergreifen. Untersuchungen der Energieagentur und auch des Wuppertal-Instituts zeigen immer wieder, dass die Unternehmen schnell und kosteneffizient ein Viertel bis ein Drittel des Energieverbrauchs reduzieren könnten.

Subventionen binden Geld

Über 6 Mrd. Euro lässt sich der Staat und damit wir alle jährlich das Dieselsteuerprivileg kosten. Gleichzeitig sehen wir uns nicht in der Lage, 5 Mrd. Euro jährlich aufzutreiben, um ein dauerhaftes Programm zu einer warmmietenneutralen energetischen Gebäu­de­sanierung aufzulegen.

Dabei würde das Gebäudedämmungsprogramm nicht nur zum Klimaschutz beitragen: Die Förderung mit 2,25 Milliarden Euro im Jahr 2010 hat schon Arbeit für rund 340.000 Beschäftigte im Bausektor geschaffen., Deutschland zunehmend von den Kosten für Energieimporte entlastet und die Menschen vor steigenden Öl- und Gaspreisen absichert.

Würden wir die Ausnahmen beim Emissionshandel, bei der Erneuerbare-Energien-Umlage und der Stromsteuer auf das notwendige Maß zurückschneiden, würden die EEG-Umlage sinken und gleichzeitig Geld dafür frei werden, mit Energieeffizienzfonds Stromsparmaßnahmen zu unterstützen, die die Stromrechnungen für alle Firmen und privaten Haushalte senken könnten. Zusätzlich würde noch genug Geld verbleiben, endlich auch im ländlichen Raum den Ausbau von sehr schnellen Internetanschlüssen zu unterstützen und damit Chancengleichheit zu gewährleisten.

Subvention und Investitionen für wen?

So wie die Jusos in den 70er Jahren zu Recht die Frage stellten "Kommunalpolitik für wen?" müssen wir dies jetzt bei den Subventionen machen.

Wem nützen Subventionen? Wirken sie zielgenau? Sind sie nicht nur strukturkonservierend? Gibt es nicht bessere Alternativen, dieses Geld zu investieren?

Die SPD sollte sich vornehmen, den Subventionsabbau wesentlich stärker zu betreiben, als es der Pakt für Investitionen und Entschuldung vorsieht. Eine solche Politik wäre nachhaltiger und ... sozialdemokratischer.

Ulrich Kelber ist stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Bundestag.

Autor*in
Ulrich Kelber

Ulrich Kelber ist stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied der Bundestagsausschüsse für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

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