Parteileben

Mehr Mitsprache macht attraktiver

von Susanne Dohrn · 26. Oktober 2011
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vorwärts.de: 2010 ist nach einer Mitgliederbefragung Olaf Lies zum Landesvorsitzenden gewählt worden. Warum ist man diesen Weg gegangen und wie groß war die Beteiligung?

Dieter Möhrmann: Bereits nach der Bundestagswahl 2009 hat sich die niedersächsische SPD auf den Weg zu mehr Mitgliederbeteiligung gemacht. Die Vakanz beim Landesvorsitz war eine gute Gelegenheit, um unsere Mitglieder stärker einzubinden. Damals konnten die Genossinnen und Genossen, die bei den Regionalkonferenzen anwesend waren, abstimmen. Das waren über 3 000 von 65 000 Mitgliedern. Der Landesparteitag hat das Votum der Mitglieder bestätigt.

Warum hat man keinen Mitgliederentscheid gemacht?

Der Landesvorstand hat damals verschiedene Verfahren durchgesprochen. Letztlich haben wir uns aus praktischen Gründen für die Variante der Befragung auf den Regionalkonferenzen entschlossen. Die Durchführung eines Mitgliedentscheides, so wie er jetzt ansteht, ist eine enorme organisatorische und auch finanzielle Herausforderung. Das war damals wegen des engen Zeitfensters nicht möglich. Außerdem ließ das damals geltende niedersächsische Parteistatut satzungsmäßig einen Mitgliederentscheid noch nicht zu.

Hat sich die Entscheidung für mehr Mitsprache der Mitglieder auf die Mitgliederzahlen ausgewirkt?

Wir hatten im Jahr 2010 stabile Zahlen - wenn man die Mitgliederentwicklung der letzten Jahre betrachtet, ist das ein Erfolg. Und seitdem klar ist, dass wir den Ministerpräsidentenkandidaten in einer Urwahl bestimmen werden, verzeichnen wir verstärkt Neueintritte. Einen Zusammenhang können wir zwar nicht beweisen. Ich bin aber sicher, dass neue Beteiligungsformen und mehr Mitsprache die SPD attraktiver machen.

Über den Spitzenkandidaten zur Landtagswahl am 20. Januar 2013 soll nun per Mitgliederentscheid bestimmt werden. Es gibt zwei SPD-Kandidaten: der Landesvorsitzende Olaf Lies und der Oberbürgermeister von Hannover Stephan Weil. Warum hat man diesmal den Mitgliederentscheid gewählt?

Wir haben diese Möglichkeit 2010 in unsere Satzung aufgenommen. Wir wollten ein klares und verbindliches Verfahren, das garantiert nur eine Urwahl.

Wie läuft der Mitgliederentscheid ab?

Am 27. November dürfen alle, die bis zum 20. Oktober 2011 Mitglied der SPD in Niedersachsen sind, zwischen 10.00 Uhr und 16.00 Uhr in einem festgelegten Wahllokal abstimmen. Das geschieht auf Ortsvereinesebene. Die Ortvereine wählen im Vorfeld Wahlvorstände. Nach Schließung der Wahllokale werden die Stimmen in neun "Zählstellen" transportiert, dort ausgezählt und vom Wahlausschuss des Landesvorstandes summiert. Am Sonntagabend wird es dann wie bei Wahlen üblich ein vorläufiges Wahlergebnis geben und wenn alles nach Plan läuft am Montag das endgültige.

Gibt es die Möglichkeit der Briefwahl?

Briefwahl ist satzungsbedingt nicht möglich. Da gibt es keinen Spielraum.

Was erhoffen Sie sich von dem Mitgliederentscheid?

Aus anderen SPD-Landesverbänden wissen wir, dass es bei einem solidarischen Verfahren innerparteilicher Demokratie starke Mobilisierungseffekte gibt. Wir wollen so den ersten entscheidenden Schritt für einen Politikwechsel in Niedersachsen gehen. Zwei starke Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Schwerpunkten stellen sich zur Wahl. Damit machen wir auf unser Personal und unser Programm aufmerksam, stärken den Zusammenhalt innerhalb der SPD und starten durch bis zum Wahltermin am 20. Januar 2013.

Die französischen Sozialisten haben gerade ihren Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen in offenen Vorwahlen gekürt. Warum kann die SPD sich dazu nicht durchringen?

Wir wollen mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten für die Mitglieder. Im Gegensatz zu den französischen Genossen ist die SPD immer noch eine Mitgliederpartei, besonders auch in Niedersachsen. Damit bleibt die SPD als Partei attraktiv. Alle, die in der SPD und für die SPD wichtige Entscheidungen treffen wollen, sind herzlich eingeladen, Mitglied zu werden. Politisches Engagement muss längerfristig angelegt sein. Da sind wir mit der Parteireform auf einem guten Weg.

Die Piratenpartei kann sich derzeit vor Neueintritten nicht retten. Sie könnte die Landtagswahl ganz schön aufmischen. Welche Schlüsse zieht Ihr daraus für die SPD?

Die Piratenpartei ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Bereitschaft für politisches Engagement im Netz, gerade auch bei jüngeren Menschen, hoch ist. Bisherige Nichtwähler wollen sich einmischen. Wir haben dieses Potenzial noch nicht ausreichend erschlossen. Die SPD ist aber keine Protest- oder Ad-Hoc-Bewegung, sondern eine Partei mit Grundwerten und einer langen Geschichte. Das macht uns manchmal etwas unflexibel, aber auch stabil, verantwortungsbewusst und "erdverwachsen", wie wir Niedersachsen sagen. Als älteste Volkspartei müssen wir immer eine gute Mischung zwischen Trend und Tradition hinbekommen. Das ist unsere Herausforderung. Ob die Piratenpartei überhaupt verlässlich politisch arbeiten kann, ist überdies noch völlig offen. Grundwerte, Antworten auf viele politische Fragen und durchsetzungsfähiges Personal, sind bisher nicht erkennbar.

Was wünscht Ihr Euch vom SPD-Parteitag in Sachen mehr innerparteilicher Demokratie?

Die Reformvorschläge liefern eine gute Grundlage, vor allem in Sachen Mitbestimmung bei Sachthemen. Wichtig ist nach innerparteilicher Debatte eine breite Mehrheit für die Veränderungen.

Welche Reformvorschläge sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten?

Unser Hauptanliegen ist, dass sich Mitglieder besser beteiligen und mehr mitbestimmen können. Zweitens muss es möglich sein, dass Interessierte einen leichteren Einstieg finden und an Sachthemen mitarbeiten können. Beides ist mit dem Reformvorschlag auf einem erfolgversprechenden Weg.

Interview: Susanne Dohrn

Die Termine für den Mitgliederentscheid in Niedersachsen: 01. November 19:00 Uhr Lüneburg 05. November 11:00 Uhr Osnabrück 08. November 19:00 Uhr Göttingen 10. November 19:00 Uhr Hannover 15. November 19:00 Uhr Braunschweig 16. November 19:00 Uhr Osterholz-Scharmbeck 17. November 19:00 UhrOldenburg

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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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