Martin Schulz besucht Lübeck: Europa ist nur gemeinsam stark
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Lübeck, Stadt der Hanse, Zentrum eines Handelsnetzes, das die damals bekannte Welt umspannte – für Martin Schulz ist der Besuch der Stadt ein langegehegter Wunsch. 2014, als Präsident des Europäischen Parlaments, hatte er mit der Bundestagsabgeordneten Gabriele Hiller-Ohm aus Lübeck die Baustelle des Europäischen Hansemuseums besucht und beschlossen: Ich komme wieder, wenn das Museum fertig ist. Schulz hielt Wort, Hiller-Ohm ergriff die Gelegenheit für ein kurzes, dafür aber exkusives Interview:
Bündnis aus 200 Städten
Was folgte, war eine Führung durch das Museum, die mit Felicia Sternfeld die Direktorin persönlich organisiert hatte. Die Hanse sei ein Beispiel dafür, wie sich Kaufleute aus bis zu 200 verschiedenen Städten aus den unterschiedlichsten Ländern zusammenschlossen und gemeinsam Handel trieben, erklärte sie dem SPD-Kanzlerkandidaten.
Selbst mit der Seidenstraße war die Hanse über die Stadt Nowgorod in Russland verbunden und auf alten Karte der Hanse entdeckt Martin Schulz sogar Kabul in Afghanistan. „Unglaublich, wie weit das Handelsnetz reichte“, so Schulz. Beeindruckt war er auch von dem Gesamtkonzept des Museums, in dem Besucher die facettenreiche Entwicklung vom Kaufmannsbund beginnend im 12. Jahrhundert bis zu einer europäischen Großmacht nachvollziehen und hautnah erleben können, wie die Kaufleute damals reisten, lebten und Handel trieben.
Container des Mittelalters
Martin Schulz steht in einem Raum, der einem historischen Lübecker Handelskontor nachempfunden ist, fühlt den blauen Wollstoff, der aus einem Ballen quillt. In dem Raum lagern außerdem Leinen, kostbarer Brokat aus Italien, hängen golddurchwirkte Reliquienbeutel, stehen große Behälter mit Orangen und Zitronen, Körbchen mit damals exklusiven exotischen Gewürzen wie Muskat und Ingwer. Der Raum und seine Waren sind spärlich beleuchtet, schließlich befindet man sich in einer Zeit ohne elektrisches Licht.
In einem anderen Raum bewegt sich ein schwerbewaffnetes, mit Fässern beladenes Schiff im letzten Tageslicht an einer Küste entlang. Auf dem Deck lagern runde Fässer, die „Container des Mittelalters“, wie die Museumsdirektoren sie bezeichnet. In ihnen wurde alles transportiert – von Fellen über Lebensmittel bis zu Stoffen und natürlich Alkohol. Die Fässer schützten die Waren vor der Witterung, denn die Schiffe waren offen. Martin Schulz: „Es ist eindrucksvoll, was die Menschen in früheren Zeiten unter weitaus schwierigeren Bedingungen als heute geleistet haben.“
Gemeinsam stark
Wie hat ihm der Rundgang gefallen? Was nimmt er mit, auch für seine politische Arbeit? Die Frage stellt sich am Ende des Rundgangs ganz automatisch. „Handel hat eine jahrhundertealte Tradition, das kann man hier sehen“, sagt Martin Schulz. Für die global vernetzte Gegenwart zieht er daraus den Schluss, dass die EU sich verstärkt zusammenschließen muss. Die EU müsse die EU ihren Binnenmarkt stärken, um sich zu schützen – gegen die isolationistischen Tendenzen aus den USA und die expansionistischen aus China. Das sei auch im Interesse Deutschlands. Zwar gingen unsere Exporte vorrangig in die EU, aber der europäische Binnenmarkt befinde sich in Konkurrenz zu Märkten auf der ganzen Welt.
„Zwietracht schwächt und Einigkeit macht stark“, so Martin Schulz’ Fazit. Die Hanse sei dafür ein gutes Beispiel. Am Ende des Rundgangs im Museumsshop entdeckt der Bücherfan Martin Schulz sogar noch ein Mitbringsel, das er unbedingt erwerben muss. Das Buch „Die Hanse“ von Philippe Dollinger. „Das war viele Jahre vergriffen“, sagt der Buch-Connaisseur glücklich über diesen Fund, bevor er weiterfährt zum Wahlkampfauftritt am Nachmittag in Kiel.