Markus Ramers: Der wahrscheinlich fitteste Landrat Deutschlands
200.000 Menschen leben im Kreis Euskirchen. Im Wahlkampf möchte SPD-Landrat Markus Ramers innerhalb einer Woche für jede und jeden von ihnen einen Schritt laufen. Nach der Hälfte seiner 200-Kilometer-Tour ist er auf einem guten Weg.
Schott Fotografie
Landrat Markus Ramers läuft innerhalb einer Woche 200 Kilometer durch seinen Kreis.
Dienstagmorgen, 7 Uhr, 15 Grad, Dauerregen, kein Frühstück im Camper und rund 15 Kilometer zu laufen in den nächsten eineinhalb Stunden – es gibt angenehmere Varianten, einen Tag zu beginnen als die von Markus Ramers. Doch der Landrat des Kreises Euskirchen in der Eifel hat es sich selbst ausgesucht. Im Landtagswahlkampf 2017 klingelte er an 5.000 Haustüren, vor fünf Jahren besuchte er alle 294 Orte im Landkreis und diesmal hat er sich ein noch ambitionierteres Ziel gesetzt: Der 38-Jährige will bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am 14. September wiedergewählt werden und vorher innerhalb von einer Woche 200 Kilometer durch seinen Kreis joggen – einen Schritt für jede*n der 200.000 Einwohner*innen.
Eisbaden im 14 Grad kalten Fluss
Am Sonntag ist seine Tour gestartet. Am Dienstagmorgen führt ihn die erste Etappe von Gemünd zum Gut Neuwerk in Urft, einem Ortsteil von Kall. Dort haben sich Sara und Michael Niedrig, ehemalige Beachvolleyball-Europameisterin und Ex-Fußball-Profi, ein Kleinod geschaffen. Vor sechs Jahren zog es sie mit ihren drei Kindern aus der Millionenstadt Köln in die Eifel. Jetzt bieten sie in ihren drei Ferienhäusern Urlaub auf dem Land. Auch heiraten kann hier, wer etwas Geduld mitbringt. Denn bis 2028 ist alles ausgebucht.
An diesem Morgen steht jedoch ein anderes Angebot im Fokus: Eisbaden im 14 Grad kalten Flüsschen Urft. Mit dabei ist auch Stephan Brings, Sänger der gleichnamigen Kölner Karnevalsband, ein Freund der Eifel und von Landrat Markus Ramers, der bereits am Fluss wartet. Mit seinen Schuhen in der einen und einer Laufweste in der anderen Hand watet er durchs Wasser. Dann heißt es: Klamotten aus und in Badebekleidung bis zum Hals eintauchen. „Versuch dabei, möglichst die Muskulatur locker zu lassen und auszuatmen“, empfiehlt Sara Niedrig.
Ramers stellt fest: „Obenrum geht’s, aber die Füße sind mega kalt.“ Während sich die vier mit den Händen an den Schultern festhalten, witzelt Michael Niedrig: „n‘ Stündchen noch.“ Wenige Minuten später ist das Eisbad vorbei. „Die Idee ist, nicht danach heiß duschen zu gehen, sondern sich zu bewegen. Dann kommt der positive Effekt“, rät Sara Niedrig. Für eine heiße Dusche hat Ramers ohnehin keine Zeit. Der nächste Termin wartet im Zentrum der rund 5.100-Einwohner-Stadt Kall. Gemeinsam mit dem von SPD, Grünen und FDP unterstützten Bürgermeisterkandidaten Emmanuel Kunz stellt er sich im Café „lé Bloom“ den Fragen von rund 25 Bürger*innen.
Wenn der Landrat oben ohne auf dem Parkplatz steht
„Jede Minute, die ich hier stehe, muss ich nicht laufen“, scherzt der Landrat. Trotz vieler Krisen in den vergangenen fünf Jahren sei er nicht amtsmüde. Auch das wolle er mit seiner Lauftour dokumentieren. Es folgen Fragen zu Windkraft, Mobilität und der Sauberkeit rund um den Kaller Bahnhof. Währenddessen versucht Ramers immer wieder, möglichst unauffällig ein belegtes Brötchen zu essen. Bei so vielen Kilometern darf auch die Kalorienzufuhr nicht zu kurz kommen.
Die ungeteilte Aufmerksamkeit der Anwesenden bekommt der Landratkandidat allerdings nicht. Brings-Frontsänger Stephan ist in der Region eine bekannte Größe und muss nach der Veranstaltung noch für Fotos posieren. Für Ramers geht es auf dem Parkplatz weiter, wo er sein weißes Hemd wieder gegen die Laufklamotten tauscht. Als er sich gerade das Hemd aufgeknöpft und ausgezogen hat, radeln ein Mann und eine Frau vorbei. Sie freut sich: „Haha, das ist ja unser Landrat!“ Ramers grinst. Es gibt schlimmere Rückmeldungen. Er zieht sich das nächste T-Shirt über – es ist eines von 60 Shirts, die ihm Vereine, Organisationen und Unternehmen aus dem gesamten Landkreis zur Verfügung gestellt haben, nachdem er unter dem Motto „Ich laufe in euren Trikots“ einen Aufruf in den sozialen Medien gestartet hatte.
Markus
Ramers
Wenn es uns als SPD gelingt, die Landratswahl im Kreis Euskirchen zu gewinnen, können wir das überall auf der Welt schaffen.
Vor fünf Jahren wurde er zum jüngsten Landrat in Nordrhein-Westfalen gewählt, der erste Sozialdemokrat in der Geschichte des Kreises, der eigentlich mal eine konservative Hochburg war. „Wenn es uns als SPD gelingt, die Landratswahl im Kreis Euskirchen zu gewinnen, können wir das überall auf der Welt schaffen“, sagt Ramers, während er zwischen der Bahnstrecke und dem Fluss die nächsten fünf Kilometer nach Nettersheim läuft.
Schwer getroffen von der Flutkatastrophe
Der Schotter glänzt noch in der nun aufkommenden Sonne, so neu ist der Bahndamm. Er wurde erst vor Kurzem nach der verheerenden Flutkatastrophe vor vier Jahren wiederaufgebaut, die auch im Kreis Euskirchen ihre Spuren hinterlassen hat: 26 Menschen kamen dort ums Leben, die Innenstädte von Bad Münstereifel und Euskirchen wurden zerstört, viele Verkehrswege waren nicht mehr nutzbar. Bei der Staatsanwaltschaft Bonn gingen 40 Anzeigen gegen Ramers als Landrat ein, unter anderem wegen fahrlässiger Sachbeschädigung. Ein Straftatbestand, den es gar nicht gibt.
Im Juni dieses Jahres teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass keine Ermittlungen gegen Ramers oder andere Bedienstete des Kreises aufgenommen werden. „Grundsätzlich finde ich es gut, wenn in so einem Fall alles durch den Rechtsstaat überprüft wird, auch wenn es einen persönlich betrifft“, sagt Ramers. Er sieht den Kreis nun im Bereich Katastrophenschutz besser aufgestellt, verweist auf eine der modernsten Leitstellen Deutschlands. Anders als etwa im rheinland-pfälzischen Landkreis Ahrweiler kanalisiert sich die Wut nach der Flut in seinem Landkreis nicht auf den Landrat – im Gegenteil: Viele haben ihm für den Wiederaufbau gedankt.
Als Ramers auf der nächsten Station in Nettersheim um eine Häuserecke biegt, erwartet ihn eine jubelnde Menge. Kinder halten selbstgemalte Schilder hoch, um den Landrat auf seiner Tour anzufeuern. Hier besucht er ein lokales Unternehmen, das einen digitalen Personal Trainer als Fitness-App entwickelt hat. Die App empfiehlt 200 Fitnesseinheiten pro Woche. Ramer hat mit seinem Lauf schon 700 geschafft. Dabei ist es erst Dienstag und er hat an diesem Tag noch knapp zehn Kilometer vor sich.
Noch vier Tage durchhalten
An diesem Dienstag ist Weyer der Zielort. Die letzten Meter läuft die komplette Fußballmannschaft mit ihm. Die Feuerwehr hat spontan ein Grillfest organisiert, nachdem sie gehört haben, dass Ramers auf seiner Tour durch ihren Ort kommt. Die Menschen scheinen stolz auf den wahrscheinlich fittesten Landrat Deutschlands zu sein. Doch vier Tage muss er noch durchhalten. Ob er das schafft, und sein Ziel bei der Kommunalwahl erreicht, bleibt abzuwarten.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo