Parteileben

Manuela Schwesig: „Zeit, Infrastruktur und Geld für Familien“

Die SPD will, „dass die Arbeitswelt familienfreundlicher wird und nicht die Familien immer arbeitsfreundlicher“. Im Leitantrag „Familie im Wandel“ für den Bundesparteitag macht sie sich deshalb u.a. für eine Familienarbeitszeit stark. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig erklärt, wie sie funktioniert.
von Kai Doering · 8. Dezember 2015
Kinder in der Kita
Kinder in der Kita

„Die Arbeitswelt muss familienfreundlicher werden.“ Das fordert der Parteivorstand in einem Leitantrag für den Bundesparteitag. Wo hakt es zurzeit?

Die Arbeitskultur setzt in Deutschland auf die volle Erreichbarkeit der Arbeitnehmer, am liebsten rund um die Uhr. Familien wünschen sich aber, dass auf ihre Bedürfnisse Rücksicht genommen wird. Ein Vater möchte auch an manchen Tagen um 16 Uhr gehen, weil er sein Kind aus der Kita abholen möchte. Deshalb ist es wichtig, dass endlich die Arbeitswelt familienfreundlicher wird und nicht die Familien immer arbeitsfreundlicher.

Sie setzen dieser Entwicklung das Konzept der „Familienarbeitszeit“ entgegen. Was würde sich damit für Familien ändern?

Durch die Familienarbeitszeit würde die Teilzeitarbeit im Umfang von 30 bis 35 Stunden mehr wertgeschätzt. Im Moment sind nur die vollständig anerkannt, die Vollzeit arbeiten, möglichst noch mit Überstunden. Wer das nicht möchte, muss sich oft mit einer schlecht bezahlten Teilzeitstelle begnügen, die kaum Möglichkeiten bietet, sich weiterzuentwickeln und ein kleines Einkommen und eine kleine Rente bedeuten. Vor allem Frauen landen häufig in dieser Teilzeitfalle. Ich möchte, dass wer kleine Kinder oder pflegebedürftige Angehörige hat, seine Arbeitszeit reduzieren kann, in dieser Zeit finanzielle Unterstützung vom Staat bekommt und hinterher ein Anrecht hat, auf eine Vollzeitstelle zurückzukehren.

Das klingt revolutionär.

In gewisser Weise ist es das. Hinter dem Konzept steckt ein neuer Gedanke der Familienpolitik: der Gedanke der Partnerschaftlichkeit. In den letzten Jahren lag der Fokus darauf, dass Frauen nach der Geburt eines Kindes schnell ins Arbeitsleben zurückkehren. Das führt nicht selten dazu, dass Frauen sich um Beruf und Familie kümmern müssen. Viele sogar auch noch zusätzlich um zu pflegende Angehörige. Ganz zu schweigen von Ehrenämtern, die noch übernommen werden. Echte Gleichberechtigung bedeutet aber, dass sich Männer und Frauen die Aufgaben teilen. Das wünscht sich heute übrigens auch die Mehrzahl der jungen Mütter und Väter.

Welche Rolle spielen Kitas in der künftigen Familienpolitik der SPD?

Kitas spielen auch weiterhin eine sehr große Rolle. Wir sind bisher gut beim Kita-Ausbau vorangekommen und haben die Mittel auch noch einmal aufgestockt. Der Bund gibt so viele Betriebskosten jährlich wie noch nie zusätzlich -, damit auch für Qualität. Zusätzlich mehr als 100  Millionen Euro  pro Jahr fließen in die gezielte Sprachförderung. Davon profitieren bundesweit 4000 Kitas. Alle Eltern, die einen Kita-Platz brauchen und wollen, müssen auch einen bekommen. Mit dem neuen „Bundesprogramm KitaPlus“ schaffen wir passgenaue Betreuungsangebote für Kinder, deren Eltern im Schichtdienst arbeiten, ihren Lebensunterhalt ohne Partner verdienen müssen oder sich noch in der Ausbildung befinden. Gleichzeitig ist eine gute Qualität in den Kitas wichtig. Die steht und fällt mit den Erzieherinnen und Erziehern, die ein Anrecht auf eine faire Bezahlung haben. Deshalb bin ich sehr dafür, dass der Bund Länder und Kommunen weiter bei der Kita-Finanzierung unterstützt. Es ist ein großer Erfolg für die SPD, dass zukünftig fast eine Milliarde Euro pro Jahr für die Verbesserung der Kinderbetreuung anstatt für das Betreuungsgeld ausgegeben wird.

Kinder bedeuten nicht selten eine finanzielle Belastung – ganz besonders für allein erziehende Eltern. Wie kann ihnen geholfen werden?

Wir setzen auf einen Mix aus Zeit, Infrastruktur und Geld für Familien. Die Finanzierung von Kitas und Ganztagsschulen darf nicht gegen Familienleistungen wie das Kindergeld ausgespielt werden. Viele Familien sind auf das Kindergeld angewiesen. Allein durch das Kindergeld werden eine Million Kinder vor Armut geschützt. Wir haben in diesem Jahr ein großes Paket zur finanziellen Entlastung von Familien geschnürt. Sie bekommen mehr Kindergeld und einen höheren Kinderfreibetrag. Die Alleinerziehenden profitieren von einem höheren Entlastungsbetrag und alle Niedrigverdiener von der Erhöhung des Kinderzuschlags.Allerdings sind die derzeitige Struktur und die Ausgestaltung des Steuerrechts nicht gerecht. Wir wollen das Kindergeld deshalb so gestalten, dass Familien mit kleinen und mittleren Einkommen nicht mehr schlechter gestellt sind als Großverdiener. Mit einem sozialdemokratischen Familiensplitting wollen wir Familien mit Kindern steuerlich deutlich besser fördern – egal, ob die Eltern einen Trauschein haben oder nicht.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare