Darf man ihn suchen, den Schulterschluss mit Nicht-SPD-Mitgliedern, die sich aber trotzdem für Frauenrechte stark machen, oder mit - oh Schreck! - Modebloggerinnen oder gar Autorinnen, die Bücher über " Alpha-Mädchen", jawohl Mädchen, schreiben oder ist das nicht ein Verrat an dem eigenen feministischen Ideal? Alleine diese Debatten hinter vorgehaltener Hand offenbaren selbst auferlegte Tabus und die Tatsache, wie sehr die SPD sich frauenpolitisch ins Abseits geschossen hat. Wer sich fragt, warum wir gerade von jungen Frauen nicht mehr gewählt werden, darf sich direkt auch fragen, warum sie uns denn eigentlich wählen sollten. Was haben wir ihnen anzubieten, an Vorbildern, an Bezugspunkten, an konkreten politischen Zielsetzungen, die ihre spezifische Lebenssituation betreffen?
Andrea Nahles sagte in ihrem Statement auf SPD.de ganz richtig, dass die Sozialdemokratie weiblicher werden müsse. Das muss sie in der Tat, denn Menschen, auch junge, suchen Vorbilder oder Projektionsflächen. Leider tappt Andrea Nahles bereits wenige Sätze weiter in eine andere SPD-Falle, wenn sie fordert, dass die SPD mehr Kinderfreundlichkeit brauche, sowohl in ihren Strukturen als auch in ihren Themen. Frauenpolitik ist nicht gleich Familienpolitik, sondern Familienpolitik ist eine Säule von moderner Gesellschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Aber in der jüngeren Vergangenheit haben wir uns von dem herrschenden Diskurs, der Frauen wieder vornehmlich in ihrer Rolle als Mutter wahrnimmt und die gesamte Gleichstellungsmisere auf dem Rücken dieses einen Themas austragen will, zu sehr beeinflussen lassen. Und die jungen Frauen, die uns nicht gewählt haben, sind in der Regel noch gar keine Mütter und nicht jede von ihnen wird eine werden.
Mit Schwung an die gläserne Decke
Frauenbilder und -rollen sind heute vielfältiger, aber auch diffuser geworden, vor allem in der Auseinandersetzung zwischen den Generationen. Junge Frauen nehmen heute ihre Gleichberechtigung selbstverständlicher war und das jenseits der Frage, ob wir bessere Männer werden sollen oder weibliche Generaltugenden aufwerten müssen. Die parteiintern, aber auch gesamtgesellschaftlich geführten Debatten zeigen, dass wir heute ein wenig orientierungslos zwischen den verschiedenen Vorstellungen vom Frau-Sein navigieren und für junge Frauen ist es keineswegs einfacher, sich zwischen Heidi Klum und Michelle Obama ein Bild von sich selbst zu machen.
Frauenrollen haben sich bewegt in den letzten Jahrzehnten, vor allem jene progressiven Konstrukte vom Frau-Sein, die wir uns wünschen. Junge Frauen profitieren von den Errungenschaften der Frauengenerationen zuvor: in der Schule werden sie gefördert und natürlich gehen sie auf die bestmögliche Schule, statt wie früher nach der Realschule in Ausbildungsplätze gedrängt zu werden. Mit Bravour segeln sich durch das Abitur und die Hochschulen und zeigen den gleichaltrigen Männern, wo der Begabungshammer hängt und das ganz unprätentions und ganz selbstverständlich.
Das ist sehr schön und eben auch eine große sozialdemokratische Erfolgsgeschichte. Aber es ist auch ein Problem, denn es reduziert die Empfänglichkeit für klassische Frauenthemen, weil der Moment, in dem sie junge Frauen heute mit Schwung den Kopf in der gläsernen Decke einrennen, um viele Jahre nach hinten verschoben ist.
Erst wenn diese junge Frauen in der nachuniversitären Welt, - die dann auch zunehmend von männlichen Würdenträgern besetzt ist - , ein paar Mal ihre Grenzen erfahren durften, erst dann sind sie unter Umständen bereit, sich Themen wie Gender Mainstreaming und feministische Theorie auf die Tagesordnung zu setzen - aller Abneigung gegen selbige zum Trotz. Unsere Ansprache muss sich daher ändern, wenn wir schon früher junge Frauen wieder an uns binden möchten. Und wir müssen altersgerechte politische Angebote entwickeln für eine Frauengeneration, die in erste Linie beteiligt werden möchte und zwar bitte an allem.
Weiblicher jenseits der ASF und der familienpolitischen Gremien
Aber auch für Frauen aus dem nicht-akademischen Umfeld können klare politische Massnahmen anziehend sein, denn schließlich weiss man schon seit sehr langer Zeit, dass Frauen in den klassischen Ausbildungsberufen auch deswegen spätestens nach der Geburt des zweiten Kindes zu hause bleiben, weil der Mann eben mehr verdient. Und weil die Arbeitgeber dieser Frauen immer noch oft Männer sind und die von ihren Ehemännern auch und daher niemand von sich auf die Idee kommen wird, flexible Arbeitszeit- und Lohnmodelle einzuführen.
Ach ja, und auch wenn die folgende Feststellung ebenfalls eine Banalität ist, muss man sie vielleicht doch noch einmal wiederholen: Frauen, jung wie alt, interessieren sich übrigens nicht nur für Frauen- und Familienpolitik, sondern auch für Verteidigung, Bildung, Wirtschaft und den Klimawandel. Und auch deswegen hat Andrea Nahles recht, wenn sie sagt, dass die SPD wieder weiblicher werden muss, auch jenseits der familienpolitischen Gremien und der ASF.
Frauenbilder in der SPD - herrisch, frech, unberechenbar?
Politikverdrossenheit ist auch ein Jugendphänomen. Es sind nicht nur die weiblichen Vorbilder, die im Raumschiff Berlin fehlen. Frauen aber antworten auf Krisen anders: sie entziehen sich dem Problem und sind damit doppelt betroffen von der zunehmenden Entpolitisierung breiter Gesellschaftskreise. Ihre Abkehr ist eine doppelte. Während junge Männer noch eine positive Identifikationsfläche in der Politik als Machtvehikel finden (siehe die vielen jungen Männern, die Gerhard Schröder nacheiferten) haben Frauen zur Kategorie Macht besonders in jungen Jahren weniger Zugang, vielleicht auch, weil es uns eben nicht gelungen ist, Macht im positiven Sinne mit Frauen zu verbinden.
Das letzte Mal, als in der SPD Frauen Macht ausgeübt haben, sind sie damit unter der Häme der Partei und Republik gescheitert. Sei es Andrea Ypsilanti oder die "Königsmörderin" Andrea Nahles, die in der Presse beide als herrisch, frech, unberechenbar, nicht absprachefähig dargestellt wurden, solange die Sozialdemokratie in dieser Weise über Frauen in Führungspositionen kommuniziert (und mit ihnen so umspringt wie in den genannten Fällen), darf man sich nicht wundern, dass wir nicht von Frauen gewählt werden. Denn siehe oben: Frauenbilder haben sich verschoben. Junge und jüngere Frauen erwarten eine selbstverständlichen Umgang mit ihren Ansprüchen und vor allem einen vernünftigen Ton ihnen gegenüber. So wie bei den Grünen zum Beispiel oder auch neuerdings in der CDU.
Patriarchatsprinzip
Deutschland leidet - und leider auch die Sozialdemokratie - , trotz aller "Revolutionen" in den Sechziger- und Siebzigerjahren ungebrochenen am Patriarchatsprinzip und auch das Senioritätsprinzip ist aus unseren Köpfen noch nicht verschwunden. Feuilleton, Buchmarkt, politische Quasselrunden zu allen Uhrzeiten sind das Medium alter Männer. Das ist nicht mal für junge Männer interessant und "sexy" ist es schon mal gar nicht.
Über den Sturz von Kurt Beck durch den bereits einmal zurück getretenen Parteivorsitzenden Franz Müntefering wurde viel geredet, aber ein Teilaspekt der ganzen Angelegenheit wurde fast gar nicht thematisiert, vielleicht auch, weil er gar nicht als problematisch wahrgenommen wurde, - trotzdem es sich dabei um einen in der Politik nicht einzigartigen, aber ausgesprochen seltenen Vorgang handelt: einen in einer Putsch-Situation zurück genommenen Generationenwechsel, ein Zurückdrehen der Zeit. Es waren drei Männer, die den wartenden Medien den gelungenen Putsch verkündeten. Männermachtkämpfe und müde Männer vor der Kamera? Die neue Mann-schaft, wie Steinmeier sie nach seiner Wahlniederlage euphorisch ausrief? Sorry: unsexy!
Nicht Medien und Markt das Setzen von Rollenbildern überlassen
Generationenwechsel aber sind wichtig, denn jede Generation verfügt über ihre eigenen politischen Ziele, ihre eigenen Ideale, ja vielleicht sogar eine versteckte Ideologie. Die Bedürfnisse jeder Generation kann und sollte nur sie selbst artikulieren. Der in Dresden 2009 begonnenene Generationenwechsel war deshalb wesentlich. Nun müssen wir das auch thematisch zum Ausdruck bringen und wichtiger noch, mit unserer Programmatik auch die Gesellschaft zur ständigen Erneuerung motivieren.
Wer den Medien (männlich dominiert) und dem Markt (männlich dominiert) das Setzen von weiblichen Rollenvorbildern überlässt, bekommt eben auch nur das, was sich am besten verkauft: Sex sells. Daran wird auch die Politik nicht vorbei können. Aber es ist eine sehr große Spannbreite zwischen politischen Glamour-Damen von Carla Bruni bis sagen wir, Michelle Obama, oder auch Condoleeza Rice.
In der Vergangenheit haben wir immer große Ängste vor den möglichen politischen (= Zustimmung in der Wahlkabine) Konsequenzen von Forderungen nach der Abschaffung des Ehegatten-Splittings, Quoten an Universitäten und in Aufsichtsräten, mehr Lohngleichheit etc. gehabt. Jetzt, wo wir ohnehin schon im unteren Zwanzig-Prozentturm sitzen, könnten wir es ruhig auch mal wagen. Viel zu verlieren haben wir nicht, aber vielleicht sogar zu gewinnen, zum Beispiele weibliche (junge) Zustimmung.
Sonja Profittlich ist ehemalige Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung, hat in Bonn Politikwissenschaften studiert und dort über die rechtspolitischen Reformprojekte der Ära Brandt promoviert.