Wer gelegentlich rätselt, was es heute heißt, links zu sein, wer zweifelt, ob Engagement sich noch lohnt, wer sich von medialen Abgesängen auf die Volkspartei SPD hat einlullen lassen, der tut gut daran, zu diesem verblüffend leicht und unterhaltsam geschriebenen Buch zu greifen und dem 40-jährigen Autor bei seiner Wanderung kreuz und quer durch die Republik, auf und nieder durch die Hierarchien von SPD, Linkspartei und Grünen zu folgen.
Reise durch die Republik
Ruf betrachtet die Innereien der linken Szene mit der wachen und unverstellten Neugier eines Ausflüglers, der sich vorgenommen hat, einen frischen Blick auf eine altvertraute und deshalb klischeebehaftete Route zu werfen. Er führt uns nach Potsdam und nach Freiburg-Vauban, nach Nürnberg, ins Vogtland und ins Ruhrgebiet. Und er entdeckt überall Menschen, die eine recht klare Vorstellung davon haben, was sich ändern muss im Land. Die Soziales und Ökologisches zusammendenken, "und zwar international wie national". Menschen, "die Macht von den Banken und Lobbys" zurückholen wollen, Menschen, die fest daran glauben, "dass nur eine durchlässige Gesellschaft ohne allzu krasse soziale Spaltung eine lebenswerte sein kann". Und die etwas dafür tun.
Zu seiner eigenen Verblüffung stößt Ruf bei seinen Wanderungen auf starke Charaktere - übrigens gerade "vor Ort" , in der Kommunalpolitik, und auf überzeugende Politiker auch dort, wo er es nicht erwartet hat. Florian Pronold etwa und auch Nils Schmid, die jungen, oft als Leichtgewichte beschriebenen SPD-Vorsitzenden im Süden des Landes, hat er als starke, gewinnende Redner erlebt. "Könnte es also sein," fragt Ruf sich selbstkritisch, "dass wir Journalisten manchmal eine ganz andere Wahrnehmung von öffentlichen Personen haben als die übrigen Menschen?"
Rot-Rot-Grün 2013
So unvoreingenommen er hinsieht und hinhört - etwa wenn er die sozialen Biotope erkundet, aus denen sich Die Linke speist -, so offenkundig vor-angetan ist Ruf von der Idee, Rot-Rot-Grün 2013 in einer Koalition zusammenzubringen, auch im Bund. Zwingender als die Vorfreude auf diese Machtperspektive wächst beim Lesen die Erkenntnis, dass Ruf auch bei der Nah-Sicht auf Linke und Grüne vor allem solche Menschen imponieren, die im Grunde Sozialdemokraten sind. Er findet sie überall; Menschen, denen Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität keine leeren Floskeln sind. Menschen, die mitten im Leben stehen und von hier aus Visionen entwickeln.
Wer letztlich zuviel Spiegel und BILD gelesen und an Demoskopen-Lippen gehangen hat, dem wird Christoph Rufs Buch eine erfrischende, eine erstaunliche und eine erbauliche Lektüre sein; ideal für Strand und Balkon - jedenfalls für Sozialdemokraten im Sommer anno 2011.
Christoph Ruf: "Was ist links? Reportagen aus einem politischen Milieu", Verlag C.H. Beck, München 2011, 253 Seiten, 12,95 Euro, ISBN 978-3-406-60649-6