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Lars Klingbeil: „Die Bundestagswahl wird im Netz entschieden.“

Der Kanzlerkandidat steht fest, der Entwurf für das Wahlprogramm auch: Generalsekretär Lars Klingbeil sieht die SPD gut für den Wahlkampf gerüstet. Obwohl dieser verstärkt digital stattfinden wird, hofft Klingbeil auch auf analoge Formate.
von Kai Doering · 12. März 2021
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil: Es geht nicht um das Kleinklein der Regierungsarbeit, sondern um den großen gesellschaftlichen Entwurf.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil: Es geht nicht um das Kleinklein der Regierungsarbeit, sondern um den großen gesellschaftlichen Entwurf.

Im vergangenen Sommer hat die SPD mit Olaf Scholz ihren Kanzlerkandidaten vorgestellt und nun auch als erste große Partei den Entwurf ihres Wahlprogramms. Wie sehr freuen Sie sich auf den Wahlkampf?

Ich freue mich sehr auf den Wahlkampf und bin dankbar, dass wir gerade in der Partei alle so konzentriert an der Vorbereitung arbeiten. Die Vorstellung des Zukunftsprogramms war da nochmal ein ganz wichtiger Schritt. In den Wochen davor haben wir in der Parteiführung nochmal sehr intensiv beraten, welche Schwerpunkte wir setzen und welche Themen wir nach vorne stellen. Die vielen positiven Reaktionen innerhalb wie außerhalb der SPD haben mich deshalb riesig gefreut. Bis zum Beschluss des Zukunftsprogramms auf dem Parteitag im Mai werden wir sicher noch das ein oder andere diskutieren, aber wir haben jetzt schon einen klaren Plan für die Zukunft unseres Landes und eine sehr gute Grundlage für die Auseinandersetzungen bis zum 26. September.

Also könnte der Wahlkampf eigentlich beginnen?

Wir stecken noch mitten in der Bewältigung der Corona-Pandemie und das steht für die SPD im Moment auch klar im Vordergrund. Olaf Scholz und unsere Ministerinnen und Minister sind jeden Tag im Krisenmanagement gefordert. Niemand möchte da gerade Wahlkampf. Aber natürlich wird der Tag kommen, an dem die Wahlauseinandersetzung beginnt. Und darauf sind wir sehr gut vorbereitet.

Trotzdem steht die SPD seit Monaten in den Umfragen bei weniger als 20 Prozent. Frustriert das?

Alle Ideen, die in unserem Zukunftsprogramm stehen, sind es wert, für eine starke SPD und politische Mehrheiten zu kämpfen. Für mich ist das der Ansporn, die Umfragewerte zu steigern, denn sie sind ja nicht in Stein gemeißelt. Es liegt allein an uns, sie zu verbessern. Wie das gehen kann, sehen wir gerade eindrucksvoll in Rheinland-Pfalz. Ich bin mir sicher: Wenn der Wahlkampf richtig beginnt, werden die Menschen merken, dass die CDU total zerstritten ist und bei den Grünen eine Zukunftsangst herrscht, die sie lähmt. Wenn am Ende Olaf Scholz, Armin Laschet und Annalena Baerbock zur Wahl stehen, werden sich die Menschen erinnern, dass die SPD Verantwortung für das Land übernimmt, immer gestanden und sich nicht weggeduckt hat. Das wird sich dann auch im Wahlergebnis niederschlagen.

Im Gegensatz zu früheren Wahlkämpfen nennt die SPD ihr Programm nicht Regierungsprogramm, sondern Zukunftsprogramm. Was macht es aus?

Unser Zukunftsprogramm ist eine zuversichtliche Erzählung von Morgen. Es geht darum, wie wir uns die 20er Jahre des 21. Jahrhunderts vorstellen. Wie wollen wir im nächsten Jahrzehnt leben, arbeiten und wirtschaften? Antworten darauf geben wir mit unserem Zukunftsprogramm.

Teil des Programms sind vier „Zukunftsmissionen“, die Olaf Scholz bereits im Januar vorgestellt hat. Warum der Begriff „Missionen“?

Die Zukunftsmissionen Gesundheit, Mobilität, Digitalisierung und Klimaschutz sind klar auf die kommenden Jahre ausgerichtet. Veränderungen in diesen Bereichen werden kommen, aber ob hier ein Perspektivwechsel gelingt, wird über unser aller Zukunft entscheiden. Und das braucht eine große Kraftanstrengung, nicht nur von der Politik, sondern von der gesamten Gesellschaft. Deshalb finde ich den Begriff „Mission“ in diesem Zusammenhang schon sehr passend. Es geht nicht um das Kleinklein der Regierungsarbeit, sondern um den großen gesellschaftlichen Entwurf.

Das Zukunftsprogramm ist vor allem im vergangenen Jahr entstanden, also unter dem Eindruck von Corona. Wie stark hat die Pandemie das Programm geprägt?

Das hat für mich zwei Ebenen: Corona hat noch viel mehr dazu geführt, dass wir uns vor allem digital über das Programm ausgetauscht haben – von der digitalen Programmwerkstatt bis hin zum Debattencamp im Dezember, an dem mehr als 6.000 Menschen online teilgenommen haben. Ich halte das für einen großen Gewinn. Und auch auf der inhaltlichen Ebene ist das Zukunftsprogramm von Corona geprägt. Das Virus hat ja schonungslos offengelegt, wo Dinge im Argen liegen, von der Digitalisierung bis zum Gesundheitsbereich. Im Programm benennen wir diese Punkte und machen Vorschläge, wie sie zum Besseren verändert werden können.

Auch wenn die Zeichen auf Lockerungen stehen, wird Corona auch im gesamten Wahlkampf eine Rolle spielen. Wie gehen Sie in der Wahlkampfplanung darauf ein?

Auch ohne Corona wäre dieser Bundestagswahlkampf der digitalste aller Zeiten geworden. Die Pandemie gibt nun einen zusätzlichen Schub in diese Richtung. Die Bundestagswahl wird im Netz entschieden. Darauf bereiten wir uns vor. Olaf Scholz tourt bereits mit digitalen Zukunftsgesprächen durch Deutschland und spricht mit Bürgerinnen und Bürgern. Aber natürlich hoffen wir, dass wir im Sommer auch wie gewohnt im Land unterwegs sein können, um an den Türen zu klingeln und im persönlichen Gespräch zu sein. Auch darauf bereiten wir uns vor.

Wie erleben Sie die Partei zurzeit?

Ich erlebe eine sehr motivierte SPD. Wir haben sehr viele junge Kandidierende, darunter viele Frauen. Bei der Bundestagswahl werden wir unser Versprechen, dass die SPD jünger, weiblicher und digitaler wird, einlösen. Das macht mich sehr glücklich und lässt mich mit Zuversicht auf den September blicken.

Die AfD ist weiter ins Blickfeld des Verfassungsschutzes gerückt, auch wenn er sie vorerst nicht überwachen darf. Welchen Einfluss wird das auf den Bundestagswahlkampf haben?

Erstmal ist es eine gute und richtige Entscheidung, dass der Verfassungsschutz die AfD beobachten will. Ihr rechtsextremes Gesicht ist immer deutlicher geworden, die Partei in ihrem Auftreten immer hemmungsloser. Die AfD will der Demokratie schaden und die Demokratie muss sich gegen ihre Feinde verteidigen. Die Gesellschaft hat sich in den vergangenen Monaten zudem weiter polarisiert. Auch hier spielt Corona eine Rolle. Deshalb fürchte ich, dass die Auseinandersetzungen im Wahlkampf heftiger werden. Wir werden unsere Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer gut darauf vorbereiten, auch darauf, wie sie mit Menschen umgehen, die unter Umständen aggressiv werden. Klar ist aber: Wir werden uns nicht verstecken, sondern für unsere Ideen kämpfen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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