Personalentscheidungen aber sollten ein Reservatrecht der Beitragszahler bleiben - sonst entwertet man den Mitgliedsstatus. Zudem muss die SPD auf der kommunalen Ebene präsenter, sichtbarer werden - als "Kümmererpartei", welche sich der konkreten Sorgen annimmt und so die Menschen erreicht. Strategisch ist Stringenz vonnöten: Inhaltliche Neujustierungen müssen umfassend angelegt und etwa mit einem Personalwechsel verbunden werden, sonst beschleunigen sie den Vertrauensverlust noch. Durchsichtige Ad-hoc-Veränderungen vor Wahlen überzeugen niemanden.
Im Übrigen: Politische Beteiligung entspringt unverändert und ganz altbacken einem Bekenntnisakt. Erfolgreiche Parteien brauchen über das politische Tagesgeschäft hinausweisende Leitbilder, ja
Visionen, die Unverwechselbarkeit begründen und Sinn stiften. Die SPD braucht eine neue Erzählung, die in sich schlüssig ist, das Alltagshandeln einbettet und die sozialdemokratischen Grundwerte
fortschreibt. Hier allerdings klafft bei der Sozialdemokratie in ganz Europa das größte Loch.
Die Autoren sind Politologen am Göttinger Institut für Demokratieforschung. Dr. Matthias Micus hat zur Reform sozialdemokratischer Parteien in Europa eine Studie für die FES verfasst.