Kostenfreie Bildung und Kinderarmut bekämpfen: Ideen für das SPD-Wahlprogramm
Irene Johns: Kinder stärken, Familien entlasten
Die Politik für Kinder und Familien noch weiter verbessern, mit diesem Anliegen ist Irene Johns aus Kiel nach Hamburg angereist. Denn Schwerpunkt der vierten und letzten SPD-Programmkonferenz war das Thema Familie. „Wenn wir sehen, dass unsere Wirtschaft floriert und gleichzeitig die Kinderarmut steigt, dann läuft etwas falsch“, erklärt die Landesvorsitzende des Kinderschutzbundes Schleswig Holstein. Das aber sei ein zentrales Ergebnis der Bertelsmann-Studie gewesen, die in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde.
„Wir müssen Kinderarmut stärker bekämpfen“, sagt Johns. Die SPD sei auf einem guten Weg, wenn sie die Kinderbetreuung und Bildung verbessern will. Die aktuelle OECD-Studie habe gezeigt, wie wichtig besonders die frühe kostenfreie Bildung sei. In Ländern, in denen die frühe Bildung ausgebaut und kostenfrei sei, habe man auch den Anteil derer, die keine Berufsausbildung haben, deutlich reduzieren können. „Das ist der Weg“, ist Johns überzeugt. „Das stärkt die Kinder, das führt aus der Armut heraus und es entlastet die Familien.“
1998 war Johns eine der Sachverständigen für den 10. Kinderbericht. Schon da habe man darauf aufmerksam gemacht, dass die Kinderarmut ein gravierendes Problem sei und „dass wir etwas tun müssen“, erzählt Johns. „Das ist jetzt 18 Jahre her...“
Ihre Forderung: „Wir brauchen eine Kindergrundsicherung und zwar für alle Kinder in Höhe des verfassungsrechtlich notwenidgen Existenzminimums von etwa 590 Euro im Monat.“ An diesem Punkt vermisse sie bei der SPD den Mut zu sagen, Kinder und Familien brauchen zur Unterstützung beides: Geld und Infrastruktur. „Die finanzielle Seite wird bei der SPD etwas vernachlässigt“, so Johns.
Man habe in der Vergangenheit so viele Verrenkungen gemacht und Verwaltungsmonster geschaffen wie beispielsweise mit dem Bildungs- und Teilhabepaket. Man müsse diese ganze Familienförderung endlich zusammenfassen, sagt sie.
Für Johns ist klar, dass sie ihre Anliegen auf der Konferenz in der Arbeitsgruppe „Gute Rahmenbedingungen für Familien“ einbringen wird. Aus diesem Grund ist sie gekommen. Die Forderungen nach einer Kindergrundsicherung und nach kostenfreien Kitas stehen da ganz oben auf ihrer Liste.
Was sie freut ist, dass sowohl von Olaf Scholz als auch von Manuela Schwesig die Forderung nach einer Kostenfreiheit der Kitas betont wurde. „Wir müssen noch mehr Kinder in die Kitas bringen und zwar früh“, sagt Johns. Dann, wenn es um Sprachförderung gehe und um die Vermittlung von Grundlagen. „Ausbau, Qualität und Kostenfreiheit bringen uns in dieser Debatte erheblich voran.“
Sammy Al Bayati will sich für junge Menschen einsetzen
Er ist Deutschlands jüngster SPD-Kommunalpolitiker. „Ich bin mit 17 Jahren in die Politik eingestiegen, habe mich zwei Jahre lang engagiert“, erzählt Sammy Al Bayati. Seit den Kommunalwahlen in Niedersachsen am 11. September sitzt er für die SPD im Stadtrat von Otterndorf. Vor allem für die jungen Leute will er sich einsetzen, sie in die Politik bringen, erklärt er. „Das ist mein Anliegen.“
Denn in Otterndorf sei er der einzige in seinem Alter, der aktiv ist. Das will er ändern, betont der 19-jährige Schüler, der im kommenden Jahr sein Abitur machen will. In der Klasse sei er auf sein neues Amt schon angesprochen worden: Wie es denn aussähe, ob man jetzt eine Partybude bekommen könnte?, wollten Mitschüler wissen. Al Bayatis Plan ist, einen Jugendrat zu eröffnen, in dem Jugendliche sich beteiligen können, ohne Mitglied in einer Partei zu sein. Dabei denkt er an eine Art Treffpunkt, wo Jugendliche sich austauschen können.
Das Thema Bildung liegt ihm am Herzen, nicht nur weil er selbst noch Schüler ist. „Bildung muss kostenlos sein“, fordert er. „Ich zahle 80 Euro nur für Lehrmittel“, fügt er hinzu. Das sei für einen jungen Menschen sehr viel Geld. Seine Forderung: Lehrmittel müssen kostenfrei bereitgestellt werden.
Die Idee der kostenfreien Kitas findet er toll. „So etwas haben wir in Otterndorf ja noch nicht“, sagt er. Aber auch das sei für ihn ein Grund, an der Programmkonferenz Familie in Hamburg teilzunehmen. Al Bayati will Ideen sammeln, um sie im Stadtrat einzubringen.
Auch das Thema Bildungsgerechtigkeit ist ihm wichtig. Weil er arabisch sprechen kann, habe er in Otterndorf Geflüchtete aus Syrien unterstützen können. Gemeinsam mit der Schulleitung konnte er so zwei Schülern helfen, von der Hauptschule auf das Gymnasium zu wechseln. „Ich war froh, dass ich helfen konnte. Beide haben Potenzial und machen ihre Sache gut“, erzählt er. „Die jungen Leute sind unsere Zukunft, egal woher sie kommen“, ist er überzeugt. „Das könnten unsere Ärzte oder Ingenieure von morgen werden.“ Voraussetzung: „Wir müssen fördern.“
Überhaupt könnte Bildung besser werden, Schule mehr Spaß machen. Wünschen würde sich Al Bayati aber vor allem, dass sich mehr Schulen an den Courage-Programmen gegen rechts beteiligen. Junge Leute müssten mehr sensibilisiert werden. Schüler sollten wissen, warum Menschen aus ihren Heimatländern nach Deutschland fliehen. Al Bayati: „Die Geflüchteten aus Syrien kommen ja nicht aus Spaß hierher.“
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.