Die nordrheinwestfälische Partei- und Fraktionsvorsitzende Hannelore Kraft stellt klar, dass Bildung im Wahlkampf die höchste Priorität genießt. Mit den Sozialdemokraten wird es keine Gebühren geben, weder für den Kindergarten, noch für die Hochschule, sagt Kraft. "Es gibt auch kein Studienkontenmodell mit der SPD", betont die Chefin der NRWSPD im Hinblick auf die Landtagswahl.
Kehrtwende in der Bildungspolitik
Dabei war es die einstige Wissenschaftsministerin Kraft, die das entsprechende Gesetz der rot-grünen Landesregierung 2003 auf den Weg brachte. Ab dem Sommersemester 2004 mussten Studenten, die
die Regelstudienzeit um das anderthalbfache überschritten hatten, 650 Euro zahlen. Kraft bezeichnete ihr Studienkontenmodell seiner Zeit als "intelligent" und "sozial gerecht". Dafür erntete sie
nicht nur Beifall, sondern auch herbe Kritik.
Als "Studiengebühren in Mogelpackung" wurde ihr Vorstoß gescholten. Die unlängst von der schwarz-gelben Landesregierung eingeführten allgemeinen Studiengebühren von rund 500 Euro pro
Semester, scheinen auch der Fraktionschefin die Augen geöffnet zu haben. "Von einem Jahrgang nehmen vergleichsweise wenig Studienberechtigte ein Hochschulstudium auf", erklärt Kraft. Momentan
fließt noch eine Summe von 230 Millionen, Einnahmen aus Studienbeiträgen, in die Bildungsstätten. "Wir wollen den Hochschulen keine Gelder wegnehmen", beteuert Kraft. Ein klares
Finanzierungskonzept bestehe bisher allerdings noch nicht, räumt sie ein. Klar ist aber, dass die dann entstehende Finanzierungslücke schrittweise geschlossen werden muss.
Wahlkampf eröffnet
Ein zentrales Wahlversprechen des amtierenden Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers sei es gewesen, dem Bildungsbereich einen neuen "Qualitätsschub zu verpassen" - der sei ausgeblieben. Rüttgers
propagiere "eigenverantwortliches Arbeiten", dies sei eine euphemistische Bezeichnung für Unterrichtsausfall, rügt sie. Auch die soziale Selektion des Schulsystems sei messbar.
Im dreigliedrigen System, verstärkt durch das Abitur nach der zwölften Klasse, kämen neun schulische Absteiger auf nur einen Aufsteiger. Die Durchlässigkeit zwischen den Schulformen Haupt-,
Realschule und Gymnasium sei mehr als gering. "Ein Schulsystem mit einer derart starken Selektion kann auf Dauer nicht bestehen bleiben", erklärt Kraft. Länger gemeinsam lernen - so lautet ihr
Credo. In Schleswig Holstein sei die Gemeinschaftsschule bereits heute sehr erfolgreich. Sie wirke der sozialen Selektion entgegen.
Die Oppositionsführerin scheltet nicht nur ihren Intimfeind Rüttgers, sondern bezeichnet Merkel auch als eine "Schönwetterpolitikerin". Der CDU fehle ein "Hamburger Programm". Das Profil
der Christdemokraten schwanke von neoliberal bis "rotlackiert". Merkel solle nicht nur Kompromisse schließen, sondern müsse auch Differenzen aushalten können. Auch die Juso-Bundesvorsitzende
Franziska Drohsel verweist auf die Probleme der Kanzlerin in ihrer eigenen Partei und fordert: "Tun wir der CDU doch den Gefallen und wählen Merkel ab."
Für das Wahlprogamm der SPD im Bund hat Kraft nicht nur die Zukunftschancen junger Menschen, sondern auch die der Älteren im Blick. Sie fordert flexible Übergänge bei der Rente mit 67.
"Alte Menschen sind wichtig für den Zusammenhalt in der Gesellschaft", betont Kraft und warnt gleichzeitig vor Altersarmut. Besonders Frauen seinen gefährdet. Das vergangene Jahr in Kraft
getretene Unterhaltsrecht sieht vor, dass die Mutter des Kindes nur noch drei Jahre - und nicht wie bisher acht Jahre - keiner Erwerbstätigkeit nachgehen muss, sondern stattdessen Unterhalt
bezieht. "Frauen dürfen sich nicht in 400-Euro Jobs drängen lassen", unterstreicht die SPD Chefin. Das Teilzeitarbeitsmodell wirkt sich negativ auf die Rente aus.
Zielgruppe erreichen
Auch das heiße Eisen Bahnprivatisierung packt die nordrheinwestfälische Oppositionsführerin an. Sie könne sich nicht vorstellen, dass sich jemand dass Ziel "Bahnprivatisierung" ins Programm
schreiben werde. Ähnliches fordert auch die Bundesvorsitzende der Jusos: "Es ist nach wie vor falsch, die Bahn in die Hand öffentlicher Investoren zu geben" und sie fügt hinzu, "keine
Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge." Die beiden SPD Frauen sind sich ebenfalls in der Frage der Vermögenssteuer einig, diese müsse wieder eingeführt werden.
Juso Chefin Drohselist im Hinblick auf die anstehenden Wahlen optimistisch: "Die Ausgangslage war schon einmal besser, aber wir können es schaffen." Ihr Ziel sei es, die Wahlbeteiligung von
jungen Wählern zu erhöhen und den Online-Wahlkampf attraktiv zu gestalten. Der Wahlkampf im Netz sei eine gute Ergänzung, nur dürfe man nicht alleine auf ihn setzen, warnt Sebastian Kolkau vom
Juso Landesvorstand NRW. Inhaltlich will der nordrhein-westfälische Nachwuchs in den kommenden Wahlkämpfen mit sozialer Gerechtigkeit punkten.