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Katarina Barley: Mit Willy Brandt an ihrer Seite

Aufgeschlossen, zugewandt, ­verbindlich meistert die SPD-Generalsekretärin Katarina Barley einen der härtesten Jobs der SPD
von ohne Autor · 21. Juni 2016
Katarina Barley
Katarina Barley

Als Schulleiter Rainer Pawliczek die Gäste aus der Politik in der Hertener Willy-Brandt-Schule begrüßt, steht jeder Einzelne auf und macht mit ernstem Gesicht die Andeutung einer Verbeugung in Richtung des jungen Publikums. SPD-Generalsekretärin Katarina Barley aber dreht sich schlicht zu den rund 70 Schülerinnen und Schülern und winkt ihnen spontan und strahlend zu. Typisch Barley.

Barley: Mit Temperament im neuen Job

Es ist diese offene Art auf Leute zuzugehen, die Barley den Einstieg in den harten Job als SPD-Generalsekretärin erleichtert. Egal, ob sie sich mit Schülerinnen und Schülern unterhält, ein Bürgerbüro einweiht, in Brüssel mit den Mitgliedern der SPD-Gruppe im ­Europäischen Parlament diskutiert oder Journalisten in Berlin trifft. Barley ist souverän, aufgeschlossen und an ihrem Gegenüber interessiert. „Mein rheinländisches Temperament eben“, sagt sie.

An diesem Maitag ist die 47-Jährige in Nordrhein-Westfalen unterwegs. Nach einem frühen Redaktionsbesuch in Düsseldorf, lässt sie sich in Bottrop erklären, wie dort von der Innovation City GmbH energetischer Stadtumbau betrieben wird. Zeitig aufstehen ist nicht ihre Leidenschaft, aber was muss, das muss, dann ist auch frühmorgens die gute Laune dabei.

Nach einer kurzen Mittagspause geht es weiter nach Herten. In der Willy-Brandt-Schule soll Barley eine Statue des SPD-Ehrenvorsitzenden feierlich überreichen. Es ist eine Anlehnung an die berühmte Skulptur von Rainer Fetting in der Berliner Parteizentrale.

„Ihr könnt mich alles fragen“

Das Geschnatter der Mittelstufenschüler im Foyer der Schule verstummt schnell, als Barley im eleganten dunkelblauen Hosenanzug die Bühne betritt, nachdem der Schulleiter ein wenig umständlich erklärt hat, wie es zu dieser Feierstunde kam. Barley macht es einfacher: „Ihr könnt jetzt wirklich alles fragen, was ihr wollt“, sagt sie freundlich – „und nicht nur die vorbereiteten Fragen stellen, die auf euren Zetteln stehen“.

So mutig sind dann doch die wenigsten Schülerinnen und Schüler, aber die SPD-Generalsekretärin nimmt ihnen ein Stück weit ihre Hemmungen, so wie sie den Jungen und Mädchen Willy Brandt nahebringt, um schließlich die Statue „jetzt mal einfach so“ zu übergeben: Sie erzählt, dass Brandt auch ein Flüchtling war und stellt den Bezug zur aktuellen Flüchtlingszuwanderung her. Dass Willy Brandts Haltung und Überzeugung Vorbild für uns heute sein sollten. Und sie verhehlt auch nicht, dass sie eine solche Übergabe das erste Mal mache, „ich bin ja erst seit ein paar Monaten im Amt“.

Geschickt leitet sie zu ihren Aufgaben als SPD-Generalsekretärin über: Willy Brandt stehe als 3,40 Meter hohe und 500 Kilo schwere Bronze-Skulptur von Rainer Fetting im Willy-Brand-Haus, der Parteizentrale, die sie leitet. Montags müsse sie dort in einer Pressekonferenz „manchmal unangenehme Fragen“ von Journalisten beantworten. Dann stehe sie links neben dieser imposanten Skulptur: Willy Brandt habe den rechten Arm leicht ausgestreckt. „Das empfinde ich dann irgendwie beschützend, aber auch mahnend, so nach dem Motto: Kind mach’ das auch richtig“, sagt ­Barley mit einem leichten Schmunzeln.

„Eine zum Anpacken“

Die SPD-Generalsekretärin hat die Schülerinnen und Schüler offensichtlich beeindruckt. Zwei der Teenager aus der Willy-Brandt-Schule machen sich später tatsächlich noch die Mühe und kommen bei der Einweihung des ­neuen SPD-Bürgerbüros in der Innenstadt vorbei. Sie sind keine SPD-Mitglieder, aber sie finden die hochgewachsene Sozialdemokratin „cool“. Und als Barley ihr Gespräch mit den örtlichen Genossinnen und Genossen spontan unterbricht, um noch ein paar Fotos mit den Mädchen zu machen, freuen sich nicht nur die beiden. Auch die örtliche SPD ist rundum zufrieden. „Die Katarina ist eine zum Anpacken“, findet eine engagierte, ältere Genossin.

Nicht nur in den Parteigliederungen vor Ort kommt die neue Frau an der Spitze des Willy-Brandt-Hauses gut an. Auch auf dem harten Berliner Parkett gewinnt die 47-jährige Juristin Sympathie. „Die könnte irgendwann auch Kanzler“, stellt ungefragt einer der Journalisten fest, die sonst nicht gerade dafür bekannt sind, über politisches Personal in Begeisterung auszubrechen.

Die Wertschätzung der Journalisten hat auch damit zu tun, dass Barley sich souverän und authentisch der Hauptstadtpresse nähert. Am Anfang habe sie gedacht, dass sie nun auf jedes Wort achten müsse, „aber das entspricht mir nicht und so stark wollte ich mich auch nicht verändern“, sagt sie. Musste sie auch nicht: „Der Umgang ist fairer, als ich gedacht habe.“ Selbstbewusst und immer präsent bewegt sich Barley („wie Harley“) auch in Brüssel, ob beim dortigen SPD-Ortsverein, den SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament oder bei dem SPE-Vorsitzenden Sergei Stanishev. Dass die Tochter eines Briten und einer Deutschen fließend Englisch spricht, hilft ihr dabei, ist aber nicht spielentscheidend.

Europäerin durch und durch

Sie versteht sich als „durch und durch Europäerin“ und weiß auch die Genossinnen und Genossen in Brüssel mitzunehmen. „Ich bin immer offen für eure Belange“, versichert sie den SPD-Abgeordneten der S&D-Fraktion und verspricht, dass in allen Arbeitsgruppen zum Wahlprogramm 2017 „auch europäischer Sachverstand drin ist“.

Die Juristin kann sauber unterscheiden zwischen Beschlusslagen und persönlicher Bewertung. „Meine juristische Ausbildung und Laufbahn helfen sehr, Dinge von allen Seiten zu betrachten, abzuwägen und erst dann zu entscheiden“, sagt sie. So ausgestattet redet sie freundlich-verbindlich Klartext und verschwurbelt nicht, wenn sie auf Probleme angesprochen wird. Etwa als es beim Brüsseler Ortsverein um das SPD-Solidarprojekt geht. Das sei „nicht optimal gestartet“, aber „es ist alles andere als ein Wahlkampf-Gag“, vielmehr „ein Beleg für die Kontinuität unserer Politik“.

Überhaupt,– und das fordert sie nicht nur bei den Brüsseler Genossinnen und Genossen ein – muss die Partei wieder mit mehr Stolz und „positiver Emotion“ auftreten. „Wir müssen zu unseren Werten stehen. Als älteste Partei Deutschlands haben wir immer für Menschenrechte, Freiheit und Solidarität gekämpft“, betont sie nachdrücklich. „DAS sind wir!“

Auf dem Boden geblieben

Barley macht diesen Knochenjob als Generalsekretärin gern. Es mache „auf jeden Fall Spaß, mit der Partei und der Basis zu arbeiten, im Willy-Brandt-Haus in Berlin und auch vor Ort bei den Parteimitgliedern. Jetzt müssen nur noch die Umfragewerte wieder hochgehen – da bin ich aber optimistisch, dass uns das auch noch gelingt.“

Dass sie sehr lange auf Kreisebene gearbeitet hat und seit Jahren Vorsitzende des SPD-Kreisverbandes Trier-Saarburg ist, kommt ihr da zugute. „Ich habe lange ein ganz normales Leben gelebt, das bietet eine solide Basis, und diese Erdung ist für mich auch ganz wichtig.“ Barley hat viel Kraft und Energie mitgebracht für einen der härtesten Jobs in der deutschen Sozialdemokratie.

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