Parteileben

Im Ortsverein Heusenstamm ist die SPD auf der Erfolgsspur

Ein Stück SPD-Geschichte: Der Ortsverein Heusenstamm im südlichen Hessen wurde vor 150 Jahren gegründet. In jüngster Zeit hat die SPD dort beeindruckende Wahlsiege gefeiert. Alles begann mit dem überraschenden Sieg von Halil Öztas bei der Bürgermeisterwahl.
von Kai Doering · 8. November 2017
Erster türkischstämmiger Bürgermeister in Hessen: Halil Öztas (SPD)
Erster türkischstämmiger Bürgermeister in Hessen: Halil Öztas (SPD)

Manchmal muss man Feste feiern wie sie fallen – und manchmal, wie sie besser in den Terminkalender passen. Wäre die SPD in Heusenstamm ihrer Tradition gefolgt, hätte sie bereits im vergangenen Jahr ihr 150-jähriges Bestehen gefeiert. „Aber 2016 sind uns unsere Wahlerfolge dazwischengekommen“, sagt ihr Vorsitzender Florian Hain. Und so steht er am 1. September 2017 auf einer Bühne in der Maingau-Halle, um auf die Geschichte seines Ortsvereines zurückzublicken.

Öztas setzte sich durch

Wo sonst die Handballer des TSV Heusenstamm auf Torejagd gehen oder die Judokämpfer ihre Gegner auf die Matte werfen, sitzen an diesem ­lauen Sommerabend rund 200 Gäste und hören zu, wie Florian Hain die jüngsten Erfolge der Sozialdemokraten im 18.000-Einwohner-Ort rund 15 Kilometer südöstlich von Frankfurt am Main Revue passieren lässt.

Los ging es im Herbst 2015 als sich der 38-jährige Rechtsanwalt Halil Öztas bei der Bürgermeisterwahl zur großen Überraschung aller gegen den Kandidaten der CDU durchsetzte. Die SPD stellte damit in Heusenstamm nicht nur erstmals seit 1948 wieder das Stadtoberhaupt. Der in Frankfurt als Sohn türkischer Eltern geborene Öztas ist auch der erste türkischstämmige Bürgermeister Hessens.

Ein besonderes Klima für die SPD

Der nächste Coup folgte im März 2016. Bei der Kommunalwahl legte die SPD um 13 Prozentpunkte zu. Von einem „Erdrutsch“ sprach die örtliche Presse. Zwar lag die CDU im konservativ geprägten Heusenstamm am Ende knapp mit einem Mandat vor der SPD, doch konnten die Sozialdemokraten ein Bündnis mit Grünen und Freien Wählern bilden. „Seitdem stehen wir politisch wieder in der ersten Reihe“, sagt der Vorsitzende Florian Hain.

In der ersten Reihe in der Maingau-Halle sitzen die Nachfahren von Johann ­Ohlig. „Drei Jahre nach Gründung des All­gemeinen Deutschen Arbeitervereines (ADAV) in Leipzig durch Ferdinand ­Lassalle und drei Jahre vor Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) in Eisenach durch August ­Bebel und Wilhelm Liebknecht, rief J­ohann Ohlig 1866 in Heusenstamm den Arbeiterwahlverein ins Leben“, heißt es in der Chronik, die die Heusenstammer SPD zum Jubiläum herausgebracht hat. 1875 war Ohlig auch einer der 120 ­Delegierten, die auf dem Vereinigungsparteitag in Gotha die SPD schufen.

Kein Geschichtsverein

„Ein Jubiläum dieser Größenordnung ist eine Seltenheit“, hebt Thorsten Schäfer-Gümbel hervor. Der Chef der hessischen SPD und stellvertretende Bundesvorsitzende ist der Hauptredner bei der Jubiläumsfeier. „Offenbar herrscht in Heusenstamm ein besonderes Klima für die SPD“, meint er. Die deutsche Sozialdemokratie sei allerdings „kein Geschichtsverein“. Sie habe eine „Verpflichtung, aus dem, was sie bereits erreicht hat, die Zukunft zu gestalten“. Denn „wenn wir wollen, dass alles so bleibt wie es ist, wird sich vieles verändern müssen“.

Die sichtbarste Veränderung in Heusenstamm tritt in der Maingau-Halle als Letzter ans Mikrofon. Halil Öztas, der neue Bürgermeister, nutzt das Ortsvereinsjubiläum, um sich bei den Menschen zu bedanken, die halfen, als ein ehemaliges Hotel in Heusenstamm zur Unterkunft für minderjährige unbegleitete Flüchltinge wurde. Und er wirbt für den Neubau eines Jugendzentrums, der in der konservativ geprägten Stadt umstritten ist. „Wer Vorbehalte hat, soll mich ansprechen“, sagt Öztas und bittet die Zuhörer: „Begleiten Sie mich kritisch bei meiner Arbeit.“

120 Prozent Leistung

Bürgermeister zu sein, sei „das schönste Amt, das man in Heusenstamm haben kann“, erzählt Halil Öztas nach der Feier. Dabei hatte er eigentlich gar nicht vor, zu kandidieren. Der OV-Vorstand überzeugte ihn schließlich, in den Wahlkampf zu ziehen. Am Ende verteilten wildfremde Menschen ­ohne SPD-Bezug Öztas‘ Flyer. „Mit einem türkischen Namen muss man 120 Prozent Leistung bringen, um 100 Prozent Anerkennung zu bekommen“, sagt er.

Ähnliches muss vor 150 Jahren für ­Johann Ohlig und seine Mitstreiter gegolten haben, als sie die SPD in Heusenstamm aus der Taufe hoben. Für Öztas ist klar: „Sie müssen mutige und visionäre Menschen gewesen sein.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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