Parteileben

Im Heidekreis lebt die SPD die Erneuerung

Die Erneuerung der SPD ist kein Elitenprojekt: Im niedersächsischen Heidekreis, der Heimat von Generalsekretär Lars Klingbeil, zeigt die Partei, wie sie mit neuen Ideen erfolgreich ist.
von Fabian Schweyher · 28. Juni 2018
Lars Klingbeil
Lars Klingbeil

Lars Klingbeil nimmt das Mikrofon in die Hand. Neben ihm steht ein roter SPD-Sonnenschirm, etwas weiter entfernt brutzeln Bratwürste. Es sei für ihn etwas ganz Besonderes in Bispingen zu sein, beginnt der SPD-­Generalsekretär seine Rede vor rund 60 Gästen – und das nicht nur, weil die Bürgermeisterwahl ansteht. „Dieses Gebäude ist einer der Gründe, warum ich angefangen habe, Politik zu machen“, sagt er und zeigt auf den flachen Ziegelsteinbau, in dem sich früher eine Disco befand. Als Schülersprecher habe er damals einen „Discobus“ durchgesetzt, nachdem es auf den Heimfahrten schwere Autounfälle gegeben hatte.

Erneuerung betrifft alle

Der Termin in Bispingen mit seinen 6.400 Bewohnern ist ein Heimspiel für Klingbeil. Zwei Tage ist der Bundestagsabgeordnete im Heidekreis unterwegs, einem Landstrich zwischen Hannover und Hamburg, in dem er verwurzelt ist. In Soltau wurde er geboren, im benachbarten Munster ist er zu Hause. In der Region liegt sein Bundestagswahlkreis. Die Tatsache, dass der 40-Jährige eine Mammutaufgabe zu bewältigen hat, scheint an diesem Maiabend, an diesem Ort keine Rolle zu spielen. Schließlich soll der SPD-Generalsekretär nichts weniger als die deutsche Sozialdemokratie reformieren, die in einer Krise steckt und sich einen Erneuerungsprozess verordnet hat.

Die Reform ist für ihn kein Elitenprojekt, sie muss sich seiner Ansicht nach auch in Orten wie Bispingen vollziehen. „Ich werbe sehr dafür, dass sich auch die kommunale Ebene erneuert“, unterstreicht er, der sich mit einer Bratwurst in der Hand nun unter die Gäste gemischt hat. Jedes SPD-Mitglied müsse sich stets fragen, wie die Partei mehr Menschen erreichen könne. „Im Unterbezirk haben wir vor Jahren angefangen, uns mit dieser Frage zu beschäftigen.“ Das Ziel sei gewesen, die SPD zur stärksten Partei zu machen. Das war erfolgreich. Sowohl Bundestags- als auch Landtagswahlkreis gingen an die SPD. Ein weiteres Ergebnis: Die Partei sei gesellschaftlich besser verankert, habe Mitglieder gewonnen und die Ortsvereine seien stärker geworden, so Klingbeil.

Verschiedene Sichtweisen

Für diese Entwicklung im SPD-Unterbezirk Heidekreis gibt es Gründe. Dazu zählt die Abschaffung des Delegiertenprinzips auf den Parteitagen. Das heißt: Alle SPD-Mitglieder können teilnehmen und mitentscheiden. Zwar habe es Bedenken gegeben, sagt Klingbeil, doch inzwischen würden sich mehr Menschen beteiligen als zuvor. „Das hat sich als sehr positiv erwiesen“, sagt er, der auch Vorsitzender des Unterbezirks ist. Der Vorstand selbst ist paritätisch besetzt. Von den 13 Mitgliedern sind sieben Frauen. Hier sind auch unterschiedliche Berufs-, Bevölkerungs- und Altersgruppen vertreten. „Wir wollen ein breites Spektrum abbilden“, schildert Vorstandsmitglied Cornelia ­Baden.

Ausdrücklich gewünscht sind die verschiedenen Sichtweisen, die damit einhergehen. „Wir brauchen Meinungen, für die wir selbst keinen Blick haben“, sagt die 50-Jährige. Eine wichtige Rolle komme den OV-Vorsitzenden zu, deren Aufgabe es sei, mit den Mitgliedern im Gespräch zu bleiben. Deren Belange könnten sie wiederum im Unterbezirksvorstand einbringen, an deren Sitzungen sie teilnehmen dürfen. Engagiere sich ein OV-Chef allerdings nicht, kann dies laut Cornelia Baden mitunter „deutliche Diskussionen“ an der Ortsvereinsbasis auslösen, bei denen auch Ämter in Frage gestellt würden.

Das „Junge Team“ sorgt für Stimmung

Auf dem SPD-Grillfest in Bispingen ist derweil die Hintergrundmusik verstummt. Alle Augen sind auf eine junge Frau in einem weißen Kleid gerichtet. Sie trägt einen selbst geschriebenen poetischen Text vor und bindet die Zuhörer geschickt ein. Immer wenn sie ihren Arm hebt, sollen sie einen vorher festgelegten Satz rufen. Es funktioniert, viele machen mit.

Im Publikum befindet sich auch Jan-Ole Witthöft. Der 22-Jährige, der im Gemeinderat von Bispingen sitzt, ist nicht nur wegen seines Alters Teil der Erneuerung der SPD. Während des Bundestagswahlkampfs gehörte er auch zum „Jungen Team“ – einer eingeschworenen Gruppe, die sich für Lars Klingbeil engagierte. Rund 50 junge Erwachsene – Jusos, Parteilose und ehemalige Praktikanten – waren gezielt von Klingbeils Mitarbeitern oder ihm selbst angesprochen worden.

Auf Klingbeil ausgerichtet

„Am Anfang war ich skeptisch“, räumt der Bundeswehr­soldat ein, der in Hamburg Politik studiert. Doch die Aktionen der Gruppe hätten großen Spaß gemacht. Im Bundestagswahlkampf standen sie mit Plakaten an Straßenkreuzungen, schwenkten Fahnen auf Türmen, machten Hausbesuche. Bei Veranstaltungen von Lars Klingbeil sorgten sie für Stimmung. Der Wahlkampf sei stark auf den Politiker ausgerichtet gewesen, weniger auf die Partei. „Wir haben alle darauf gebrannt, für Lars und die SPD den Wahlkampf durchzuziehen“, sagt Witthöft.
 
Klingbeil berichtet, dass er damals oft auf die Aktionen des „Jungen Teams“ angesprochen worden sei. Innerhalb der Gruppe habe sich eine sehr gute Stimmung entwickelt, die sich auf alle übertragen habe. „Es gibt junge Menschen, die Lust haben, im Wahlkampf mitzumischen, aber die Arbeit im Ortsverein ist nicht so ihres“, hat er festgestellt. Außerdem seien manche aus der Gruppe nun auch weiterhin in der Partei aktiv.

Über Messengerdienst immer erreichbar

Vergleichsweise unspektakulär wirkt dagegen ein anderes Instrument, das Klingbeil seit acht Jahren einsetzt: Hausbesuche. In jedem Sommer geht er von Tür zu Tür und hat damit positive Erfahrungen gemacht. „Es gibt sehr viele gute Gespräche“, sagt er. Im Wahlkampf wurde jedes Mal zudem zu einem Grillfest eingeladen. Die Resonanz war „enorm“. Sein Fazit: „Ich kann jedem nur raten, dieses Mittel intensiver zu nutzen.“

In Bispingen dringt längst wieder Musik aus den Lautsprechern, als Lars Klingbeil nach zwei Stunden in sein Auto steigt. Zuvor hatte er schon eine Schule besucht sowie an einer Diskus­sion zu einer Stromtrasse teilgenommen. Jetzt steht noch ein regionales Wirtschaftsforum an. Erreichbar ist er für die Bürgerinnen und Bürger trotzdem. Als Kommunikationskanal nutzt er den Messengerdienst Whatsapp. „Die Bereitschaft in Kontakt zu treten, ist über Whatsapp viel höher als über E-Mail, die Bürgersprechstunde oder ein Grillfest.“ Die Nachrichten an ihn beantwortet er per Whatsapp-Sprechstunde, aber auch sonst nutzen die Bürgerinnen und Bürger den direkten Kanal. „Auf diesem Weg schreiben mir viele“, sagt er.

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