Im Biergarten mit Olaf Scholz und Franziska Giffey
Nach einer knappen Stunde wird Olaf Scholz emotional. Bis dahin hat er routiniert Fragen zum Tierschutz, innerer Sicherheit und der Bürgerversicherung beantwortet. Jetzt geht es um Frauen in Führungspositionen. „Als ich in die SPD eingetreten bin, dachte ich, in 20 Jahren sind wir durch mit der Gleichstellung. Das war ein Trugschluss“, erinnert sich der Kanzlerkandidat der SPD, der seit 1975 in der Partei ist.
Dann folgt der emotionale Ausbruch. Zwar habe der Bundestag im Juni endlich das „zweite Führungspositionen-Gesetz“ beschlossen, das eine Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen garantiert, doch die CDU hätte auf dem Weg dahin lange erbittert Widerstand geleistet. „Das zeigt, was für Leute das sind und dass sie dringend mal in die Opposition müssen“, ereifert sich Scholz.
Scholz und Giffey spielen sich die Bälle zu
Vor ihm sitzen rund hundert interessierte Zuhörer*innen auf Klappstühlen an Holztischen. Viele haben ein Bier vor sich stehen. Es ist einer der letzten lauen Sommerabende in Berlin. Im Biergarten „Zenner“ in Berlin-Treptow einen Steinwurf von der Spree entfernt lassen viele die Woche ausklingen. Auf einem Weg zwischen Biergarten und Fluss laufen Jogger vorbei, mache gehen mit ihrem Hund spazieren. Sobald sie Scholz erkennen, bleiben viele stehen, zücken ihre Handys. „Das ist ja der Scholz höchstpersönlich“, sagt ein Mann während er ein Foto macht.
Doch Olaf Scholz ist nicht allein gekommen. Neben ihm steht Franziska Giffey. Auch sie hat am 26. September eine Wahl zu bestehen, möchte die erste Regierende Bürgermeisterin von Berlin werden. Die beiden spielen sich die Bälle zu: Hat einer eine Frage aus dem Publikum beantwortet, ergänzt der andere häufig von der anderen Ebene – Scholz aus Bundes-, Giffey aus Berliner Sicht. „Es ist klar, dass der neue Berliner Senat paritätisch besetzt sein wird und muss“, sagt Giffey etwa bei der Gleichstellungsfrage.
Scholz: Es wird keinen weiteren Lockdown geben
Ähnlich läuft es bei einer Frage nach dem Wert von Kunst und Kultur (Scholz: „Kultur gehört ins Grundgesetz.“ Giffey: „Berlin als kulturellen Anziehungspunkt wieder stark zu machen, ist eine der wichtigsten Aufgaben für die kommende Legislatur.“) Bildung oder Löhnen. Irgendwann, es ist schon dunkel geworden, fährt ein großes Ausflugsschiff vorbei. Die Menschen an Deck erkennen Scholz und Giffey, rufen und winken. Die Kandidaten lächeln und winken zurück. Es herrscht eine entspannte Stimmung, die auch einige Störer*innen nicht trüben können, die sich über ein Megafon lautstark zu Wort melden.
Olaf Scholz könnte sie ignorieren oder unfreundlich werden, doch er beantwortet einfach die Frage, die der Mann per Megafon stellt: „Wann werden Sie den Corona-Notstand beenden?“ Niemand könne vorhersagen, wie sich die Corona-Situation entwickeln werde, erklärt Scholz. Doch es sei klar, dass es keinen weiteren Lockdown geben werde und dass Impfungen der beste Schutz und die größte Garantie für ein normales Leben seien. „Betrachtet uns Geimpfte als eure Versuchskaninchen und lasst euch impfen“, appelliert Scholz.
Nur einmal kommen er und Franziska Giffey kurz aus dem Konzept – als Moderatorin Ana-Maria Transnea von den beiden wissen möchte, welches ihre Lieblingseissorte ist. Olaf Scholz zögert kurz und antwortet dann: „Schokolade“. Franziska Giffey will sich dagegen nicht auf eine Sorte festlegen. „Ich mag am liebsten die Mischung aus Schoko und Vanille“, sagt sie schließlich.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.