Parteileben

Für die reale Gleichberechtigung

von Birgit Güll · 8. März 2011
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Die Mehrheit der Abiturienten in Deutschland ist weiblich, die Mehrheit der Studienanfänger ebenfalls. Doch im Berufsleben stoßen Frauen an die "gläserne Decke", sagt Doris Schröder-Köpf. Sie sitzt seit Anfang des Jahres im Aufsichtsrat der Warenhauskette Karstadt. In dieser Position gehört sie zu einer Minderheit. Damit das nicht so bleibt, setzt die Journalistin auf die Frauenquote. Der Aufsichtsrat bestimme die Personalpolitik eines Konzerns. Diese Ebene sei wichtig für den Aufstieg von Frauen, sagt Schröder-Köpf: "Der Druck von unten braucht eine Entsprechung oben."

Nicht Fest-, sondern Kampftag

Inge Wettig-Danielmeier habe maßgeblichen Anteil an der Durchsetzung der 40-Prozent-Frauenquote in der SPD, so Schröder-Köpf. Die Frau des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) betonte, Inge Wettig-Danielmeier setze sich seit 50 Jahren für die Gleichberechtigung ein und habe "eine tiefe Spur in der Geschichte der Sozialdemokratie hinterlassen." Sie hoffe darauf, dass Katharina Oerder nicht ebenso lange kämpfen müsse, bis die Gleichstellung erreicht sei.

Die 27-jährige SPD-Politikerin ist sich da nicht so sicher. In den letzten 100 Jahren sei man nur "in Trippelschritten vorangekommen". Die gefühlte Gleichstellung der Geschlechter sei in Deutschland höher als die reale. Zu sehr hätten sich die Frauen daran gewöhnt, dass die Gestaltungsmacht bei den Männern liege, so Oerder. "Wir haben manches erreicht, in der Grundstruktur aber zu wenig", sagt Inge Wettig-Danielmeier. Es gehe nicht darum, Frauen in die Männerwelt zu integrieren. Vielmehr gelte es, gemeinsam eine Gesellschaft zu bauen, "an der Männer und Frauen gleichberechtigt teilhaben".

"Der Frauentag ist kein Fest-, sondern vor allen Dingen ein Kampftag", unterstreicht Inge Wettig-Danielmeier. Sie erinnert daran, dass ein Drittel aller Frauen die voll erwerbstätigen seien, zu den Geringverdienern gehören. Katharina Oerder wies auf die durchschnittlich 23 Prozent geringeren Löhne von Frauen im Vergleich zu Männern hin. Außerdem arbeiteten besonders viele Frauen im Niedriglohnsektor. Ihnen würde weniger die Quote in Aufsichtsräten als der Mindestlohn helfen. Zwar wolle sie die Aufsichtsratsquote lieber heute als morgen, sie sei aber "nicht die zentrale Kampfstelle", so Oerder.

Feminismus und Sozialdemokratie

Außerdem fordert die Jungpolitikerin "die Hälfte der Reproduktionsarbeit für Männer". Es könne nicht sein, dass Frauen stets für Kinder und Haushalt zuständig seien. Das sieht Inge Wettig-Danielmeier auch so. Es reicht nicht aus, Frauen in der Arbeitswelt Chancen zu eröffnen. Zu Hause müssten die Frauen loslassen und die Männer zufassen.

Eines wird an diesem Abend im Willy-Brandt-Haus klar: In Sachen Gleichstellung bleibt viel zu tun. Immerhin sei Feminismus in den letzten Jahren wieder en vogue, so Oerder. Sie bedauert, dass die Bewegung derzeit eher entkoppelt von der SPD sei: "Feminismus sollte in der Sozialdemokratie nicht nur einen Anfang und eine Heimat, sondern auch eine Zukunft haben."

Die Rede von Doris Schröder-Köpf im Wortlaut.

Inge Wettig-Danielmeier/Katharina Oerder: "Feminismus - und morgen? Gleichstellung jetzt", vorwärts buch, Berlin, 2011, 120 Seiten, 10 Euro, ISBN 978-3-86602-926-2

Autor*in
Birgit Güll

ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.

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