Der SPD-Spitzenkandidat für die gleichzeitig mit der Bundestagswahl in Schleswig-Holstein stattfindenden Landtagswahlen kann eine Riege von absoluten Hochkarätern aus der Bundespolitik begrüßen. Gekommen sind nicht nur vom Steinmeier-Wahlkampfteam Manuela Schwesig, Carola Reimann und die stellvertretende Parteivorsitzende Andrea Nahles, die als Zuständige für Bildung und Integration die Veranstaltung vorbereitet hat. In der ersten Reihe sitzen daneben noch eine ganze Reihe von ausgewiesenen Bildungspolitikern und Experten aus anderen Bundesländern und Kommunen.
Für eine neue Bildungsoffensive
Gekommen ist aber vor allem auch der Kanzlerkandidat selbst. Frank-Walter Steinmeier macht in seiner Rede deutlich, welch zentralen Stellewert Bildung und Integration in seinem "Deutschland-Plan" haben. Er fordert eine neue Bildungsoffensive, "Bildung ist die Schicksalsfrage", aber man dürfe nicht nur folgenlos über Bildung reden, wie das die Kanzlerin der "kleinen Schritte" Angela Merkel so gern auf Bildungsgipfeln tue. Das ist ihm zu wenig. "Wir meinen das ernst, wir machen das ernst, ich jedenfalls trete dafür an.", sagt Steinmeier, und erinnert an die Bildungsoffensive der 60er und 70er Jahre.. "Viele, die hier sind, haben davon profitiert wie ich auch", beschwört er den "Aufstieg durch Bildung", der wesentlich durch sozialdemokratische Bildungspolitik möglich gewesen sei.
Die Hochschullandschaft, wie wir sie heute vorfinden, wäre nicht entstanden ohne die Bildungsoffensive und sozialdemokratische Politiker wie etwa Johannes Rau, der als Bildungsminister in NRW
massiv den Neubau von Hochschulen in seinem Land vorangetrieben habe. Diesen Aufbruchsgeist will er wieder wecken.
Der Weg nach oben sei heute für viele noch schwerer als vielleicht vor dreißig Jahren, vor allem für Kinder von Alleinerziehenden und Migranten. "Aber es ist doch kein Naturgesetz, dass die
Chancen von Kindern in Deutschland ungleich verteilt sind - je nachdem, in welchem Stadtteil sie aufwachsen." Eine Voraussetzung, das zu ändern, sei Gebührenfreiheit von der KITA bis zur
Universität.
Das Kooperationsverbot muss weg
Notwendig sei eine gemeinsame Anstrengung aller staatlichen Ebenen über Ländergrenzen hinweg, betont der Kandidat. Dazu hat die Bildungsdiskussion in der Sozialdemokratie und in der von Andrea
Nahles geleiteten Arbeitsgruppe ein wichtiges Ergebnis geliefert: Mit der Föderalismusreform von 2006 wurden im Grundgesetz mit Zustimmung der SPD die Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes auf die
Bildungspolitik der Länder durch das so genannte Kooperationsverbot noch weiter eingeschränkt. Heute bringt es Steinmeier auf den Punkt: "Das Kooperationsverbot von Bund und Ländern ist ein
Irrweg".
Die Sozialdemokraten seien die Bildungspartei, sie haben immer für sozialen Aufstieg gestanden. Die Konservativen setzten dagegen auf frühes Aussortieren. "Das gießt die Spaltung der
Gesellschaft, die heute schon vorhanden ist, in Beton." Das könne sich die Gesellschaft nicht leisten, "wir brauchen jedes Talent". Deshalb müsse jeder eine zweite und - wenn nötig - auch eine
dritte Chance bekommen.
Heute sei in Teilen der Gesellschaft nicht der Aufstieg, sondern der soziale Einstieg das größere Problem. Jährlich verlassen rund 80 000 Jugendliche ohne ordentlichen Abschluss die Schule,
"Sozialdemokraten sind es sich schuldig, dass sie damit Schluss machen."
Gute Bildung ist nicht umsonst
Natürlich wisse er: "Gute Bildung ist teuer. Schlechte Bildung übrigens auch." Wenn gefragt werde, woher das Geld kommen soll, dann sei die Antwort "Sicher nicht aus den Steuersenkungen, die andere versprechen." Er hält es bei der Gruppe von 1,5 Prozent Spitzenverdienern unter den Steuerzahlern für zumutbar, einen Bildungs-Soli von 2 Prozent Zuschlag auf den Spitzensteuersatz zu erheben. Die Steuersenkungspläne der Union dagegen kosteten rund 30 Milliarden Euro, die Pläne der FDP würden mit 80 bis 100 Millionen weniger Steuern zu Buche schlagen. Was das bedeute, sei klar: "Kahlschlag im Bildungssektor." Selbstbewusst schließt der Kandidat: "Ich bin sicher, unser Land kann mehr."
Schicksalsfrage Bildung
Auf der Veranstaltung ist eines deutlich geworden: Anders als von den Auguren in den Meinungsforschungsinstituten behauptet und in den Medien ungeprüft weitergereicht, fehlt Franz-Walter
Steinmeier keineswegs ein Thema. Mit Bildung und Integration hat es sogar ein Riesenthema. Genauer gesagt: Unsere Gesellschaft hat dieses Riesenthema. Die SPD hat es aufgegriffen und
Lösungsvorschläge unterbreitet. Die stehen zur Diskussion. Und die Medien.? Diskutieren breit eine angebliche Dienstwagenaffäre.
Es stimmt: "Unser Land kann mehr."
ist Mitarbeiter der vorwärts-Redaktion, Geschäftsführer a. D. des vorwärts-Verlags und ehemaliger Landesgeschäftsführer der SPD Hamburg.