Zwei Kernaussagen sind mir nach dem Dresdner Parteitag besonders haften geblieben: "Mehr Politik wagen" und "Deutungshoheit". Beide sind ein Plädoyer für das deutliche Profil einer eigenen und zeitgemäßen sozialdemokratischen Gestaltungsidee, die sich gleichwohl ihrer Grenzen und realpolitischen Möglichkeiten bewusst bleiben muss. Die Zeiten von Margaret Thatchers TINA-Formel - There is no alternative, es gibt im Zeitalter der Globalisierung keine Alternative zur neoliberalen Kapitulation vor der Politik - sind vorüber.
Politik bedeutet Gestaltung
Aber sie haben ihre Spuren hinterlassen und zu lange die Deutungshoheit monopolisiert. Politik aber bedeutet Gestaltung. Was das für eine linke Volkspartei bedeuten kann, dazu hat Sigmar Gabriel bereits vor zwei Jahren in einem Buch Vorschläge unterbreitet. Hier wünsche ich mir mehr, mehr Debatte und vor allem mehr konkrete zeitgemäße Vordenker-Impulse. Wenn es eine Vordenkertradition in Deutschland gibt, dann liegt sie bei der SPD. Es gibt immer Alternativen, man muss sie analysieren, diskutieren und Lösungswege benennen.
Mehr Selbstbewusstsein
Wieso beispielsweise kann man nicht wie selbstverständlich marktregulierende mit sozialstaatsreformierenden Maßnahmen - wie den Reformen der letzten Schröder-Jahre - verbinden? Wieso kann man nicht klar aussprechen, dass die wachsende Schere zwischen den Einkommen nicht nur ein Gerechtigkeitsproblem darstellt, sondern ein Zerstörungspotenzial sondergleichen für unser gesamtes Wirtschaftssystem?
Die große Krise von 1929 hat das klassisch gezeigt, und wir haben es jetzt erst wieder erlebt. Deshalb habe ich die Forderung nach einer Vermögenssteuer auf dem Dresdner Parteitag sehr begrüßt. Deutungshoheit gewinnt man nur durch klare Worte. Und weniger Bescheidenheit.
Der große Krisenmanager des letzten Jahres nämlich hieß Peer Steinbrück, und der überzeugendste Zukunftsplan für Deutschland stammt von Frank-Walter Steinmeier. Hier wünsche ich mir von der SPD spür- und hörbar mehr Selbstbewusstsein. Auch das gehört zur Deutungshoheit: Die eigenen Leistungen nicht unter Wert zu verkaufen.
Rolf Hosfeld ist Journalist und Autor mehrerer Bücher zu zeithistorischen Fragen. Heute lebt er auf dem Land in Brandenburg. Zuletzt ist von ihm erschienen:
Die Geister, die er rief. Eine neue Karl-Marx-Biografie.
Rolf Hosfeld ist wissenschaftlicher Leiter des Potsdamer Lepsiushauses und freier Autor. 2010 erhielt er den Preis "Das politische Buch" der Friedrich-Ebert-Stiftung. Zuletzt erschien von ihm "Tucholsky. Ein deutsches Leben".