Als ich in einem älteren Beitrag über den vor zwei Jahren verstorbenen Autor folgende Zeile las, musste ich unwillkürlich an Peter Munkelt denken: "Ein pedantischer Arbeiter ist Walter Kempowski, einer der sich akribisch voranarbeitet, ein penibler Rechercheur." Auch hatte mich wohl die Überschrift des Artikels "Der Archivar der Lebensläufe" auf diese Schiene gesetzt. Neben den von Peter geräuschlos bedienten täglichen Ausschnittdiensten gehört die sofortige Wunscherfüllung von Lebenslaufdaten und -fakten von Personen aus Kultur, Wissenschaft und Politik zu seinem Service, der einem eine selbstverständliche Arbeitsstütze geworden ist.
Trotz manch politisch Trennendem zu Kempowski, steht dieser große Autor unbestritten für die mächtige Relevanz des Dokumentarischen, gegenüber dem manches Fiktive klein und blass erscheint. So wirkt der dokumentierende Archivar Peter Munkelt zwar im Hintergrund, wiewohl man immer wieder, auch überraschend, auf publizierte Einleitungen und Danksagungen trifft, in denen er auftaucht. Doch es ist fast wie beim Theater. Ohne die ordnende Hand der Regie aus dem Off würde Chaos herrschen oder bestenfalls flaches Improvisationstheater entstehen.
Entscheidender Gesprächspartner
Sicher fühle nicht nur ich mich als Profiteur seiner stillen Arbeit: Mit seinen geordneten Rechercheergebnissen, mit seinen strukturierten Informationsbündeln ist das gedankliche Feld bereits bestellt, bevor man loslegt. Der Autor muss nur noch die Ernte einfahren. Was manchmal, nach solcher Vorarbeit, wirklich einfach ist und großflächig funktioniert. Die Schreibe geht einem, hat man Peters Zuarbeiten ausgebreitet vor sich liegen, eben flott von der Hand. Es läuft dann, gewissermaßen - um im Bild zu bleiben - wie bei einem großen Mähdrescher in einem Sommer, der trockener als der diesjährige ist.
Peter war für mich in all den Jahren mehr, nämlich ein entscheidender Gesprächspartner über die Berufspflicht und "über den Tag hinaus" (ein Willy Brandt Zitat muss sein!). Über unsere Telefonate "zur Lage der Partei" will ich mit Rücksicht auf den Zustand selbiger und angesichts noch lebender Genossen lieber nichts berichten. Doch unvergessen bleibt die heiße Sommerwoche vor 15 Jahren, als wir mit ein paar anderen der Arbeitsebene halbkonspirativ auf dem Bonner Petersberg saßen und sich der weite Blick hinunter auf das Rheintal zum großen Durchblick transformierte. Wessen Idee war dort oben eigentlich die "Troika" gewesen?
Sie entstand sicher gemeinsam, brauchte aber eine gehörige Portion klassischer Bildung, womit die meisten als Ideengeber ausscheiden. Und sie passte vor allem zu Peters trockenem Pragmatismus. Denn wirkt der Spitzenkandidat als zu schmächtig gegen den großen Dicken, so muss man eben, wie einst auf dem Schulhof, Verstärkung holen. Wir hatten ja noch zwei machthungrige Jüngere im Rudel. Statt sich - wie vorher und nachher - untereinander innerparteilich zu raufen, kam es zum gemeinsamen Aufbruch gegen den alternden Leitwolf des Stillstands. Das hätte sogar fast noch geklappt, nur durch Überhangmandate stand Schwarz-gelb schließlich noch einmal als Wahlsieger da.
Kulturpessimismus muss erlaubt sein
Peter war und bleibt für mich einer der schärfsten Denker des SPD-Parteivorstandes. Wo andere taktisch oder zweckoptimistisch und schönredend kommunizieren oder ganz einfach naiv daherreden, trifft man bei ihm auf den gelebten kritischen Diskurs. Er ist ein Beispiel für Aufrichtigkeit und Glaubwürdigkeit, mit klarem Wertekompass, sowie dafür, dass die böse These vom intellektuellen Verfall der Sozialdemokratie zumindest relativiert werden muss:
Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind gut, aber - um den großen Bogen anzudeuten - ich befürchte, wieder geht ein Stück gelebter Kultur unabhängiger Informationsverarbeitung und selbständigen Denkens verloren. Gerade bei jüngeren Kollegen hat sich bereits jetzt "Google" als sein eigentlicher Nachfolger eingeschlichen. 500.000 neue Arbeitsplätze in der Kreativwirtschaft, wie nach dem Deutschlandplan möglich, sind das eine. Dass die Elektronisierung und Computerei aber auch Informationsmüll und sinnloses Gequatsche vervielfältigen, sowie Orientierung, Reflexionsfähigkeit, Vielfalt und Freiheit gefährden, soviel Kulturpessimismus muss erlaubt sein.
Was bei 67 auseinanderging, wächst hier zusammen: "Der dümmste Vorschlag der letzten Jahre", "Raubbau an der Gesellschaft" usw., so kommentierten SPD und Gewerkschaften die Initiative der Bundesbank für eine Rente ab 69. - Nun ja, lieber Peter, Denke ich an Dich, mein Interesse wäre sie, schließlich möchte man Dich nicht missen!
Dr. Klaus-Jürgen Scherer
Geschäftsführer Kulturforum der Sozialdemokratie
Dieser Beitrag ist im Sommer 2009 anlässlich des 65. Geburtstags von Peter Munkelt verfasst worden. Nun scheidet der langjährige Leiter des Politischen Archivs der SPD aus. Das Politische Archiv ist seine Lebensleistung. Das Arbeitsteam des Politischen Archivs wird gemeinsam mit ihrer neuen Leiterin Beate Häupel auch in Zukunft zuverlässig und präzise Informationen aufbereiten.