Parteileben

Ein Mann der leisen Töne

von Carl-Friedrich Höck · 28. April 2012

Er wird Frankfurts nächster Oberbürgermeister. Seine Wahl gilt als Sensation. Überzeugt hat er die Wähler durch direkte Gespräche und mit einem sozialpolitischen Programm.

Die Geschichte der Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt am Main klingt so unglaublich, dass sie auch aus der Feder eines Drehbuchautors stammen könnte. Sie geht so: Nach 17 Amtsjahren beschließt die bisherige CDU-Oberbürgermeisterin Petra Roth, nicht noch einmal anzutreten. Sie schlägt den prominenten hessischen CDU-Innenminister Boris Rhein als Nachfolger vor. Für die SPD tritt der weitgehend unbekannte Peter Feldmann an. 

Eine Kandidatur, die als aussichtslos gilt, schließlich sind die Sozialdemokraten in der Finanzmetropole nur dritte Kraft hinter CDU und Grünen. Doch Rhein, politischer Ziehsohn von Roland Koch, gelingt es trotz teurer Image-Kampagne nicht, seinen Ruf als konservativer Hardliner loszuwerden. Feldmann nutzt die Chance und absolviert 16 000 Hausbesuche. Als er es in die Stichwahl schafft, gilt schon das als Sensation. Und dann das: 57 Prozent! Für Feldmann!

Er setzt auf soziale Themen

An einem Vormittag zweieinhalb Wochen nach der Wahl sitzt Peter Feldmann im Café Mozart, nur wenige Schritte vom Frankfurter Römer entfernt. Hierhin zieht er sich zurück, wenn er in Ruhe die Zeitungen lesen will. Das Café ist im Wiener Stil eingerichtet. „Klassische Kaffeehauskultur, in dieser Hinsicht bin ich konservativ“, scherzt er. Als konservativ gilt Feldmann nicht. Im Wahlkampf versuchte er gar nicht erst, die politische Mitte zu besetzen, sondern konzentrierte sich ganz auf soziale Themen. „Schon in der Universität wurde mir erzählt, dass es das klassische sozialdemokratische Milieu nicht mehr gibt“, sagt der 53-Jährige. 

Seine Dozenten hätten die SPD deshalb für altbacken und unmodern gehalten. „Ich habe das nie geglaubt.“ Bei seinen Hausbesuchen sprach Feldmann mit Lehrern, Angestellten und Arbeitern. Die Gespräche haben ihn bestätigt.

Wie aktuell sozialpolitische Themen immer noch sind, hat Feldmann aus eigener Anschauung erfahren. Aufgewachsen ist er in einer Hochhaussiedlung im Frankfurter Stadtteil Bonames. Später leitete er dort lange Jahre ein Jugendzentrum und in Darmstadt ein Altenhilfezentrum. Er lernte Eltern kennen, die es sich nicht leisten konnten, ihr Kind auf eine weiterführende Schule zu schicken, und Senioren, die im Alter nicht nur arm, sondern auch einsam wurden. Aus diesen Erfahrungen formte er seine Forderungen: ein kostenloses Mittagessen und Förderunterricht für alle Schüler, bezahlbare Schülertickets, Treffpunkte für alte Menschen, bezahlbares Wohnen. „Ich bin eins mit meinen Themen“, versichert er. Man nimmt es ihm ab.

Kein Berufspolitiker

Ihm glaubt man auch, dass er Politik nie als Karrieresprungbrett betrachtet hat – obwohl er schon mit neun Jahren den Falken beitrat und später Politikwissenschaft studierte. 23 Jahre lang sitzt er nun schon in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung, zuletzt als SPD-Fraktionsvize. Doch das Bürgermeisteramt wird sein erster bezahlter Job in der Politik sein. „Das war für mich immer ein Ausgleich, so wie andere nach der Arbeit in den Garten gehen“, sagt er.

Feldmann spricht so leise, dass seine Stimme neben den Hintergrundgeräuschen im Café fast untergeht. Lautes Poltern ist seine Sache nicht, er setzt auf Dialog und Ausgleich. Diese Tugend wird er demnächst öfter brauchen, denn als Oberbürgermeister muss er sich mit der schwarz-grünen Stadtregierung arrangieren. Die hat bereits angekündigt, seine Vorhaben blockieren zu wollen. „Die sind noch im Wahlkampfmodus“, wiegelt Feldmann ab. Sein Plan: Er will sich mit den einzelnen Magistratsmitgliedern zusammensetzen und gemeinsam feste Vereinbarungen treffen. 

Mittlerweile hat Feldmann seinen Kaffee Latte ausgetrunken und steht für eine Fotoaufnahme vor dem Frankfurter Römer. Der künftige OB kneift seine Augen zusammen, das Sonnenlicht blendet ihn. „Meine kleine Tochter hat mich die halbe Nacht wach gehalten“, entschuldigt er sich. 

Mit Schlafmangel hat er auch im Wahlkampf Erfahrungen gesammelt, als er bei einer Familie übernachtete, die in der Einflugschneise des Flughafens wohnt. Ab fünf Uhr morgens donnerten die Flieger über das Haus. „Die sind richtig laut“, stöhnt Feldmann. Der Flughafen sei wichtig für die Wirtschaft, aber acht Stunden Ruhe müsse man den Anwohnern gönnen. „Mir geht es um ein nachbarschaftliches Verhältnis. Ich will die Flughafenbetreiber, Mitarbeiter und Anwohner aus ihren Schützengräben herausziehen und an einen Tisch bringen.“ Ob ihm das gelingt, wird sich ab dem 1. Juli zeigen. Dann tritt Peter Feldmann sein neues Amt an.

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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