Parteileben

Die Widerständige

von Susanne Dohrn · 4. März 2011
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"Ich wollte nie Quotenfrau sein. Ich wollte nie Frauenpolitik machen." Dass es doch so gekommen ist, sei das Lehrstück einer Politik, die Frauen ausblende, wie Barbara Hackenschmidt sagt. Sie hat es selbst erfahren. Dabei ist die 55-Jährige wahrlich kein Mäuschen. Mit tönender Stimme und Temperament - "Wenn ick platze, dann richtig." - verschafft sie sich Gehör, ob im Brandenburger Landtag, wo sie Abgeordnete ist, oder in der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF), wo sie von den drei stellvertretenden Vorsitzenden die einzige Ostfrau ist.

Seid mutig!

Den Knigge lasse sie in der Politik zu Hause, sagt sie. Denn mit höflicher Zurückhaltung lassen sich Männernetzwerke nicht knacken. Das war für sie ein Lernprozess. Sie sei immer eine fleißige Politikerin gewesen, schon als Kreistagsabgeordnete überall hingefahren, ständig unterwegs gewesen. Irgendwann dann die Erkenntnis: "Keiner hat das mitgekriegt."

Danach habe sie ihre Strategie komplett geändert. "Ich sitze bei Veranstaltungen in der ersten Reihe, habe meistens eine rote Jacke an, trage eine auffällige Kette oder einen roten Schal. Wenn die Debatte beginnt, melde ich mich gleich am Anfang und sage etwas. Das wird wahrgenommen." Ihr Rat an die Frauen: "Seid mutig! Sagt eure Meinung! Denkt nicht darüber nach, ob das den Zuhörern gefällt oder nicht."

Als Frau auch mal Nein sagen

Männer gehen Bündnisse ein, sagt sie. Sie netzwerken. Sie erzählt von einem Kirchentag. Auch diese Szene ist ein Lehrstück für Frauen und ein Abschnitt auf dem Weg ihrer eigenen Emanzipation. Man wartete auf Wolfgang Thierse. "Ich hab mich gewundert, warum einige junge Männer drei Stehtische am Eingang zusammenrückten und sich da versammelten. Bis mir klar war: Die stehen da wegen Thierse." Sie selbst hatte ein halbes Jahr zuvor mit ihm für Regine Hildebrandt Wahlkampf gemacht und Thierse dabei kennengelernt. "Also hatte ich die Tür im Auge und mir vorgenommen: Wenn er kommt, sage ich ihm guten Tag. Mal sehen, ob er mich noch kennt. Er wusste das noch und die Jungs haben gestaunt."

Wenn Frauen eine Lücke lassen, grätscht ein Mann hinein. Deshalb lässt sie keine Lücken mehr. Die Männer hätten inzwischen gemerkt, dass sie an ihr nicht vorbeikommen. "Das halte ich für einen großen Sieg." Als Mentorin für junge Politikerinnen versucht sie, ihre Erfahrungen weiterzugeben. Ein bisschen Lob: "Toll, wie du das machst!" Ein paar Wünsche: "Kannst du das auch übernehmen?" Und schon, kritisiert Hackenschmidt, fühlen sich viele junge Frauen gebauchpinselt, ackern und hoffen, ihr Fleiß werde weiter oben bemerkt. Wird er vermutlich nicht, warnt die erfahrene Politikerin: "Eine gefährliche Schiene" sei das. Sie rät: "Konzentriere dich. Frage dich: Ist es wirklich das, was ich will? Sag auch mal Nein." Und vor allem: "Vergiss über der Politik nicht deinen Beruf, denn er garantiert dir Unabhängigkeit."

Scheinemanzipation im Osten

"Kein Wunder, dass die so selbstbewusst ist, die kommt ja auch dem Osten." Barbara Hackenschmidt kennt den Satz. Aber so einfach ist das nicht. Drei Kinder hat sie. Das Erste kam während des Studiums. In der DDR war das kein Problem, Kinderbetreuung selbstverständlich. Trotzdem war es eine "Scheinemanzipation", sagt sie. Zwar konnten Frauen jeden Beruf lernen. Aber im Alltag trugen sie die Hauptlast. Barbara Hackenschmidt erklärt das mit einem Bild: Eine junge Frau, zwei kleine Kinder an der einen Hand, die Einkaufstasche in der anderen, über der Schulter die Arbeitstasche: "Wie sollten solche Frauen gegen ihre Lage aufbegehren oder Flugblätter drucken - sie hatten doch keine Hand frei!"

Barbara Hackenschmidt, die engagierte Christin, ist seit Anfang 2010 Präses des evangelischen Kirchenkreises Niederlausitz. Sie ist eine Christin aus der DDR, in der Schwangerschaftsabbruch erlaubt war. Sie hat selbst einen hinter sich. Als der § 218 nach der Wende reformiert wurde, kämpfte sie gegen seine Verschärfung.

Sie spricht sich, anders als die ASF, für Präimplantationsdiagnostik aus, mit der künstlich befruchtete Eizellen vor dem Einsetzen in die Gebärmutter auf schwere Erbkrankheiten untersucht werden können. Barbara Hackenschmidt: "Ich finde es verantwortungslos, die Eizellen nicht zu untersuchen und damit das Risiko einer späteren Abtreibung einzugehen." Sie sage das als Christin und Pazifistin, betont sie. Als Ostfrau bringe sie einen anderen Blick in den ASF-Vorstand und das sei wichtig: "Ich kann ja unterliegen, aber vorher müssen wir diskutieren."

Stationen von Barbara Hackenschmidt
1955 Geboren in Betten in Brandenburg

1973-78 Studium der Pädagogik und Polytechnik, danach Lehrerin

1995-2000 Büroleiterin von Regine Hildebrandt, Sozialministerin in Brandenburg

seit 2002 Stellvertretende ASF-Bundesvorsitzende

seit 2004 Landtagsabgeordnete in Brandenburg

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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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