Zwanzig Minuten. Zwanzig Minuten müssen die Gäste auf den Jubilar warten, ehe er zusammen mit seiner Frau und seinem Bruder das Atrium des Willy-Brandt-Hauses betritt. "Das hätten wir uns mal
trauen sollen, als Hans-Jochen Vogel Parteivorsitzender war", übt sich sein Nachfolger Sigmar Gabriel in Selbstkritik. Dass Vogel sich über die Verspätung nicht beschwert, führt der SPD-Chef vor
allem auf eins zurück: "Im Alter wird er eben liberaler."
Viele Gäste sind an diesem Montagnachmittag ins Atrium der SPD-Parteizentrale gekommen, um Hans-Jochen Vogel zum Geburtstag zu gratulieren - nachträglich, denn 85 ist der Jubilar bereits am
vergangenen Donnerstag geworden. Unter ihnen sind viele langjährige Weggefährten wie der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses Walter Momper und die zweimalige Präsidentschaftskandidatin
Gesine Schwan. Als Überraschungsgast ist der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer gekommen.
Nach 17 Jahren wieder im Präsidium
Hans-Jochen Vogel hat schon einen langen Tag im Willy-Brandt-Haus hinter sich. Am Morgen hat er an der Sitzung des Parteipräsidiums teilgenommen - zum ersten Mal seit 17 Jahren, wie Sigmar
Gabriel erzählt. Vogel habe sich für mehr Bürgerbeteiligung ausgesprochen und seiner Partei "wichtige Ratschläge gegeben". Überhaupt sei die SPD ihrem früheren Vorsitzenden "zu großem Dank
verpflichtet": Hans-Jochen Vogel habe stets politische Verantwortung übernommen, um das Leben der Menschen im Großen wie im Kleinen zu verbessern.
"Das Bohren dicker Bretter ist zu jeder Zeit Deine Aufgabe gewesen", lobt Gabriel mit Bezug auf den Soziologen Max Weber, der das Bild einst für die Politik geprägt hatte - oder umgekehrt.
"Max Weber hatte sicher Hans-Jochen Vogel vor sich, als er sein Bild vom Dickbrettbohrer entwickelt hat", zeigt sich Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker überzeugt. Vogel und ihn verbindet
eine jahrzehntelange politische Freundschaft, trotz unterschiedlicher Parteizugehörigkeit.
Drei Geburtstagswünsche von der SPD
"Einen großen Unterschied gibt es aber zwischen uns", betont von Weizsäcker in seiner sehr persönlichen Glückwunschrede: "den Altersunterschied". Von Weizsäcker feiert im April seinen 91.
Geburtstag. Er sei die "personifizierte Glaubwürdigkeit" attestiert der Altbundespräsident Vogel. "Seine unglaublich genaue Professionalität hat mich stets beeindruckt."
Professionell nimmt der so Geehrte schließlich auch die Glückwünsche entgegen. "Es ist nicht alles falsch, was über mich gesagt wurde", bedankt sich Hans-Jochen Vogel bei seinen Gratulanten
mit einem Augenzwinkern. "Ich kann mich in den Worten wiedererkennen." Und dann wird der Jubilar noch einmal ganz ernst. Drei Geburtstagswünsche habe er an seine Partei, die SPD: Sie solle ihre
Grundwerte besonders ernst nehmen, weiter dafür kämpfen, dass Volksentscheide auch auf Bundesebene eingeführt werden und schließlich ihre Geschichte nicht aus den Augen verlieren. "Wenn wir Kraft
und Zuversicht aus der Geschichte schöpfen, können wir auch alle aktuellen Herausforderungen bestehen."
Eine Ausstellung des "Freundeskreises Willy-Brandt-Haus" würdigt den politischen Lebenslauf Hans-Jochen Vogels. Sie ist bis zum 27. Februar im Atrium des Willy-Brandt-Hauses zu sehen. Der vorwärtsbuch-Verlag hat einen Bildband zu Ehren des 85. Geburtstags herausgegeben.