Pünktlich zum SPD-Parteitag am Sonntag liegt Machnigs Buch vor. Passenderweise, denn es widmet sich "der Richtungsklärung und Strategie der Sozialdemokratie im Globalisierungszeitalter", so Sigmar Gabriel. Der SPD-Chef stellt das Buch höchstpersönlich vor und nennt Machnig einen "Strategen und Macher", dessen Buch davon handle, Mehrheiten zu erringen. "Gegenmacht sein und um Mehrheiten kämpfen, ist für die deutsche Sozialdemokratie eine Daueraufgabe", betont Gabriel
Kanzlerkandidat gesucht?
Nach der verlorenen Bundestagswahl im vergangen Jahr wird in der SPD viel debattiert. So wendet man sich auch direkt der Diskussion zu. Politologe Joachim Raschke ist eingeladen, um mit Matthias Machnig über seine Aufsatzsammlung zu sprechen. Moderiert vom neuen vorwärts-Chefredakteur Uwe Knüpfer widmen sich die beiden Herren der strategischen Ausrichtung der Sozialdemokratie. Die falle den Sozialdemokraten deshalb so schwer, weil die Führungsfrage in der SPD nicht geklärt sei, meint Raschke. Zwar gebe es mit Sigmar Gabriel einen Parteichef, doch die zentrale Frage nach dem Kanzlerkandidaten sei unbeantwortet.
Für Matthias Machnig ist die Führungsfrage geklärt, die Kanzlerfrage zweitrangig. Zunächst müsse das Signal ankommen, dass die Partei sich öffnet, an verschiedenen "Beteiligungsformen" interessiert sei. Dazu gehörten auch die Mitentscheidung an Richtungs- und Personalfragen. Der SPD-Stratege will "Netzwerke in die Gesellschaft" bilden, in sozialen Auseinandersetzungen wieder präsent sein. Etwa, wenn im Herbst gemeinsam mit den Gewerkschaften gegen das Sparpaket der Bundesregierung mobilisiert wird.
"Die Mitte gibt es nicht"
Machnig ist der Meinung, die SPD habe sich nun lange genug mit der Aufarbeitung der Wahlniederlage beschäftigt: "Auf dem Parteitag beginnt die Zukunft." Das zentrale Thema werde die Verteilungsgerechtigkeit sein: Gerade angesichts der Wirtschaftskrise und ihren Folgen müssten die Lasten neu verteilt werden - ökonomisch Stärkere müssten mehr tragen.
Dafür setzt sich auch die Partei "Die Linke" ein. Kein Grund für Machnig, das Thema zu scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Die SPD habe ein breites Programm. Wenn andere Parteien Positionen daraus diskutieren, nehme das den Sozialdemokraten nicht das Recht, das auch zu tun. Schließlich sei die Gerechtigkeitsfrage eine politische Kernkompetenz der SPD. Davon ist auch Raschke überzeugt: Die rot-grüne Schröder-Regierung habe sie allerdings der Wirtschaftskompetenz untergeordnet - mit nachhaltigem Schaden für die SPD.
Machnig zeigt sich kampfbereit. "Wir wollen den Kampf aufnehmen und gewinnen", sagt er. Die CDU-Kanzlerin Angela Merkel präsentierte sich als Kraft der Mitte, reklamiere diese selbstbewusst für sich. Doch das beeindruckt den Wirtschaftsminister wenig: "Es gibt keine Mitte", sagt Machnig. Sie sei kein fester Ort, sondern eine Zuschreibung. Deutungshoheiten würden errungen - oder erkämpft. Wer sich als Mitte verstehe, reklamiere die Deutungshoheit für sich. Machnig möchte sie von links besetzen.
Selbstbewusst präsentiert der thüringische Wirtschaftminister seine bei vorwärts buch erschienene Textsammlung. Und er zeigte sich als jemand, der mitbestimmen will, in welche Richtung die SPD künftig geht. Zwar habe die CDU den strategischen Vorteil Kanzleramt, wie Raschke formuliert. Doch "Regierungen werden abgewählt", sagt Machnig. In diesem Fall sei die Opposition ein strategischer Vorteil. Und Machnig will ihn nutzen.
Matthias Machnig: "Vermessungen. Politik neu orientieren", vorwärts buch, Berlin, 2010, 272 Seiten, 20 Euro, ISBN 978-3-86602-466-3