Parteileben

Den bösen Geist verbannen

von Karsten Wiedemann · 21. April 2009
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Spätestens seit den Berichten des UN-Klimarates ist weltweit die Gewissheit ge­reift, dass die Erde auf eine Katastrophe zusteuert, wenn weiterhin große Mengen des klimaschädlichen Gases Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre gelangen und diese aufheizen. Wissenschaftler und Politiker sind sich einig, dass die Emissionen sinken müssen, um die Folgen des Klimawandels abzumildern. Das Problem dabei ist der globale Energiehunger, Hauptverursacher für die CO2-Emmissionen. Er wird in den kommenden Jahren keineswegs kleiner.

Kohle bleibt Energieträger

Laut Prognose der internationalen Energieagentur (IEA) wird der Primärenergieverbrauch weltweit in den nächsten 20 Jahren sogar um 45 Prozent wachsen, 80 Prozent des Weltenergiebedarfs werden laut IEA im Jahr 2030 aus fossilen Energiequellen wie Öl, Gas und Kohle stammen. Das sind nur zehn Prozent weniger als heute. Vor allem China plant einen gigantischen Ausbau der Kraftwerkskapazitäten, zwei Drittel davon Kohlekraftwerke. Neben einem forcierten Ausbau der Erneuerbaren Energien müssen die traditionellen Energieträger emissionsärmer werden, um den Klimakollaps zu vermeiden.

Eine Möglichkeit, die Stromerzeugung aus Kohle "sauberer" zu machen, bietet die CCS-Technik (Carbon Capture and Storage). Dabei wird das bei der Verbrennung der Kohle im Kraftwerk entstehende CO2 abgetrennt und in einem speziellen Verfahren verflüssigt.

Das verflüssigte Gas kann dann transportiert und andernorts unter die Erde gepumpt werden. Als Lagerstätten kommen leere Gasspeicher oder Bergwerke in Frage. Noch ist CCS aber mehr Theorie als Praxis und von der Marktreife weit entfernt. Die unterschiedlichen Verfahren zur Abscheidung des Gases gelten bislang als aufwendig und kostenintensiv. Frühestens in zehn Jahren könnte es CCS zur Serienreife bringen, so die verbreitete Einschätzung.

Kinderkrankheiten überwinden

In Deutschland sind die Energiekonzerne Vattenfall, RWE und Eon auf dem Feld der CCS-Technologie aktiv. Ein bisher noch ungelöstes Problem ist, dass die CO2-Abscheidung derzeit noch sehr aufwendig und energieintensiv ist.

Heute mit CCS ausgestattete Kohlekraftwerke würden nach derzeitigem Technikstand sogar noch mehr CO2 produzieren als Herkömmliche und wären weniger effizient. "Durch den Eigenbedarf an Energie von zusätzlichen technologischen Komponenten in CCS-Anlagen verringert sich in der Tat der Wirkungsgrad. Der Rohstoffbedarf und damit die Menge an produziertem Kohlendioxid wird größer", sagt Damian Müller, zuständig für die CCS-Kommunikation bei Vattenfall.

Der Energiekonzern betreibt seit September 2008 eine CCS-Pilotanlage im brandenburgischen Spremberg. Müller ist optimistisch, dass die Wirkungsgradverluste mit neuen Verfahren wie der Kohlevortrocknung bis zum Jahr 2015 ausgeglichen werden können. Dann will Vattenfall ein größeres Demonstrationskraftwerk im brandenburgischen Jänschwalde in Betrieb nehmen. Es wäre eines von maximal zwölf CCS-Demonstrationsanlagen, die in der Europäischen Union bis 2015 entstehen sollen. So sieht es die CCS-Richtlinie vom Dezember 2008 vor.

Die CO2-Abscheidung spielt in der Emissionspolitik der EU eine wesentliche Rolle. Für ihre Projekte können die Versorger daher mit Unterstützung in Miiliardenhöhe aus Brüssel rechnen.

Kohle ohne CCS unrentabel

Wer weiter auf Kohlestrom setzen will, wird in Zukunft ohnehin nicht an CCS vorbeikommen: Die Versorger müssen für jede produzierte Tonne CO2 Verschmutzungszertifikate aus dem Emis­sionshandel kaufen. Das macht die Kohle unrentabler. Gelangt das Gas aber nicht in die Luft, muss auch nichts bezahlt werden.

Damian Müller von Vattenfall geht davon aus, dass sich CCS ab 2020 "wettbewerbsfähig auf einem subventionsbereinigten Energiemarkt behaupten kann". Dafür sei aber ein nationales CCS-Gesetz noch in dieser Legislaturperiode unabdingbar, fordert er. Die Bundesregierung hat Anfang April nach längeren Diskussionen um die Haftungszeiten für die Lagerstätten einen Gesetzentwurf verabschiedet. Er sieht vor, dass die Verantwortung 30 Jahre nach Stilllegung einer CCS-Lagerstätte auf die Bundesländer übergeht.

Neue Kraftwerke nur mit CCS

Im Jahr 2015 soll zudem abschließend geprüft werden, ob CCS ein "gangbarer und wirtschaftlicher Weg ist", so Bundesumweltminister Sigmar Gabriel. Kohlekraft habe nur eine Zukunft, wenn sie weniger schädlich für das Klima werde, betont er. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD)begrüßt das Gesetz. Bis zur großtechnischen Speicherung von CO2 "müssten aber noch eine Reihe von sensiblen Fragen auch zur Sicherheit geklärt werden". Brandenburg hofft, von der Technologieführerschaft in Sachen CCS zu profitieren.

Umweltschutzorganisationen stehen der Technik gespalten gegenüber. Greenpeace lehnt CCS ab. Die Organisation befürchtet, dass dadurch die Entwicklung der Erneuerbaren Energien gebremst werde. Auch sieht die Organisation die Gefahr, dass das eingelagerte CO2 wieder an die Oberfläche gelangen könnte.

WWF: CCS Brückentechnologie

Die Naturschutzorganisation WWF vertritt dagegen eine pragmatische Position. "CCS kann eine bedeutende Rolle für den Klimaschutz spielen", sagt Regine Günther, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF. Oberstes Ziel der Organisation ist es, die globale Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius zu begrenzen. "Fast alle Studien sagen uns, dass das in der Kürze der Zeit nicht allein mit Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz zu erreichen sein wird." Deshalb müsse auf CCS zurückgegriffen werden.

Der WWF setzt sich dafür ein, dass die Technik möglichst schnell erprobt wird. "Es muss sich zeigen, ob die CO2-Abscheidung und Lagerung ohne Gefahr für Mensch und Natur funktioniert", sagt WWF-Expertin Günther. Wenn die Technik funktioniere müsse sie schnell kommerziell verbreitet werden. Vorher dürfe es auch in Deutschland keine neuen Kohlekraftwerke geben, fordert Günther. Für den WWF bleibt CCS dennoch nur eine Brückentechnologie. "Wir kaufen uns Zeit." Solange, bis regenerative Energiequellen die Energieversorgung vollständig übernehmen können.

Umwelthilfe: Exportchancen nutzen

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) steht der CCS-Technologie grundsätzlich positiv gegenüber. Aber: "Wir brauchen sie nicht in Deutschland", betont Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse bei der DUH. Er geht davon aus, dass die CO2-Abscheidung hier zu teuer wird, um konkurrenzfähig Strom liefern zu können.

Die Umwelthilfe ist dennoch dafür, dass die CCS-Technologie in Deutschland weiterentwickelt wird. "Sollte sich CCS anderswo als wirtschaftlich und technisch praktikabel erweisen, ist es für ein Exportland wie Deutschland natürlich schlau, wenn der deutsche Anlagenbau dabei ist und es kann auch dem Klimaschutz helfen", so Rosenkranz. Seine Organisation plädiert dafür, zunächst ein Gesetz für die Demonstrationsphase zu verabschieden und dann im Licht der Ergebnisse neu zu entscheiden.

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Dieser Artikel erscheint in der neuesten Ausgabe des vorwärts - ab den Samstag, den 25. April 2009 am Kiosk.

Autor*in
Karsten Wiedemann

Redakteur bei vorwaerts.de bis September 2009, jetzt Redakteur bei Neue Energie, dem Magazin des Bundesverbands für Windenergie

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