Viele Mitglieder des SPD-Ortsvereins Brüssel sind Europa-Experten. Dieses Wissen stellen sie nun auch im Wahlkampf zur Verfügung.
Dass Özgür Öner bereits seit vier Uhr morgens auf den Beinen ist, merkt man ihm nicht an. Er ist frisch rasiert, die kurzen Haare sind zur Seite gestrichen, das Hemd und die Krawatte sitzen akkurat. Und er lächelt viel, während er druckreife Sätze formuliert. Als „Berater für Politik“ bezeichnet er sich. Öner leitet das Brüsseler Büro des deutschen Immobilienverbandes GdW. Für seinen Job ist er viel unterwegs, lange Arbeitstage sind die Regel. Und die Freizeit, die ihm in den späten Abendstunden bleibt, investiert er oft in Parteiarbeit. Denn Öner ist auch der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Brüssel.
Genossen wie Öner gibt es viele in der EU-Metropole. Ein Großteil der SPD-Mitglieder in Brüssel arbeitet für die Europäischen Institutionen oder als Lobbyist für Sozialverbände, Gewerkschaften und Unternehmen. Sie sind Politik-Profis und Experten für europäische Themen. Dieses Fachwissen wollen sie im Europawahlkampf nutzen, um die SPD zu unterstützen.
Hilfe per Helpdesk
Deshalb haben die Brüsseler Sozialdemokraten ein „Europa-Helpdesk“ organisiert. „Wir wollen unser Know-How und unsere Ressourcen bündeln und sie zur Verfügung stellen“, erklärt Öner das Projekt. Wer Anfragen zu europapolitischen Themen erhält, kann sie an die SPD Brüssel weiterleiten. Das Angebot richtet sich vor allem an SPD-Kandidaten und an Ortsvereine, die sich im Europawahlkampf engagieren. „Wir beantworten die Fragen oder erstellen kurze Dossiers“, sagt Werner Wobbe, der ehemalige Vorsitzende des Brüsseler Ortsvereins. Dabei kooperiere man mit den SPD-Abgeordneten im Europaparlament. Und der Brüsseler Juso-Vorsitzende Ingo Wagner ergänzt: Es sei im Europawahlkampf manchmal schwer, die Menschen von der Bedeutung der Wahl zu überzeugen. „Besonders dann, wenn man in den Themen nicht so tief drinsteckt. Und genau dabei können wir helfen.“
Als Auslandsortsverein ist die SPD Brüssel ein Exot in der Partei. Weder kämpfen die Brüsseler Sozialdemokraten um lokale politische Ämter, noch haben sie eigene Räume. Der Ortsverein geht zurück auf einen Freundeskreis, den SPD-Mitglieder 1969 in der EU-Hauptstadt gegründet haben. 1984 banden die Genossen aus Aachen die SPD Brüssel organisatorisch in ihre Strukturen ein, integrierten ihn in den Landesverband NRW und ermöglichten so die Gründung eines offiziellen Ortsvereins.
»Ein Stück Heimat«
Die SPD Brüssel will die Bindung an die SPD aufrecht erhalten, auch wenn Sozialdemokraten mehrere Jahre im Ausland verbringen. Rund 10 000 Deutsche wohnen in Brüssel. Der Ortsverein hat rund 260 Mitglieder. Damit ist er die größte Auslandsorganisation der SPD. Zweimal im Jahr trifft sich der Ortsverein bei einem der Mitglieder zuhause. Man organisiert Feste, Arbeitskreise und Diskussionsveranstaltungen. Oft arbeiten die Brüsseler Genossen dabei mit den europäischen Schwesterparteien zusammen und tauschen sich mit ihnen über die unterschiedlichen nationalen Sichtweisen auf europäische Themen aus. Ein jährliches Highlight ist ein deutschsprachiger Kabarettabend. Damit erreicht die SPD Brüssel auch Menschen außerhalb des Parteiumfeldes.
Ohnehin versteht sich der Ortsverein nicht nur als Parteiorganisation, sondern auch als soziales Netzwerk für Deutsche im Ausland. „Wir sind oft der erste Anlaufpunkt für Leute, die nach Brüssel kommen“, berichtet Öner. Ingo Wagner bezeichnet den Ortsverein deshalb als „ein Stück Heimat“.
E-Mail-Adresse des Europa-Helpdesks:
europa-helpdesk@spd-bruessel.de
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.