Parteileben

Beschluss des Parteitags: Wie die SPD Deutschland modernisieren will

Höhere Steuern für Reiche, deutlich mehr Investitionen in die Transformation und ein „Deutschlandpakt“ für die Bildung: Auf ihrem Parteitag hat die SPD ein Programm für den Umbau des Landes beschlossen. Im Mittelpunkt der Debatte stand die Zukunft der Schuldenbremse.

von Kai Doering · 8. Dezember 2023
Deutliche Zustimmung: Der SPD-Bundesparteitag hat ein Transformationsprogramm für Deutschland beschlossen.

Deutliche Zustimmung: Der SPD-Bundesparteitag hat ein Transformationsprogramm für Deutschland beschlossen.

Es gibt einen Begriff, der fast in jeder Rede fällt am ersten Tag auf dem SPD-Bundesparteitag. Dabei gibt es Variationen. Von einer „Investitionsbremse“ spricht die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger, später sogar von einer „Zukunftsbremse“. Für den Vorsitzenden der SPD-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft Mustafa Güngör ist sie ein „Fetisch“. Der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer warnt vor einer „Fessel für sozialdemokratische Politik“, der rheinland-pfälzischen Arbeitsminister Alexander Schweitzer gar vor einer „Demokratiebremse“.

Heiße Debatte über die Schuldenbremse

Die Schuldenbremse emotionalisiert die 600 Delegierten, die auf dem Berliner Messegelände zusammengekommen sind. Das liegt nicht nur am Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem November, das die Haushaltsplanung der Bundesregierung über den Haufen geworfen hat. Schon vorher hatte der SPD-Parteivorstand in seinem Leitantrag für den Parteitag eine Öffnung der Schuldenbremse gefordert, um mehr Investitionen in die Transformation möglich zu machen.

Lars
Klingbeil

Die Zukunft dieses Landes ist ein Staat, der investiert, der schützt, der Sicherheit in diesen turbulenten Zeiten gibt.

„Wir sind dabei, den riesigen Investitionsstau in unserem Land abzubauen. Wir investieren so stark wie noch nie, und das muss weitergehen“, sagt Lars Klingbeil in seiner Rede, mit der er sich um eine zweite Amtszeit als SPD-Vorsitzender bewirbt. „Die Zukunft dieses Landes ist ein Staat, der investiert, der schützt, der Sicherheit in diesen turbulenten Zeiten gibt.“ Wie der Staat dafür aufgestellt sein muss, hat die SPD auf 20 Seiten in ihrem Beschluss „Zusammen für ein starkes Deutschland“ formuliert. Es ist ein Zukunftsprogramm, das die Delegierten auf dem Parteitag beschließen. Entstanden ist es in monatelangem Austausch mit Expert*innen aus Wissenschaft, Gewerkschaften, Wirtschaft und Parteimitgliedern.

Mindestens eine Million neue Arbeitsplätze

„In unserem Leitantrag machen wir deutlich, was die Wirtschaft braucht, um stark zu bleiben“, betont die SPD-Vorsitzende Saskia Esken. „Und wir arbeiten heraus, was die Menschen brauchen, um im Wandel stark zu bleiben.“ Die SPD fordert deshalb nicht nur zusätzliche Investitionen – öffentliche wie private – in Höhe von 100 Milliarden Euro jährlich in die Modernisierung des Landes, sondern auch einen „Deutschlandpakt“ für die Bildung, über den die Länder deutlich stärker unterstützt werden sollen.

Saskia
Esken

Die Verteilung von Einkommen und Vermögen in unserem Land ist hoch ungerecht.

„Soziale Politik für dich – das ist zeitgemäße Infrastruktur, moderne Verwaltung und gerechte Bildung, Forschungsförderung und eine zukunftsfähige Wirtschaft“, bringt Saskia Esken den Kern des Programms auf den Punkt. Die SPD verspricht sich dadurch nicht nur eine bessere Infrastruktur und einen schnelleren Umstieg auf Erneuerbare Energien, sondern auch ein wahres Jobwunder. Bis 2030 sollen mindestens eine Million neue, gut bezahlte Arbeitsplätze in Deutschland entstehen, lautet das Ziel der Sozialdemokrat*innen. Klimaschutz soll zum Jobmotor werden.

Reiche sollen einen größeren Beitrag leisten

Um diesen Umbau zu finanzieren, soll nicht nur die Schuldenbremse verändert und für Investitionen geöffnet werden. Über eine Reform der Erbschafts- sowie der Einkommenssteuer sollen auch hohe Einkommen sowie große Erbschaften künftig stärker besteuert werden, „95 Prozent“ der Bürger*innen dagegen entlastet. „Die Verteilung von Einkommen und Vermögen in unserem Land ist hoch ungerecht“, sagt Saskia Esken. „Die höchsten Einkommen“ sollten deshalb „stärker in die Pflicht“ genommen werden. Und: „Mit unserer Erbschaftsteuer-Reform wollen wir die Freibeträge für Omas kleines Häuschen anheben“, betont die SPD-Vorsitzende. „Gleichzeitig sollen die superreichen Erben mehr abgeben.“

„Wir haben einen Plan, wie dieses Land stark bleiben kann“, sagt Lars Klingbeil. Der klimaneutrale Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft sei „eine riesige Chance für unser Land“. Auf ihrem Parteitag lässt die SPD keinen Zweifel daran, dass sie diese Chance ergreifen will. Kurzfristig muss sie nun ihre Koalitionspartner überzeugen. Doch der Plan reicht über die Legislaturperiode hinaus, auch das machen die Sozialdemokrat*innen in ihrem Programm deutlich. „Die Aufgaben, die vor uns liegen, werden wir in dieser Legislaturperiode nicht alle bewältigen können“, betont Lars Klingbeil. „Deshalb haben wir ja einen Plan ausgearbeitet, wie Deutschland in den nächsten 15 Jahren ein starkes Land bleibt.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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