Entspannungspolitik nach links
Andrea Nahles begrüßte Egon Bahr und Reinhold Höppner als "zwei verschmitzte, kluge Herren". Die SPD-Generalsekretärin hält die Auseinandersetzung mit der Linken für wichtig, das machte sie in ihrer Vorstellung des Buches deutlich. Sie betonte, dass sie und Parteichef Sigmar Gabriel für eine "Entspannungspolitik" in dem schwierigen Verhältnis stünden. "Gemeinsamkeiten dürfen nicht unter den Teppich gekehrt werden, nur weil es wahltaktisch nicht passabel ist", so Nahles. Nichts desto trotz müsse die Linke sich bewegen, müsse bereit sein, Verantwortung zu übernehmen.
Als ehemalige Juso-Vorsitzende könne sie die Verliebtheit in die Opposition zwar verstehen, erklärte Nahles. Allerdings sei die nur in der Jugendphase legitim. Eine Position, die Egon Bahr in der anschließenden Podiumsdiskussion mit Reinhard Höppner stützte: "Für uns ist die Linke vollkommen uninteressant, solange sie nicht in der Lage ist, sich zu einer verantwortungsvollen Außen- und Sicherheitspolitik zu bekennen."
Konfrontation mit Geschichte
Egon Bahr, der Architekt der Neuen Ostpolitik, wies darauf hin, dass die Auseinandersetzung innerhalb der Linken nichts Neues sei. Der Streit um die Kriegskredite habe bereits während des Ersten Weltkriegs zu einem Zerwürfnis innerhalb der SPD geführt: "Die Revolutionäre spalteten sich von jenen ab, die demokratisch, evolutionär, an die Macht kommen wollten."
Unterschiedliche Positionen innerhalb der Linken, die die CDU nicht gelten lassen wollte. "Alle Wege des Sozialismus führen nach Moskau", hieß es in den 1950ern auf einem Wahlplakat der Union. Rote-Socken-Kampagnen sind bis heute populär. Das Problem daran: Die SPD habe sich in eine Verteidigungsposition zwingen lassen, so Bahr. Aus dieser "babylonischen Gefangenschaft" müsse die SPD sich befreien. "Solange die CDU bestimmt, mit wem wir nicht koalieren dürfen, bleiben wir der kleine Koalitionspartner."
Die innere Einheit
Reinhard Höppner machte deutlich, dass Namen von Parteien nicht alles sind: "Ich beanspruche für mich etwas Christliches, das die CDU in ihrem Namen trägt, und etwas Linkes, das die Linke in ihrem Namen trägt." So fühle er sich in der SPD, in der Gerechtigkeit das zentrale Thema sei, gut aufgehoben. Der ehemaliger Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt übernimmt in dem gemeinsamen Buch die Sicht des Ostens auf die Linke. Er erklärt, der Beschluss nach der Wiedervereinigung keine SED-Mitglieder in die SPD aufzunehmen, sei nicht klug gewesen. Gute und Böse seien nicht so einfach und so pauschal zu unterscheiden.
Auch Willy Brandt habe das als Niederlage empfunden, ergänzte Egon Bahr. Denn bis heute mache die Aufarbeitung die innerdeutsche Versöhnung unmöglich: "Die Erkenntnisse werden für die innenpolitische Auseinandersetzung genutzt, so werden wir nie eine innere Einheit haben." Er hoffe, dass wir uns nicht darin verfangen, die Aufarbeitung fortzusetzen, bis der letzte Stasi-Angestellte gestorben ist, sagte Bahr. Und sein Co-Autor Höppner ergänzte, dass auch das eine Art von Gefangenschaft sei, aus der man sich befreien müsse. In diesem Sinne plädierten die Autoren für eine selbstbewusste SPD, die die Auseinandersetzung mit der Linken nicht scheuen muss.
Egon Bahr/Reinhard Höppner: "Die SPD und Die Linke", vorwärts buch, Berlin, 2010, 112 Seiten, 10 Euro, ISBN 978-3-86602-043-6