Äußere und innere Sicherheit müssen getrennt sein
Unser Grundgesetz hat den Einsatz der Bundeswehr außerhalb der Landesverteidigung unter Verfassungsvorbehalt gestellt. Der Einsatz der Bundeswehr im Innern ist somit nur in den Fällen möglich,
in denen das Grundgesetz dies ausdrücklich erlaubt. Diese Erlaubnis gibt es für den Einsatz der Bundeswehr im Innern ausschließlich als Amtshilfe zur Unterstützung der Polizei (Art. 35 und 87a
GG), eine eigene Kompetenz zur Gefahrenabwehr im Innern gesteht das Grundgesetz der Bundeswehr nicht zu. Mit gutem Grund.
Wir hatten in dieser Wahlperiode eine zum Teil heftige Diskussion über die Frage, ob der Bundeswehr die Wahrung der inneren Sicherheit als eigene Aufgabe im Wege der Grundgesetzänderung
übertragen werden sollte. Vom Bundesinnenminister wurde bei jeder Gelegenheit darauf hingewiesen, dass die Gefährdung durch den international organisierten Terrorismus eine neue Lage geschaffen
hat. Dies ist richtig. Die Planung des Terrors ist weder durch nationale Grenzen begrenzt, noch in ihren Zielen auf bestimmte staatliche Strukturen ausgerichtet. Der Terror zielt vielmehr auf die
(westlichen) Gesellschaften insgesamt, indem durch wahllose Tötung möglichst vieler ihrer Mitglieder und die spektakuläre Zerstörung von Infrastrukturen unser Zusammenhalt und unsere politische
Ordnung erschüttert werden sollen.
Die Konsequenzen des Bundesinnenministers hieraus teile ich hingegen nicht. Auch wenn gewisse Formen des Terrorismus eine politische Dimension haben und teilweise staatliche Organisationen
im Hintergrund stehen, macht dies Grundunterscheidungen unseres Gemeinwesens keineswegs obsolet. Die Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit, zwischen Polizei und Streitkräften wird
nicht dadurch infrage gestellt, dass politische Ziele international mit den Mitteln des Verbrechens verfolgt werden. Durch Einebnung grundlegender Unterschiede in unserer Rechtsordnung würden wir
ohne Not Errungenschaften unseres Rechtsstaats und Grundlagen der politischen Gestaltung unseres Gemeinwesens preisgeben. Eine derartige Reaktion auf den politischen Terrorismus würde diesem
einen politischen Sieg zubilligen, der durch keinen Effektivitätsgewinn ausgeglichen werden könnte.
Helmut Schmidt hat sich im Sommer diesen Jahres im ZEIT MAGAZIN LEBEN zum Thema Bundeswehreinsätze im Innern geäußert. Es war das erste Mal in dieser Interview-Reihe, dass er selbst das
Thema vorgab. Zurecht wies er auf die extrem unterschiedliche Ausbildung und Zielsetzung von Polizei und Bundeswehr hin. Während die Polizei die gesetzliche Ordnung zu wahren und wieder
herzustellen hat, ist es das Ziel des Soldaten, den Gegner auszuschalten, also auch zu töten. Das Militär ist für Kampfeinsätze geschult und ausgerüstet, die Polizei hingegen für den Umgang mit
Bürgern, die rechtliche Grenzen überschreiten aber dennoch als Bürger und nicht als Feinde behandelt werden sollen. Die Unterscheidung zwischen Polizei und Militär, zwischen innerer und äußerer
Sicherheit ist eine zivilisatorische Errungenschaft im Bereich der innerstaatlichen Gewaltanwendung. Die äußerste Brutalisierung der Gewalt in Gestalt des politischen Terrorismus sollte uns zur
Verteidigung und nicht zur Aufgabe dieser Errungenschaft motivieren.
Dies hindert uns keineswegs, dem Terrorismus in den wenigen Fällen, in denen dies notwendig ist, auch mit militärischen Mitteln entgegenzutreten. Bekanntlich werden wir SPD-intern im
November über eine mögliche Reform des Artikel 35 GG beraten. Dieser Artikel regelt die Grundsätze der Rechts-, Amts- und Katastrophenhilfe. Insbesondere sieht er vor, dass bei "besonders
schweren Unglücksfällen", zu denen auch terroristische Angriffe zählen, zur Unterstützung der Polizei die Streitkräfte eingesetzt werden können. Mit der Reform wollen wir in Übereinstimmung mit
der Beschlusslage unseres Hamburger Parteitags die Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Februar 2006 zum Luftsicherheitsgesetz ziehen. Dies bedeutet, dass die
Streitkräfte die Möglichkeit erhalten sollen, bei besonders schweren Unglücksfällen im Bereich der See- und Luftsicherheit auch mit militärischen Mitteln der Polizei Amtshilfe zu leisten. Dies
ist sinnvoll, da die Polizei zur Gefahrenabwehr in diesen Bereichen nur unzulänglich ausgestattet ist. Zusätzlich brauchen wir aus meiner Sicht eine allgemeine Koordinierungsbefugnis des Bundes
bei länderübergreifenden Naturkatastrophen oder Unglücksfällen.
Fritz Rudolf Körper MdB, stv. Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion
Seit 1990 bin ich Abgeordneter für den Wahlkreises 203 Bad Kreuznach/Birkenfeld im Deutschen Bundestag. Ich bin Mitglied des Verteidigungsausschusses und des Parlamentarischen
Kontrollgremiums.