Parteileben

Aufbruch von unten

von Jörg Hafkemeyer · 11. Dezember 2009
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Sie haben gekämpft und doch verloren. Sie haben in den vergangenen zehn Jahren ihre Kölner SPD renoviert, aus dem Skandalsumpf heraus geführt und sie bei Wahlergebnissen stabilisiert. Sie haben sich verjüngt, ohne die Alten zu verprellen. Dann kam die Bundestagswahl Ende September: Statt bisher 54 werden in dieser Legislaturperiode nur noch 39 Abgeordnete aus NRW im Deutschen Bundestag sitzen. 11,5 Prozent Verlust bei den Zweitstimmen. Platz zwei hinter der CDU in NRW.

Ein früher Abend in Köln-Porz. Das Bürgerbüro liegt an der dicht befahrenen Hauptstraße. Es ist der Abend, an dem später die Landtagskandidaten des Unterbezirks aufgestellt werden sollen. Simon Bujanowski, 25, Vorsitzender im OV Poll, im Hauptberuf Vermögensberater und Promotionsstudent. Mit ihm haben sich Mitglieder der beiden Ortsvereine zur Vorbereitung der späteren Sitzung getroffen. Das zweite Mal nach dem Dresdner Parteitag. "Ich habe alle Parteitage verfolgt," begeistert sich Andrea Brühl, "aber so eine Aufbruchstimmung ist mir noch nie unterkommen."

Rein in die Gesellschaft
Die lebhafte Beamtin ist seit 30 Jahren in der SPD: "Ich persönlich hoffe, dass es jetzt mit neuem Personal und neuen Inhalten wirklich vorwärts geht." Ihr Nachbar, Simon Bujanowski, nickt: "Wir müssen uns mehr hinein in die Gesellschaft begeben, das ist der richtige Ansatz, denn die Wähler haben uns abgestraft." Dann meint er noch, ja, wir brauchen einerseits eine starke Parteispitze, aber vor Ort müssen wir es sein, die die Ansprechpartner der Menschen, für deren Probleme da sind. Wir müssen auf die Leute zugehen, dürfen nicht auf sie warten.

Er, der erst sieben Jahre Mitglied ist, lächelt ein wenig stolz in die Runde. Seit dem Parteitag sind innerhalb von zwei Wochen 15 Neue in die beiden OV eingetreten. Und er sagt ganz deutlich, was ihm fehlt: "Das sind die Inhalte, der Überbau, das Profil, eine politische Idee. Wir müssen den Begriff der Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellen."

Nicht einschüchtern lassen
Aufbruch, sich nicht einschüchtern lassen, weder von oben noch von draußen. Alle nicken. Einer guckt skeptisch. Spiros Paraskewopoulos: "Ich bin in die Partei eingetreten wegen Willy Brandts 'Mehr Demokratie wagen'. Das hat Millionen Menschen begeistert. Da musst Du mitmachen, dachte ich." 37 Jahre ist er in der SPD, blickt hinüber zu dem jungen Simon, dann zu zwei Gymnasiasten, die eben erst beigetreten sind: "Ich hoffe, dass jetzt ein Aufbruch kommt." Die Antwort des neuen Parteivorsitzenden habe ihm nicht gefallen: "Der hat Jein gesagt und nicht, welche Korrekturen wir machen müssen. Er hat auch Jein zur alten Parteiführung gesagt."

Rudi Werner vom OV Köln-Porz, gleich neben ihm, hört aufmerksam zu und gibt zu bedenken: "Man muss nicht direkt auf einem Parteitag sofort alles an die Wand schreiben. Man sollte da vorsichtig ran gehen. Es war ein personeller Umbruch. Leute wie Andrea Nahles, Klaus Wowereit und Sigmar Gabriel vertreten tatsächlich eine andere Richtung." Dann brechen sie auf. Zur Unterbezirkssitzung und hoffentlich, meint der 18-jährige Gymnasiast Marcel Docters, in einen erfolgreichen Landtagswahlkampf.
 

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Autor*in
Jörg Hafkemeyer

ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).

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