Um für internationale Solidarität zu werben, touren die Jusos in einem alten Reisebus 6000 Kilometer bis in die Nachbarländer.
Kaum etwas verdeutlicht den Wert eines geeinten, friedlichen Europas besser als diese Aktion: Am "Bevrijdingsdag", an dem die Niederlande die Befreiung von deutscher Besatzung feiern, jubeln Jusos und Jonge Socialisten gemeinsam einem kleinen Jungen zu, der auf einer Kegelbahn sechs goldene Nazi-Gartenzwerge umkegelt. Die Kegelbahn ist Bestandteil des Juso-Europawahlkampfes. Sie steht im Groninger Stadtpark gegenüber dem Eingang zum Bevrijdingsfestival, einem Musikfestival, mit dem die niederländische Universitätsstadt den 5. Mai zelebriert.
Vor allem jugendliche Festivalbesucher stehen in der Sonne Schlange, um die Gartenzwerge, die ihre Plastikhände zum Nazigruß erhoben haben, umzustoßen. Zur Belohnung erhalten sie Postkarten, Zahnbürsten oder Brausepulver mit Himbeergeschmack. Auf allen Artikeln prangt, von roten Sternen eingerahmt, das Motto des Wahlkampfes "Dein Europa wählen".
"Grenzen überwinden"
Elmar Smid, Vizevorsitzender der Jonge Socialisten, der Jugendorganisation der niederländischen Sozialdemokraten, freut sich über den Besuch der deutschen Partner. Auch weil der auffällige Tourbus der Jusos den Jonge Socialisten einen prominenten Standplatz auf dem Festival beschert hat. In den vergangenen Jahren hätte die Festivalleitung ihnen wesentlich schlechtere Standorte zugewiesen, erzählt der 21-Jährige.
Doch selbst wenn er nicht direkt gegenüber dem Festivaleingang parken würde, wäre der 28 Jahre alte Tourbus nicht zu übersehen: Auf der einen Seite sind Sterne und das Wahlkampfmotto der Jusos aufgesprüht. Auf der anderen kann man ihre politischen Forderungen lesen: "Grenzen überwinden", "Perspektiven für junge Menschen" und "Internationale Solidarität" steht dort in Blau, Weiß und Rot.
Mit dem bunten Gefährt reisen Mitglieder des Jusos-Bundesvorstandes und des Vorstandes der Juso-Hochschulgruppen vier Wochen lang quer durch Deutschland und sogar in polnische, französische und niederländische Grenzstädte. Mit ihrer Kegelbahn, einem Planschbecken, in dem "Finanzhaie geangelt" und einer Fußball-Torwand, "an der Diskriminierung weggeballert" werden, machen sie auf Campussen, Festivalgeländen und in Fußgängerzonen von 21 Städten Station. Auch eine lebensgroße Martin-Schulz-Pappfigur haben sie im Gepäck.
In Wismar ist die nicht notwendig. Hier übernimmt Schulz selbst für kurze Zeit das Steuer des Tourbusses. Die mecklenburgische Hansestadt ist Station seiner nationalen Wahlkampftour. Hier trifft der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten auf die Jugendlichen, die für ihn und sein Ziel, erster demokratisch gewählter EU-Kommissionspräsident zu werden, europaweit werben. Schulz nimmt sich Zeit, posiert mit den Jusos, schießt zwei Mal erfolgreich gegen die Torwand und ein Mal – er ist ehemaliger Fußballer – mit Ankündigung daneben. Auch die Nazikegel haut Schulz bei schönstem Ostseewetter alle um. Zum Abschied überreicht der EU-Politiker der Juso-Vorsitzenden Johanna Uekermann einen überdimensionalen Autoschlüssel aus Pappe. "Gute Fahrt" ist darauf zu lesen.
Kurze Nächte für ein sozialeres Europa
Ein passender Wunsch für die rund 6000 Kilometer lange Strecke, die der Bus bis zur Europawahl am 25. Mai vor sich hat. Groningen ist der siebte Stopp der Tour. Von Beginn in Magdeburg an ist Charlotte Rosa Dick mit dabei. Die stellvertretende Juso-Vorsitzende wird insgesamt zwei Wochen mit dem Bus unterwegs sein. Wenig Schlaf und jeden Tag in einer anderen Stadt: Warum tut sich die Studentin freiwillig diesen Stress an? Die 23-Jährige lächelt: "Ich möchte zeigen, dass Europa mehr ist als Regularien aus Brüssel." Momentan liegt der Fokus zu stark auf Wirtschaftsthemen der EU. "Daher ist diese Wahl auch eine Richtungsentscheidung darüber, ob wir mehr auf die sozialen Belange eingehen."
Nur einen kurzen Zwischenstopp in Bremen hat Dick eingeplant, um eine Nacht in ihrem Bett zu übernachten. Die restliche Zeit schläft sie gemeinsam mit den anderen Busreisenden bei Genossen vor Ort. In Groningen etwa stellt der Vorsitzende der Jungsozialisten Jan Douwe Oegema den sechs Jusos ein Zimmer in seiner Wohnung zur Verfügung. Dort schlafen sie, Schlafsack an Schlafsack, Isomatte an Isomatte gereiht. Nicht nur, weil irgendjemand immer schnarcht, sind die Nächte kurz.
Häufig tauschen sich die jungen Menschen noch bei einem Bier mit den Genossen vor Ort aus. Auch in den gemeinsamen Gesprächen zeigt sich dann, dass die Jusos die Forderung ihres Wahlkampfs "Grenzen überwinden" schon lange selbst umgesetzt haben.