Ein kleines Ladenlokal in Berlin-Kreuzberg, schräg gegenüber der vorwärts-Redaktion: Hier traf sich ein gutes Dutzend Leute, um mit Jan Henrik Stahlberg und vorwärts-Chefredakteur Uwe Knüpfer darüber zu diskutieren, warum sich kaum noch jemand für die SPD interessiert. In seinem Freundeskreis nehme er eine Gleichgültigkeit der Politik gegenüber wahr, erklärte Stahlberg. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Parteien seien viel zu gering, um Interesse zu wecken.
Mittwochabend war Stahlberg, der derzeit SPD-"Schnuppermitglied" ist, mehrheitlich von Genossen umgeben. Doch auch, wenn sie die Einschätzung des 39-Jährigen von Politikverdrossenheit nicht teilen mochten, wollten sie doch darüber sprechen, warum die SPD bei der letzten Bundestagswahl so massiv abgestraft wurde. "Ich glaube nicht an Politikverdrossenheit, sondern an Politikerverdrossenheit", war zu hören. Allerdings müsse die SPD daran arbeiten, stärker junge Menschen anzusprechen.
Inhalte versus Machtspiele
"Auf den letzen SPD-Bundestagswahlplakaten war kein Kandidat unter 30", erklärte ein anderer Teilnehmer der Diskussionsrunde, erst seit kurzem Genosse. Da fehle es an Identifikationspotential für junge Menschen. Die Generation der 30- bis 40-jährigen Berufspolitiker fehle in der SPD, betonte ein anderer Diskutant. Nur eine personelle Erneuerung führe zu einem inhaltlichen Umdenken. An den jetzigen Akteuren hafte der Makel der Schröderschen Agenda-Politik: "Die Schröder-Jahre waren erfolgreich für Schröder, nicht für die SPD."
Für diese Aussage gab es Zustimmung: Von der rot-grünen Schröder-Regierung hatten viele einen Neuanfang erwartet, stattdessen gab es massive Kürzungen im Sozialbereich und den ersten Kriegseinsatz nach 1945. Das habe gerade jüngere Menschen abgeschreckt - leider, denn die seien keineswegs politisch desinteressiert. Allerdings engagierten sie sich lieber in konkreten, kurzfristigen Projekten. Die Ochsentour durch die Parteiorganisation sei eine abschreckende Vorstellung.
Neue Wege, alte Werte?
Woran das liegt? Vor allem daran, dass viele das Gefühl haben, dass es dabei weniger um inhaltlichen Austausch als um die Vergabe von Posten gehe, wie zwei der Teilnehmer anhand eigener Erfahrungen deutlich machten: innerparteiliche Prozesse als abschreckende Machtspiele. Zudem sei die SPD nicht besonders offen für neue Formen der Zusammenarbeit, etwa mit Organisationen, die inhaltliche Positionen der SPD teilten. Es gebe da eine Generation in der Partei, die auf Tradition setze und sich neuen Möglichkeiten verschließe.
Der Bedarf über die SPD, über ihre inhaltliche Ausrichtung und über ihre Werte zu diskutieren war groß. Genau wie jener, über die größten Probleme dieser Gesellschaft zu sprechen. Für viele im Raum, darunter Stahlberg, ist das Hauptproblem die Arbeitslosigkeit. Die SPD muss Antworten auf zentrale gesellschaftliche Fragen suchen. Und sie muss neue Wege des Dialogs mit den Menschen finden. Gesprächsabende, wie der von Jan Henrik Stahlberg und dem vorwärts initiierte, können zu einer Öffnung der SPD beitragen.