Warum das Ende der Schuldenbremse eine Chance für die Wirtschaft ist
Investitionen in Höhe von 500 Milliarden Euro und das Lockern der Schuldenbremse machen den Weg frei für neues Wirtschaftswachstum. Das ist eine Riesenchance, birgt aber auch Risiken.
Florian Gaertner/photothek
Am Ende ging es doch ganz schnell: Mit breiter Mehrheit änderte der Bundestag am 18. März 2025 das Grundgesetz mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und Grünen.
Am Ende ging es sehr schnell: Keinen Monat nach der Bundestagswahl ist die strenge Schuldenbremse, wie wir sie kannten, Geschichte. Nun dürfen nach dem Grundgesetz Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts unbegrenzt über Kredite finanziert werden, die Länder dürfen 0,35 Prozent des BIP zusätzlich pro Jahr an Schulden aufnehmen, und über die kommenden zwölf Jahre dürfen über ein Sondervermögen noch einmal Investitionen in Höhe von 500 Milliarden Euro kreditfinanziert werden.
Für Deutschland ist diese Grundgesetzänderung eine riesige Chance. Die Schuldenbremse trägt eine wichtige Mitschuld an der Wachstumsschwäche Deutschlands über die vergangenen Jahre. Zum einen hat sie verhindert, dass Bund und Länder kreditfinanziert die öffentlichen Investitionen hochfahren, um den Verfall von Straßen, Brücken, Schienen und Schulen umzukehren. Zum anderen hat sie nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Herbst 2023 dazu geführt, dass die Ampel-Koalition sich genötigt fühlte, mitten in der Konjunkturkrise fiskalpolitsch zu bremsen.
Langfristiger Wachstumsschub möglich
Simulationen verschiedener Institutionen zeigen: Richtig eingesetzt könnte vor allem ein kreditfinanziertes Investitionsprogramm Deutschland einen langfristigen Wachstumsschub bringen. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung etwa schätzt, dass bei 600 Milliarden Euro zusätzlichen öffentlichen Investitionen die Wirtschaftsleistung Deutschlands bis 2050 zusammengerechnet um 2.130 bis 4.750 Milliarden Euro höher ausfallen könnte.
Forschungsinstitute und Bankvolkswirte haben so auch schon alleine aufgrund der Aussicht auf steigende Ausgaben für Infrastruktur und Rüstung ihre Wachstumsprognosen für Deutschland hochgesetzt. Frühindikatoren wie das Ifo-Geschäftsklima haben nach der Ankündigung der Grundgesetzänderung bereits nach oben gedreht. Die Chancen stehen gut, dass das Investitionspaket jetzt einen Stimmungsumschwung bringt, der Deutschland aus der Flaute und zurück auf einen Wachstumspfad von knapp unter zwei Prozent führt.
Investitionen generationengerecht einsetzen
Ganz zentral bleibt für ein solches Ergebnis aber die Einschränkung „richtig eingesetzt“. In der Summe sind die neuen Kreditspielräume gewaltig. Insbesondere durch die Spielräume für Verteidigungsausgaben könnte die Schuldenquote spürbar steigen. Die Spielräume für Investitionen dagegen sind zwar gestiegen, bleiben aber begrenzt.
Diese Kombination ist ökonomisch nicht unproblematisch: Es sind die Investitionen, die das künftige Wachstumspotenzial erhöhen und damit für mehr Steuereinnahmen in der Zukunft sorgen. Höhere Verteidigungsausgaben tun das nicht. Kredite für Investitionen sind damit wesentlich generationengerechter und besser zu rechtfertigen als Kredite für Verteidigung oder für Transfers.
500 Milliarden Euro für neue Investitionen
Es ist deshalb wichtig, dass auch tatsächlich alle 500 Milliarden Euro vollständig in neue Investitionen fließen. Angesichts der Löcher in den öffentlichen Haushalten ist die Verlockung gewaltig, vielleicht die ein oder andere bisherige Ausgabe so umzudeklarieren, dass man diese doch aus dem Sondervermögen finanziert, sodass Spielräume freiwerden für Lieblingsprojekte einzelner Parteien, die kein oder kaum Wachstum schaffen – Stichwort Mütterrente, Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie oder Steuersenkungen für die Reichen.
Diese Strategie ist aus zwei Gründen gefährlich: Zum einen steigt so die Schuldenquote, ohne dass die künftige Wirtschaftsleistung zulegt. Kreditspielräume, die Deutschland zweifellos hat, würden so ohne positiven Effekt verspielt. Zum anderen drohen die Wählerinnen und Wähler massiv enttäuscht zu werden: SPD und Union haben mit der Einrichtung des Sondervermögens für Investitionen versprochen, dass endlich die Infrastruktur in Deutschland und damit die ganz konkrete Lebensrealität vor Ort verbessert wird. Wenn die Bürgerinnen und Bürger zur nächsten Bundestagswahl hier keine sichtbaren Fortschritte sehen, dürften sie – zu Recht – erbost sein und könnten sich weiter populistischen Kräften zuwenden. Um das zu verhindern, müssen Investitionen jetzt schnell, effizient und sichtbar umgesetzt werden, und der Versuchung der Umschichtung von Mitteln aus dem Sondervermögen Infrastruktur muss auf jeden Fall widerstanden werden.
ist Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.
wunderbar, wenn die Schuldenbremse beendet ist, braucht man
nicht mehr mit den Sondervermögen rumeiern- das war und ist ja reichlich nervend, wenn immer wieder spitzfindig darauf verwiesen wird, dass dies ja doch auch Schulden sind. Das Ende der Schuldenbremse beendet derart unwürdige und im Ergebnis doch unvernünftigen Debatten ein Ende. Gut so, weiter so, SPD.
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dass das Investitionspaket jetzt einen Stimmungsumschwung bringt“. Als Nationalökonom weiß Prof. Dr. Dullien, wovon er spricht. In diesem wirtschafts-psychologischen Sinne könnte das sogar für das „Lockern der Schuldenbremse“ bei Militärausgaben gelten. Realwirtschaftlich allerdings ist „diese Kombination ökonomisch nicht unproblematisch: Es sind die Investitionen, die das künftige Wachstumspotenzial erhöhen und damit für mehr Steuereinnahmen in der Zukunft sorgen. Höhere Verteidigungsausgaben tun das nicht“. Vielmehr muss man als Volkswirtschaftler davon ausgehen, dass „durch die Spielräume für Verteidigungsausgaben die Schuldenquote spürbar steigen könnte“. Hier formuliert Prof. Dullien sehr zurückhaltend. Im Grundsatz wird 2% mehr für Militärausgaben das BIP entsprechend inflationär erhöhen. Die Schuldenquote bleibt also gleich. Aus Sicht der Schuldenquote müssten die Kredite also nicht einmal zurückgezahlt werden.
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Die Belastung in der Zukunft beschränkte sich dann auf die steigenden Zinsen für die aufgenommenen Kredite. Politiker wissen das und planen das ein, sagen es aber nicht. Ausnahme: Der derzeitig Ostbeauftragte der Bundesregierung füllte damit die Fernsehzeit zwischen Wahl und Ergebnisfeststellung, als der alte Bundestag über diese Schuldenermächtigung für den neuen positiv abstimmte.
Wir sollten uns an Prof. Dullien erinnern, wenn demnächst über die segensreichen wirtschaftlichen Folgen der Aufrüstung gestritten wird.
Rahmenbedingungen statt Schulden sind der Schlüssel.
WIrtschaftliches Wachstum braucht gute Rahmenbedingungen. Und diese schafft ein schuldenfinanziertes Strohfeuer gerade nicht. Statt den Schuldenstand immer weiter zu erhöhen, und Gelder in aller Welt zu verprassen, wären den Standort Deutschland stärkende Maßnahmen bitter notwendig, als da wären: Senkung von Einkommens- und Unternehmenssteuern, Senkung von Leistungen für nicht Arbeitswillige, Beschränkung des Zuzuges von Unqualifizierten, Lockerung des Kündigungsschutzes, Ende der "Scheinselbständigkeit", Abbau der Bürokratie (e.g. weg mit Lieferkettengesetz, weg mit sinnlosen Dokumentationspflichten vieler Art), Ausbau von Forschung und Lehre in den Fachbereichen MINT und Wirtschaftswissenschaften, Schaffung von Investitionssicherheit (e.g. Senkung der Erbschaftssteuer, Ende der Diskussionen um Einführung einer Vermögenssteuer, Abschaffung der Wegzugssteuer), Bereitstellung preiswerter Energie statt Klimaabgaben.
Die Geldgießkanne bringt gar nichts. Außer noch höhere Schuldenlast.