Kultur

Die besten Jahre

von Dagmar Günther · 20. November 2007

Altern ist nichts für Feiglinge, bemerkte einst die amerikanische Schauspielerin Mae West. "Es verlangt aber nicht nur Mut, sondern auch Reflexion, mitunter Humor, aber auch die Lust am Leben", schreiben die Autorinnen Monika Schuck und Bärbel Schäfer im Vorwort. Nicht zu unrecht, wie den Gesprächen zu entnehmen ist, die sie mit Frauen im Alter von 30 bis 100 Jahren führten.

Ab wann ist man alt? Modells, Sportlerinnen und Tänzerinnen sind es schon mit 30, während Professorinnen mit 40 als jung gelten. Mit 45 können Frauen ebenso gut Mutter wie Großmutter sein. Man ist so alt, wie man sich fühlt, sagt der Volksmund, aber der wird ja auch nicht alt. Und so erzählen die Frauen ganz unterschiedliche Geschichten von ihrem Umgang mit dem Altern.

Nur keine Einsamkeit

Es gehöre einfach dazu, bringt die 94-jährige Rentnerin Gisela Müller de Reichmann es auf den Punkt: "Ich habe nichts gegen das Alter. Einer vergangenen Jugend hinterherzuweinen, ist doch absurd". Als es Zeit war, ins Altersheim zu gehen, weil sie alleine nicht mehr klarkam, tat sie es einfach. Sie fühlt sich sicher dort und ist niemals allein.

Und das Alleinsein ist es, was viele fürchten. Sie "mache sich nur Sorgen über das Alter, wenn sie an die Einsamkeit denke", sagt die 34-jährige Maskenbildnerin Deniz Ceri. Und kritisiert: Frauen sollten sich nicht ständig vergleichen, ob die andere schöner oder schlanker sei oder gar versuchen Idealen zu entsprechen. "Ich finde, es gibt keine unattraktiven Frauen, im Gegenteil, beim Make-Up einer Siebzigjährigen muss ich oft weniger tun als bei einer Jüngeren. Gerade hat sie ein Studium mit dem Schwerpunkt Sterbebegleitung aufgenommen. Alte und Junge sollten einander beistehen, meint sie. "Ich kann weder verstehen, dass junge Leute sooft ungeduldig mit den Alten sind, noch dass die Alten den Jungen nicht zur Last fallen wollen. Es gibt eine Verantwortung füreinander, der man gerecht werden muss".

Gegen Altersdiskriminierung

Von Verantwortung ganz anderer Art spricht Hanne Schweitzer, die ein Büro gegen Altersdiskriminierung leitet. ""Die Leute hier müssen endlich begreifen, dass sie sich um ein selbstbestimmtes Leben im Alter kümmern müssen. Es ist schließlich ihr Leben und ihr Alter." Vehement sagt die Journalistin dem momentan herrschenden Jugendwahn den Kampf an. Vielleicht ist ihr Alter deshalb nicht zu erfahren?

Nina Ruge (50) ist davon überzeugt, " dass man nur jung bleibt, wenn man weitermacht. Sobald man aufhört, wird man alt. Man muss sich fordern, geistig und körperlich". Wie viele andere entdeckt sie auch Angenehmes am Alter: "Man muss den Dingen nicht mehr hinterher jagen, weil man schon vieles erlebt hat. ... Ich glaube, erst in einem gewissen Alter spürt man, dass nur das Geschenk des Lebens uns glücklich macht. Interessen konsequent zu leben und sich nicht in Ablenkung zu verlieren. Mit Menschen zu leben, die man liebt und die das Leben lieben, darauf kommt es an."



Glückliches Altern


Es gibt sie also die Chance, wenn auch nicht körperlich, so doch geistig jung zu bleiben. Marie-Luise Marjan, die Mutter Beimer aus der Lindestraße fühlt sich gar alterslos. Sie ist sich sicher, dass das an ihrem fröhlichen Wesen liegt. Da ist es wieder dieses innere Leuchten, das älteren Menschen ausstrahlen "sofern sie glücklich altern" (Nina Ruge).

Was aber ist Glück? Menschen, auf die Verlass ist, eine Familie, die zusammenhält und das Gefühl gebraucht zu werden: So sieht es auch die 37-jährige Christine Sparr. Sie hat schon viel durchgemacht, lebt derzeit von Hartz IV. Aber sie gibt nicht auf, hat die Essenausgabe der Offenbacher Tafel aufgebaut. "Meine Kinder und mein Freund halten mich für verrückt, weil ich ehrenamtlich so viel Einsatz leiste. Ich bin anderer Meinung. Ich habe so viel erlebt, ich muss etwas gutmachen."

Mit 37 schon so viel durchgemacht. Alter ist relativ und es hat viele Facetten. "Das Angenehme am Alter ist, das man weiß, wer man ist", sagt die 90-jährige Psychoanalytikerin. Margarete Mitscherlich. Und die sollte es wissen.

Die Autorinnen geben dem, Schriftsteller Max Frisch Recht, der meint "Frauen altern besser". Lesen Sie, was die Gesprächspartnerinnen erzählen. Ihre Geschichten rühren an und rütteln auf. Sie sind ein Geschenk für Jung und Alt.

Dagmar Günther

Bärbel Schäfer/Monika Schuck: Die Besten Jahre, Gustav Kiepenheuer Verlag, Berlin 2007, 284 Seiten, 19,95 Euro, ISBN 978-3-378-01091-8

Autor*in
Dagmar Günther

war bis Juni 2022 Chefin vom Dienst des vorwärts.

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