Wer versteht was von Wirtschaft? Nicht die CDU
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Keiner Partei wird in Umfragen mehr Wirtschaftskompetenz zugeschrieben als der CDU mit ihrem Protagonisten Friedrich Merz. Ähnlich wie bei der FDP speist sich diese Zuschreibung vor allem aus einer Nähe zur Wirtschaft, die z.B. bei Friedrich Merz mit seinen langjährigen Verbindungen zu einer der größten Investmentgesellschaft ohne Zweifel gegeben ist. Nähe mit Kompetenz gleich zu setzen ist ein gerade für die Wirtschaft gefährlicher Trugschluss. Nicht nur kommt es leicht – wie bei den diversen Maskengeschäften – zu unappetitlichen Grenzüberschreitungen, sondern der Blick aus dieser einzelwirtschaftlichen Perspektive ist zwangsläufig sehr verengt, was sich als schwere Bürde für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung erweisen kann.
Die CDU steht sich selbst im Weg
Das lässt sich sehr deutlich an den wirtschaftspolitischen Herausforderungen dieser Tage verdeutlichen. Es ist zwischen allen demokratischen Parteien nahezu unbestritten, dass unsere Wirtschaft an der Schwelle zu einem digitalen und ökologisch nachhaltig produzierenden Zeitalter steht. Diese Schwelle wird aber nicht automatisch überschritten, sondern es bedarf massiver Investitionen, um die Wirtschaft in Deutschland nicht nur für diese Anforderungen umzurüsten, sondern sie zugleich auch wettbewerbsfähig zu halten und den sozialen Zusammenhalt sichern, ohne den ein solcher Umstieg nicht gelingen kann.
Damit steht die nicht ganz einfache Frage nach der Finanzierung dieser notwendigen Investitionen im Raum, die zu einem großem Teil aus öffentlichen Mitteln geschehen muss. Bei der Antwort auf diese Frage steht sich die CDU mit ihrer Nähe zur Wirtschaft selbst im Weg – und zwar gleich doppelt.
Bedingungslose Treue zur Schuldenbremse
Es ist völlig klar, dass die einzelnen Unternehmen, und aus ihrer Sicht durchaus verständlich, keine Steuererhöhungen wollen. Deshalb macht sich die CDU diese Forderungen zu eigen, teilweise werden sogar weitere Senkungen der Unternehmens- und Einkommenssteuer gefordert, was den Finanzbedarf des Staates für den notwendigen Umstieg noch erhöht. Das macht den Umstieg finanziell noch schwieriger. Als wäre dies nicht genug, wird noch ein zweites Hindernis aufgebaut: Die bedingungslose Treue zur Schuldenbremse. Sie wird von vielen in der CDU als harter Kern ihres wirtschaftspolitischen Programms gesehen.
Auch diese Überzeugung speist sich letztlich aus einem einzelwirtschaftlichen Verständnis von Wirtschaft, das Staatsschulden wie Privatschulden versteht, die beizeiten von der jüngeren Generation zurückzuzahlen wären. Das ist ein fundamentaler Irrtum. Denn anders als Privathaushalte ist der Staat weder sterblich noch neigt er dazu, sich abzusetzen. Zudem verfügt er über ein gesichertes Steueraufkommen. Mit anderen Worten: Staatsschulden sind aus Sicht der Gläubiger gerade in ansonsten unsicheren Zeiten bedeutend sicherer als Privatschulden.
Deshalb sind die Zinsen für Staatsanleihen so niedrig und liegen teilweise sogar unter Null, so dass der Staat noch Geld geschenkt bekommt, wenn er sich verschuldet. All dies bedeutet auch, dass die Gläubiger bereit sind, die Rückzahlung der Schulden immer wieder zu verlängern, so dass die Belastungen sehr gleichmäßig über einen langen Zeitraum verteilt werden können. Zudem kommen künftige Generationen die Erträge der Investitionen von heute zu Gute.
Die CDU ist ideologisch eingemauert
Zu einem solchen gesamtwirtschaftlichen Verständnis von Staatsschulden ist die CDU von heute aber entweder nicht fähig oder sie ist hierzu nicht bereit. Derartig zwischen Steuer- und Schuldentabus ideologisch eingemauert, erscheint höchst zweifelhaft, ob mit dieser CDU die für die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands notwendigen Investitionen erbracht werden können.
Da hilft auch der von Armin Laschet vorgeschlagene Deutschlandfonds nicht. Er soll ausgestattet mit öffentlichem Kapital, aber unabhängig vom Staatshaushalt, mit Unterstützung privater Anleger Schulden aufnehmen können, um die Investitionen zu finanzieren. Dieser Weg ist wegen der höheren Zinsen deutlich teurer als die direkte Finanzierung durch den Staat. Man kann also entweder weniger investieren oder muss in der Zukunft höhere Zinslasten tragen. Ideologie rechnet sich nicht.
Die CDU ist also wirtschaftspolitisch derzeit nicht auf der Höhe der Zeit. Zeit für einen Wechsel.
ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.