Meinung

Warum die SPD 2019 die Klimapolitik in den Vordergrund rücken muss

Die Empfehlungen der Kohlekommission zeigen, dass in wichtigen Fragen gute Kompromisse möglich sind. Die SPD muss nun in diesem Jahr die Klimapolitik in den Vordegrund stellen, meint Fraktionsvize Matthias Miersch. Die große Koalition kann hier beweisen, dass sie leistungsfähig ist.
von Matthias Miersch · 30. Januar 2019
Die EU-Kommission will den CO2-Emissionshandel teurer machen – Kohlekraftwerke dürften dann schnell unrentabel werden.
Die EU-Kommission will den CO2-Emissionshandel teurer machen – Kohlekraftwerke dürften dann schnell unrentabel werden.

Das Ergebnis der Strukturwandelkommission zeigt, wie ein belastbarer Konsens bei einer entscheidenden Zukunftsfrage gelingen kann: Für einen Erfolg in der Klimapolitik müssen Klimaschutz, die Interessen der betroffenen Regionen, der Beschäftigten sowie der Wirtschaft zusammengebracht werden. Darüber hinaus ist ein starker Staat notwendig, der Investitionen fördert und soziale Härten abfedert. Die SPD muss zukünftig noch viel deutlicher machen, dass für sie Fortschritt immer das Zusammendenken von Umwelt- und Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Vernunft bedeutet.

Betroffene wurden zu Beteiligten gemacht

Dieses Ziel der SPD ist bei der Einsetzung der Kommission aufgegangen, deren Einrichtung auf Initiative von uns eingesetzt wurde: Betroffene wurden zu Beteiligten gemacht und so ein Konsens der gesellschaftlichen Akteure erreicht. Das ist ein wichtiges Zeichen unserer demokratischen Gesellschaft. Weil alle beteiligten Gruppen konstruktiv gearbeitet und auf Populismus verzichtet haben, ist dieser historische Kompromiss möglich geworden. Ein belastbarer Kohleausstiegspfad, die Rettung des Hambacher Forstes und die Gestaltung des Strukturwandels sind wichtige Erfolge. Das macht Mut für die bevorstehenden Herausforderungen im Mobilitäts- und Gebäudesektor. Nun muss der Gesetzgebungsprozess schnell beginnen.

Das Ergebnis der Strukturwandelkommission ist auch deshalb so wichtig, weil es aufzeigt, wie eine Politik gelingen kann, die die planetaren Grenzen nicht gefährdet. Als planetare Grenzen werden ökologische Grenzen der Erde bezeichnet, deren Überschreitung die Stabilität des Ökosystems und die Lebensgrundlagen der Menschheit gefährdet. Von den derzeit neun planetaren Grenzen, die einen sicheren Handlungsspielraum für die Menschheit festlegen sollen, sind die Grenzen bei Klimawandel, Biodiversität, Landnutzung und biogeochemische Kreisläufe bereits überschritten.

Wie wichtig die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit für SPD-Mitglieder sind, zeigen viele Umfragen. Auch das Debatten-Camp im vergangenen November zeigte, dass sehr viele SPD-Mitglieder die Themen Umwelt und Klima ganz nach oben auf die Tagesordnung setzen wollen. Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind Zukunftsthemen. Eine Partei, die für sich den Anspruch erhebt, die auf der Höhe der Zeit sein zu wollen, muss bei diesen Themen gut aufgestellt sein.

Steuern und Abgaben auf Nachhaltigkeit ausrichten

2019 muss für uns das Jahr sein, in dem wir gemeinsam die Klimapolitik in den Vordergrund rücken. Im Koalitionsvertrag hat die SPD durchgesetzt, dass wir in diesem Jahr das Klimaschutzgesetz verabschieden wollen und so zum ersten Mal die Klimaziele für Deutschland gesetzlich und somit verbindlich festlegen. Mit diesem Gesetz und dem dazugehörigen Maßnahmenpaket wollen wir gewährleisten, dass wir das Klimaziel für 2030 sicher erreichen. Deutschland hat sich verpflichtet, seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Das langfristige Ziel für das Jahr 2050 ist, dass wir in Deutschland weitestgehend treibhausgasneutral produzieren und leben. Das heißt ganz konkret: Wir müssen uns von den fossilen Energieträgern verabschieden. Uns bleiben dafür gut 30 Jahre Zeit, die wir nutzen müssen.

In der öffentlichen Debatte steht meist der Ausstieg aus der Kohleverstromung im Vordergrund. Nicht so sehr im öffentlichen Fokus, aber für den Klimaschutz von hoher politischer Relevanz, ist das Steuer- und Abgabensystem. Dabei geht es nicht nur um die CO2-Bepreisung, die endlich eingeführt werden muss. Sondern darum, dass alle Steuern und Abgaben auf ihre Wirkung auf Nachhaltigkeit überprüft werden. Auch die umweltschädlichen Subventionen müssen wir in den Blick nehmen. Nach Angaben des Umweltbundesamtes beliefen sich die umweltschädlichen Subventionen im Jahr 2012 auf über 57 Milliarden Euro. Sie belasten den Staatshaushalt doppelt. Zunächst durch Mindereinnahmen des Staates, später durch erhöhte Kosten für die Beseitigung von Schäden an Umwelt und Gesundheit.

Es ist sinnvoller, die umweltschädlichen Subventionen Schritt für Schritt abzubauen und die dadurch zur Verfügung stehenden Gelder für ein milliardenschweres staatliches Investitionsprogramm „Zukunft“ zu verwenden und damit die große Energie-, Mobilitäts-, Landwirtschafts- und Wärmewende zu ermöglichen. Dabei müssen wir soziale Fragen immer zusammen mit ökologischen Fragen denken.

Megatrends verändern die Mobilität

Die Automobilindustrie ist im Umbruch. Digitalisierung, Automatisierung der Produktion, neue Mobilitätskonzepte, Elektrifizierung und Anforderungen an die Effizienzsteigerungen der Fahrzeuge verändern unsere Mobilität. Diesen Wandel gilt es zu gestalten. Denn Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Deutschland lassen sich langfristig nicht dadurch sichern, dass Veränderungen möglichst lange hinausgezögert werden. Wer sich über die Kampagnen der Deutschen Umwelthilfe aufregt, verkennt die wahren Herausforderungen für die Autoindustrie. Dies ist nicht die Deutsche Umwelthilfe, sondern die Konkurrenz aus Kalifornien und China.

Die aufstrebende IT-Branche, aber auch die industriepolitischen Zielsetzungen Chinas nehmen die deutsche Automobilindustrie in die Zange und stellen das bisherige Geschäftsmodell in Frage. Der sozialdemokratische Anspruch ist es, diesen Transformationsprozess ökologisch und sozial verträglich zu gestalten. Für den Arbeitsmarkt sind effektive und umfassende wirtschafts- und arbeitspolitische Maßnahmen unerlässlich, um die Beschäftigung in Deutschland und Europa zu sichern.

Mobilität und Städteplanung sind zentral für erfolgreichen Klimaschutz

Damit der Verkehrssektor seinen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leistet, müssen die CO2-Emissionen des Verkehrs drastisch reduziert werden. Neben der Steigerung der Effizienz von PKW und Nutzfahrzeugen gehören dazu auch ein attraktiverer Öffentlicher Personennahverkehr, Mobilitätskonzepte wie Carsharing oder Modellprojekte für das Verkehrsangebot im ländlichen Raum. Damit mehr und mehr Menschen das Auto stehen lassen und auf die Bahn umsteigen können, muss ein Schwerpunkt sein, dass die Deutsche Bahn pünktlicher und zuverlässiger wird. Es ist ein monetärer Fehlanreiz, dass Inlandsflüge teilweise billiger sind als die entsprechenden Bahntickets. Kerosin ist immer noch von der Mineralölsteuer befreit.

Damit genießt ausgerechnet der besonders klimaschädliche Flugverkehr ein enormes Steuerprivileg gegenüber allen anderen Verkehrsträgern. Um im Straßenverkehr die Nachfrage nach effizienteren PKW anzureizen, sollten wir über die Regelungen zur steuerlichen Behandlung von Dienstwagen sprechen. Denn ein großer Teil der neu zugelassenen PKW sind Dienstwagen. Das Forum Ökologische Marktwirtschaft und die Umweltverbände schlagen vor, dass die steuerliche Absetzbarkeit von Firmenwagen an den spezifischen CO2-Ausstoß des Fahrzeugs gekoppelt wird. Ein Vorschlag, der im Gesamtpaket für die Erreichung der Klimaziele eine wichtige Rolle spielen kann.

Die vom Bundesverkehrsministerium eingesetzte Kommission erarbeitet gerade Vorschläge, wie der Verkehrssektor seine Klimaziele erreichen kann. Ergebnisse sollen im März vorgelegt werden. Diese Ergebnisse, sowie die Ergebnisse der Kommission für den Gebäudebereich, werden in das Maßnahmenpaket einfließen, das wir verabschieden wollen, um das Klimaziel 2030 sicher zu erreichen. In den nächsten Monaten werden dazu harte und kontroverse Verhandlungen mit CDU/CSU anstehen.

Ende 2019 wird zudem die Revisionsklausel des Koalitionsvertrags wirksam werden: Da wird es meiner Ansicht nach eine wichtige Frage sein, ob es bis dahin zu einem wirkungsvollen Klimaschutzgesetz kommt. Hier kann die Koalition beweisen, dass sie leistungsfähig ist.

Autor*in
Matthias Miersch
Matthias Miersch

ist stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und zuständig für die Bereiche Umwelt, Klimaschutz, Energie, Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz.

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