Meinung

Verkehrsminister Scheuer: Der Schutz von Raser*innen hat bei ihm System

Eigentlich sollte die Novelle der Straßenverkehrsordnung Raser*innen stärker bestrafen. Doch wegen eines Formfehlers des Bundesverkehrsministeriums kommt es vorerst nicht dazu. Statt Verantwortung zu übernehmen, will Minister Andreas Scheuer die Neuregelung schleifen. Ein Vorgang mit System.
von Kai Doering · 13. Juli 2020
Schutzheiliger der Schnellfahrer*innen: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer will mildere Strafen für Raser*innen.
Schutzheiliger der Schnellfahrer*innen: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer will mildere Strafen für Raser*innen.

Auf Andreas Scheuer ist Verlass. Wer gerne schnell Auto fährt, ist beim Bundesverkehrsminister an der richtigen Adresse. Als eine Kommission der Bundesregierung im vergangenen Jahr zu einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen riet, bezeichnete Scheuer das als „gegen jeden Menschenverstand“.

Und als sich bei der Reform der Straßenverkehrsordnung (StVO) höhere Strafen für Raser*innen andeuteten, machte der Minister früh mobil. Durchsetzen konnte er sich indes nicht: Vor allem die Bundesländer forderten höhere Bußgelder und schärfere Strafen bei Geschwindigkeitsverstößen. Ende April beschloss der Bundesrat einstimmig die StVO-Novelle, die u.a. frühere Möglichkeiten, den Führerschein zeitweise zu entziehen, vorsieht. Das Signal war klar: Rasen ist kein Kavaliersdelikt, sondern gefährdet Menschenleben.

Von Verantwortung will Andreas Scheuer nichts wissen

Doch nun hat Andi Scheuer, der Schutzheilige der Raser, zurückgeschlagen. Wegen eines handwerklichen Fehlers seines Ministeriums – in der Verordnung wurde die sogenannte Ermächtigungsgrundlage nicht zitiert – sind die erst Ende April in Kraft getretenen Regelungen zu Fahrverboten und Bußgeldern bis auf weiteres unwirksam. Dass der Hinweis darauf offenbar vom ADAC kam, ist mehr als nur eine Randnotiz.

Entscheidend ist jedoch, wie Scheuer mit seinem Fehler umgeht. Die Bundesländer hätten seinen Gesetzentwurf verschärft, also seien sie verantwortlich. Und im übrigen sei dem Bundesjustizministerium ja auch nichts aufgefallen, argumentiert der Minister. Von eigener Verantwortung will Scheuer dagegen – ähnlich wie beim Maut-Debakel – nichts wissen.

Fußgänger*innen und Radfahrer*innen sind Scheuer egal

Schließlich scheint die Außerkraftsetzung der neuen Regelungen Andreas Scheuer gut in den Kram zu passen. Das Bundesverkehrsministerium jedenfalls hat die Bundesländer aufgefordert, die Novelle nicht anzuwenden und Bußgelder bis auf weiteres nach dem alten Katalog zu erheben. Das gesamte Verfahren könnte damit auf null gesetzt werden. Der ADAC jubelt. Und Minister Scheuer hat bereits angekündigt, die „erheblichen Ungereimtheiten im Sanktionsgefüge“, die durch die Verschärfungen des Bundesrats entstanden seien, „korrigieren“ zu wollen.

Was das bedeutet, dürfte klar sein: Statt wie beabsichtigt, Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen besser zu schützen, wird Andreas Scheuer alles daransetzen, für „Verhältnismäßigkeit“ im Straßenverkehr zu sorgen. Und das bedeutet für den Verkehrsminister: freie Fahrt für Autofahrer*innen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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