Meinung

Ungezähmt an der Macht: Wie Rechtspopulist*innen die Demokratie aushöhlen

In einer Regierungskoalition sind rechtspopulistische Parteien gefährlicher denn je. Das Beispiel Schweden ist eine Warnung, so Ex-Regierungschefin Magdalena Andersson in einem Gastbeitrag.

von Magdalena Andersson · 19. Februar 2024
Plakate der "Schwedendemokraten"

"Kriminelle Ausländer ohne Gerede ausweisen": Plakate der rechtspopulistischen Partei Schwedendemokraten zur Parlamentswahl im Jahr 2022

Noch nie zuvor war in Schweden eine von Neonazisten gegründete nationalistische und populistische Rechtspartei an der Macht. Seit dem Jahr 2022 aber ist das so.

Als unsere traditionellen rechtsgerichteten konservativen Parteien beschlossen, mit den Schwedendemokraten zusammenzuarbeiten, argumentierten manche, dass wir uns nicht beunruhigen müssten. Schweden sei eine gereifte Demokratie und die Rechtspopulisten, wenn sie an der Macht seien, würden aus diesem Grund ihre Rhetorik abschwächen. Vor allem glaubten die Befürworter der Zusammenarbeit, die traditionellen Rechtsparteien würden die Schwedendemokraten kontrollieren können.

Schwedens Erfahrungen der letzten eineinhalb Jahre sollten anderen Ländern eine Warnung sein. Die schwedischen Rechtspopulisten sind keineswegs bezähmt.

Im Gegenteil, es sind die traditionellen rechten Parteien, die sich in raschem Takt den Schwedendemokraten immer weiter annähern, die innerhalb der regierenden Koalition zwar die stärkste Partei, aber nicht in der Regierung selbst vertreten sind. 

Einwanderungspolitik der Schwedendemokraten übernommen

Die rechtskonservativen Parteien haben die gesamte Einwanderungspolitik ihres neuen Kooperationspartners sowie dessen Politik zur Verbrechensbekämpfung übernommen, während die Schwedendemokraten im Gegenzug auf Ministerposten verzichteten. Und soweit wir sehen können, ist es den Rechtspopulist*innen möglich, gegen alle Regierungsbeschlüsse ihr Veto einzulegen.

Inzwischen sind die Rechtspopulist*innen in ihrer antidemokratischen Rhetorik noch schärfer geworden. Aber wir hören von ihnen kein Wort darüber, wie sie Familien mit Kinder unterstützen wollen, die in der Inflationskrise der letzten Jahre nicht wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen oder Essen auf den Tisch bringen können. Vor drakonischen Einsparungen angesichts dieser Krise haben die Rechtspopulist*innen weder die Schulen noch das Gesundheitswesen geschützt. 

Mit voller Kraft haben sie stattdessen ihren Kulturkrieg gegen unsere demokratischen Institutionen und gegen das Vertrauen und das Gemeinschaftsgefühl innerhalb unserer Gesellschaft fortgesetzt. Diese Angriffe aber erfolgen jetzt aus einer Position der Macht.

Denunziationen und verbale Attacken

Die Schwedendemokraten richten eine „drain-the-swamp“-Rhetorik gegen unsere Behörden, gegen die Medien (insbesondere die staatlichen Medieneinrichtungen) und die Zivilgesellschaft.

Wir haben gesehen, wie rechtspopulistische Vertreter einzelne unpolitische Beamte als Aktivisten denunzieren. Wenn die Schwedendemokraten daran mitwirken, einen Generaldirektor auszuwechseln, deklarieren sie dies enthusiastisch als „Großreinemachen“ der schwedischen Behörden. 

Vertreter*innen der Regierungsbasis stellen aktiv die Legitimität von Journalist*innen in Frage, wenn diese die Machthaber kritisch bewerten, gleichzeitig üben sie Druck auf freie Medien und den öffentlichen Dienst aus und attackieren diese verbal. 

Magdalena Andersson

Autoritäre Kräfte sind auf dem Vormarsch. Schwedens Beispiel zeigt, wie wichtig und notwendig es ist, ihnen keine Macht zu geben.

Und wenn eine Organisation der Zivilgesellschaft Einwände gegen die Politik der regierenden Koalition erhebt, drohen ihr die Schwedendemokraten mit einer Kürzung der finanziellen Mittel. Andere ideelle Organisationen, die staatlich gefördert werden, überlegen sich jetzt sicher sehr genau, ob sie diese Regierung kritisieren.

Provokationen gegen Islam auf neuem Niveau

Die meiste Energie aber verwenden die Rechtspopulist*innen auf ihre Erzählung von den Muslim*innen als Bedrohung Schwedens. Dass die Schwedendemokraten die Religion des Islam als Bedrohung der westlichen Zivilisation betrachten, wissen wir. Doch seit sie der Regierungskoalition angehören, haben ihre Provokationen ganz neue Höhen erreicht.

Als im letzten Jahr eine Reihe von Koranverbrennungen dazu beigetragen hatte, die Terrorgefahr in Schweden zu erhöhen, da fand ein führender Schwedendemokrat – ausgerechnet auch Vorsitzender im Justizausschuss des Reichstags – man solle „Hunderte weitere verbrennen“.

Nach verhaltenen Ermahnungen seitens des Staatsministers setzten die Schwedendemokraten ihre Rhetorik in unverminderter Stärke fort. Äußerungen, die Hass und Hetze gegen Muslime verbreiteten, folgten aufeinander.

Noch im November letzten Jahres hielt der Parteiführer der Schwedendemokraten Jimmi Åkesson vor seiner Partei eine Rede: Schweden müsse anfangen, Moscheen zu beschlagnahmen und abzureißen, sagte er. Neue Moscheen dürften nicht gebaut werden und die existierenden sollten heimlich abgehört werden. Minarette, Halbmonde und andere muslimische Attribute sollten aus dem Stadtbild entfernt werden. Wenn all dies der Verfassungsänderung bedürfe, dann müsse das Grundgesetz eben geändert werden, meint Åkesson. Die Rede wurde mit stehenden Ovationen aufgenommen.

Sozialdemokratie als „Wurzel aller Probleme“

Der Staatsminister kritisierte die Rede, zog aber keinerlei Konsequenzen für die Zusammenarbeit der Koalition.

Es gehört zur Strategie der schwedischen Rechtspopulisten, meine Partei, die Sozialdemokraten, als die Wurzel aller Probleme zu beschreiben, vor denen das Land steht. Alle Probleme rühren demnach her von Migrant*innen, insbesondere Muslim*innen, und alle Zuwander*innen seien überhaupt nur mithilfe der Sozialdemokrat*innen im Lande. 

In seiner Rede behauptet Åkesson, die schwedische Sozialdemokratie sei ein „aktiver Teil der islamistischen Bewegung“ – eine Aussage, genauso anmaßend wie Putins Behauptung, Selenskyj sei ein Nazi. 

Um die Opposition zum Schweigen zu bringen, sind die Rechtspopulist*innen bereit, die Finanzierung der schwedischen Sozialdemokratie zu knebeln, indem sie dazu die Legislative instrumentalisieren. Die Schwedendemokraten bekennen zum Beispiel offen, ihr Ziel sei ein eingeschränkter Erster-Mai-Umzug.

Auf einer Linie mit autoritären Regimen

Die Entwicklung, die wir in Schweden beobachten, liegt auf einer Linie mit dem Agieren autoritärer rechter Regime in der Welt. Wo Opposition und andere kritische Stimmen zum Schweigen gebracht werden, um die eigene Macht zu stärken. Wo einzelne ethnische und religiöse Gruppen verächtlich gemacht werden.

In Schweden haben wir im letzten Jahrhundert ein Gemeinwesen errichtet, in dem die demokratischen Werte hochgehalten wurden. Wie in unseren nordischen Nachbarländern gab es ein hohes Niveau an Vertrauen – unter den Menschen und gegenüber unseren demokratischen Institutionen. Das hat Schweden starkgemacht. Doch mit den Schwedendemokraten an der Macht wird ein neues Klima spürbar, das die Demokratie und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu unterminieren droht.

In Europa und großen Teilen der Welt wird in diesem Jahr gewählt. Wir leben in einer Zeit, in der autoritäre Kräfte wieder auf dem Vormarsch sind. Schwedens Beispiel zeigt, wie wichtig und notwendig es ist, ihnen keine Macht zu geben.

Übersetzung: Ingrid Bohn 

In der ersten Fassung dieses Textes war eine Äußerung Åkessons zum Umgang mit Moscheen in Schweden leider falsch übersetzt worden. Wir haben das korrigiert. 

Autor*in
Magdalena Andersson

ist Vorsitzende der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Schwedens. Sie war von 2021 bis 2022 schwedische Ministerpräsidentin.

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12 Kommentare

Gespeichert von Tom Kaperborg (nicht überprüft) am Mo., 19.02.2024 - 13:33

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Die ueberbordende Aufnahme von Fluechtlicgen jeder Art, also echte und vorgebliche, ist das Thema. Wohnungsnot mit einhergehenden Preissteigerungen, Gewaltkriminalitaet, extremistischer Islam, steigende Sozialkosten bei gleichzeitig nicht steigender Erwirtschaftung, Probleme im Gesundheitswesen, kurzum die Infrastruktur waechst nicht mit der Aufnahme zumeist schlecht oder ungebildeter Fluechtlinge. Die CDU hat es mittlerweile verstanden, bei SPD und Gruenen habe ich da meine Zweifel. Gibt es unter diesen Aspekten keinen weitgehenden Migrationsstopp in Europa, werden wir uns mit immer mehr "rechtspopulistischen" Wahlerfolgen auseinandersetzen muessen. Wilders war das letzte Beispiel - die ansonsten doch immer sehr progressiven NL haben nun zu einem signifikanten Teil die Nase voll von den Leuten, die das ansosnten gute System ausnutzen ohne jemals Beitraege gezahlt zu haben. Was denkt hierzulande die Rentnerin, die bei meinem Hausarzt abgelehnt wurde, weil der keine Patienten mehr annehmen kann? Sie sagte "ich habe schon in der ganzen Umgebung versucht einen neuen Hausarzt zu finden". Gleichzeitig hauen sich dann Eritreer gegenseitig auf der Strasse, weil der eine Asylant gegen das dortige Regime ist und der andere "Asylant" dafuer - wer von beiden ist jetzt asylberechtigt? Die Rentnerin denkt, wie ich, "schaffen wir das Asyl einfach ab" und nehmen keine Fluechtlinge mehr auf, bis es wieder geht. Wahlsogan fuer die AFD: "Lieber 200 EUR Rente mehr als 200 Fluechtlinge in unserer Stadt". So geistig platt wird das noch werden und die AFD wird die SPD dann weit ueberholen bei den Wahlen. Meine lieben Mitrentner aeussern sich teils entsprechend. Die bisherige Prinzipienreiterei wird man nicht mehr lange durchhalten koennen - ist nur meine Meinung und die sage ich offen und ehrlich, auch als alter SPD-Waehler.

Es ist schwierig, auf Ihren Text etwas zu antworten, da leider viele Ihrer Aussagen angreifbar bzw. nicht genügend untermauert sind. Sie schreiben "überbordend", ich halte die Aufnahme von Flüchtlingen für absolut akzeptabel. Vielmehr müsste man diese, auch wenn Sie sie als " zumeist schlecht oder ungebildet" bezeichnen, so schnell wie möglich in Lohn und Brot bringen, mit allen Mitteln. Die deutsche Wirtschaft lahmt, weil wir zu wenig Personal haben, der Chef der Bundesagentur für Arbeit sagt, wir werden 2030 jeden Rentner anbetteln, weil wir keine Leute haben - und die, die zu uns kommen, wollen wir wieder loswerden. Das ist in höchstem Maße widersinnig. Wohnungsnot hatten wir auch ohne Flüchtlinge und in den Containern, in denen wir sie pferchen, würde kein Deutscher freiwillig wohnen. Gewaltkriminalität - die Zahlen gehen seit Jahren (mit Ausnahme Corona) runter. Extremistischer Islam - ja, gibt es immer noch, ist aber derzeit (!) ein Randproblem. Steigende Sozialkosten - mE wurde schon lange nichts mehr erhöht, auch weil es nicht stimmt, dass wir diese nicht erwirtschaften - noch nie waren so viele Menschen (auch Ausländer) in Deutschland erwerbstätig wie Ende des vergangenen Jahres. Probleme im Gesundheitswesen gibt es in der Tat - aber die gab es auch ohne Flüchtlinge. Das Thema "Die nutzen nur unsere Sozialsysteme aus" - haben Sie hier belastbare Zahlen? Wenn der Hausarzt niemanden mehr aufnehmen kann, liegt das nicht zwangsläufig an den Flüchtlingen. Das kann sehr gut auch daran liegen, dass es einfach nicht mehr genügend Ärzte gibt oder diese eben nicht genügend Personal finden - denn insgesamt schrumpft die Zahl der Einwohner in Deutschland immer noch. Was meinen Sie genau, was "wieder gehen" würde, wenn wir "das Asyl einfach abschaffen"? Wurden denn die ganzen Probleme gelöst, bevor die Flüchtlinge kamen? Und meinen Sie, die werden dann gelöst, wenn die weg sind? Wie gesagt, wir brauchen jeden einzelnen, damit in diesem Land wieder genügend Leute zum Arbeiten da sind - ich verweise nur auf die Bevölkerungspyramide.

Gespeichert von Oliver (nicht überprüft) am Mo., 19.02.2024 - 18:07

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Gespeichert von Stefan Klein (nicht überprüft) am Mo., 19.02.2024 - 18:11

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Gespeichert von Stefan Klein (nicht überprüft) am Di., 20.02.2024 - 09:23

Antwort auf von Stefan Klein (nicht überprüft)

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Daß es mit Ihre Netiquette, "Nicht prüfbare Unterstellungen und Verdächtigungen, die durch keine glaubwürdigen Argumente oder Quellen gestützt sind, werden gelöscht" möglich, so einen Artikel wie den von Magdalena Andersson zu publizieren ist, wirkt unglaublich!

Gespeichert von Peter Lindmark (nicht überprüft) am Mo., 19.02.2024 - 20:10

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Magdalena Andersson hat die Aussage von Jimmie Åkesson falsch wiedergegeben. Hier ist das richtige Zitat: „Wir brauchen einen sofortigen Stopp der Errichtung neuer Moscheen in Schweden.“ Wir müssen auch damit beginnen, Moscheegebäude zu beschlagnahmen und abzureißen, in denen antidemokratische, antischwedische, homophobe, antisemitische Propaganda oder allgemeine Fehlinformationen über die schwedische Gesellschaft verbreitet werden.

Gespeichert von Alter Schwede (nicht überprüft) am Mo., 19.02.2024 - 20:52

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Gespeichert von Filip (nicht überprüft) am Di., 20.02.2024 - 23:07

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Gespeichert von Stephan (nicht überprüft) am Do., 22.02.2024 - 05:01

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Gespeichert von Stefan Keller (nicht überprüft) am Do., 22.02.2024 - 08:01

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Ich wundere mich schon lange, warum die "Rechtspopulisten" in Europa als "antidemokratisch" bezeichnet werden. Jetzt habe ich den Artikel aufmerksam gelten und erhoffe mir Antworten.
Da steht also: weil sie angeblich "antidemokratische Rhetorik" benutzten. Das ist ja selbstreferenziell und kein Argument.

Weil sie hohe Beamte austauschen. Das machen alle anderen Parteien genauso. Die Grünen in Berlin haben sich öffentlich gelobt, weil alle Behördenchefs nun ihrer Agenda folgen.
Weil Sie eine anti-Einwanderungs- und Islampolitik betreiben. Es gibt viele Hinweise darauf, dass der steigende Einfluss des Islamismus in Schweden viele nachteilige Folgen für das Land hat. Wenn man einfach ein paar einzelne Aussagen aus dem Kontext nimmt, macht das noch nicht deutlich, warum es eine "antidemokratische" Politik sein soll, den Islamismus in Schweden zu bekämpfen.
Der Vorwurf, die "Finanzierung der schwedischen Sozialdemokratie zu knebeln" ist schon lustig, weil das genau die linke Regierung in Deutschland mit ihren politischen Gegnern jetzt verschärft auch machen will.
Der Zusammenhalt in den nordischen Ländern wurde in den letzten Jahren massiv durch den großzügigen Zuzug vom Menschen beeinträchtigt, der sich nicht integrieren will oder kann. Diese Entwicklung mindestens zu stoppen, ist ein großer Gewinn für die Demokratie.
Fazit: Magdalena Andersson jammert hier nur über den Machtverlust ihrer Partei, der Demokratie in Schweden nützt dieser demokratische Regierungswechsel dagegen in vielerlei Hinsicht.

Gespeichert von john (nicht überprüft) am Sa., 24.02.2024 - 19:24

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