Neuer CDU-Chef: Fünf Baustellen für Friedrich Merz
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Es war in den vergangenen Jahren schon fast zu einem Ritual geworden: Jährlich sucht die CDU einen neuen Vorsitzenden und jedes Mal wirft Friedrich Merz seinen Hut in den Ring. Doch während er gegen Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet noch das Nachsehen hatte, setzte sich Merz diesmal in einer Mitgliederbefragung der Union gegen Norbert Röttgen und Helge Braun durch. Nun hat der Parteitag den 66-jährigen Sauerländer offiziell zum Vorsitzenden der Union gewählt. Ein Hoffnungsträger ist er für die Partei jedoch nicht. Die Problemfelder, die er dringend angehen muss, sind groß.
Baustelle 1: Sein Generalsekretär
Mario Czaja soll unter Friedrich Merz neuer CDU-Generalsekretär werden. Das hat zum einen damit zu tun, dass die badenwürttembergische Bundestagsabgeordnete Christina Stumpp dem designierten Vorsitzenden für diese Position abgesagt hat (siehe Baustelle 2), zum anderen war Czaja zuletzt dadurch positiv aufgefallen, dass es ihm bei der Bundestagswahl als einzigem CDU-Kandidaten entgegen dem Bundestrend gelungen war, seinen Wahlkreis „zu drehen“. Im Ost-Berliner Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf mit deutlichem Vorsprung vor der stellvertretenden Bundestagspräsidenten Petra Pau von der Linken. Zuvor war der Wahlkreis seit der Wiedervereinigung immer an die PDS beziehungsweise Linke gegangen.
Doch zuletzt machte Czaja auch durch dubiose Geschäfte Schlagzeilen. So soll er laut Medienberichten politische und wirtschaftliche Interessen vermischt haben. Nur drei Monate nach seinem Ausscheiden als Berliner Gesundheitssenator heuerte er 2017 als Geschäftsführer bei der Lobby- und Investmentfirma „Brückenköpfe“ an, die unter anderem Start-Ups beim Einstieg in den digitalen Gesundheitsmarkt beriet. In dieser Funktion traf sich Czaja auch mit dem damaligen Bundesgesundheitsminister, seinem Parteifreund Jens Spahn. Im Jahr darauf trat das Digitale-Versorgungs-Gesetz in Kraft, in dem sich Czajas Vorschläge wiederfanden.
In die Kritik geriet Czaja schon zu Beginn seiner politischen Karriere, als er sich mit einem Diplom in einer in Deutschland nicht anerkannten Hochschule aus der Schweiz schmückte. In die Schlagzeilen kam er auch in seiner Funktion als Berliner Gesundheitssenator durch die teils katastrophalen Zustände am Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) im Sommer 2015.
Baustelle 2: Das Frauenproblem
Nur etwas mehr als ein Viertel der CDU-Mitglieder sind weiblich, innerhalb der Bundestagsfraktion ist die Quote mit 23,4 Prozent noch schlechter. Nur bei der rechtspopulistischen AfD ist sie niedriger. Zudem fehlen der CDU Frauen in der obersten Führungsebene. Alle Ministerpräsidenten sind männlich, mit Blick auf die 15 Landesvorsitzenden sticht Julia Klöckner als einzige Frau hervor, die jedoch angekündigt hat, diesen Posten aufgeben zu wollen. Auch auf Bundesebene bleibt das Repräsentationsproblem. Fraktionschef, Parteivorsitzender, Generalsekretär: auch künftig alles Männer.
Merz hat daher Christina Stumpp aus Baden-Württemberg als stellvertretende Generalsekretärin vorgesehen. Blöd nur: Diesen Posten gibt es laut CDU-Satzung gar nicht. Formal das Amt übernehmen kann Stumpp daher erst, nachdem die Satzung beim nächsten Präsenzparteitag der Union geändert wurde.
Baustelle 3: Der rechtspopulistische Flügel
Merz' Vorgänger*innen waren auch deswegen gescheitert, weil es ihnen nicht gelungen war, die Partei zu einen. Unter Kramp-Karrenbauer wählte die Thüringer CDU gemeinsam mit der AfD den FDP-Mann Kemmerich ins Amt. Eben jener Landesverband der Union stellte zur Bundestagswahl den umstrittenen Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen als Wahlkreiskandidaten auf, der jedoch dem SPD-Bewerber Frank Ullrich deutlich unterlag. Jüngst sorgte die CDU in Sachsen-Anhalt mit dem Vorschlag, „das Erste“ abzuschaffen, für Aufsehen und bewies damit eine gefährliche Nähe zur AfD.
Nun hat die AfD angekündigt, den Vorsitzenden der Werte-Union, Max Otte, als Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl aufzustellen. Dieser ist seit 1991 CDU-Mitglied. Zuvor hatte die Werte-Union Merz in einer Pressemitteilung selbst vorgeschlagen, Otte aufzustellen.
Baustelle 4: Die Landtagswahlen
Vier Landtagswahlen in vier westdeutschen Bundesländern stehen in diesem Jahr an: im März im Saarland, im Mai in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sowie im Oktober in Niedersachsen. Für Merz werden sie zur ersten Bewährungsprobe. Denn in allen vier Ländern gibt es aktuellen Umfragen zufolge rechnerische Mehrheiten für SPD-geführte Regierungsbündnisse ohne die CDU. Wenn die Hoffnungsträger der Jungen Union, Wüst, Hans und Günther, scheitern sollten, blieben der CDU mit Volker Bouffier, Reiner Haseloff und Michael Kretschmer nur noch zwei Ministerpräsidenten, wobei Bouffier (70) und Haseloff (67) sicherlich nicht die Zukunft gehören dürfte.
Baustelle 5: Markus Söder
Zuletzt trafen sich Merz und der CSU-Vorsitzende Markus Söder südlich von München vor malerischer Kulisse zum Zwiegespräch. Die Botschaft war klar: Nach dem desaströsen Auftreten von CDU und CSU während des Bundestagswahlkampfes wollten die beiden Geschlossenheit signalisieren. Doch wie lange der Burgfrieden beim bajuwarischen Ego-Shooter wirklich hält, kann sich niemand sicher sein. Davon kann Armin Laschet ein Lied singen. Spätestens bei anhaltendem Misserfolg der CDU wird sich Söder auch mit Blick auf die bayerische Landtagswahl im kommenden Jahr und die Bundestagswahl zwei Jahre darauf erneut in Stellung bringen wollen.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo