Inflation: Wie die neue Bundesregierung gegensteuern sollte
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Die Alarmmeldungen reissen nicht ab. Von Monat zu Monat beschleunigt sich der Preisauftrieb, mittlerweile liegt die Inflationsrate bei über 4 Prozent. Das spürt jeder in seiner Geldbörse, so ist nicht zuletzt der Einkauf von Lebensmitteln in jüngster Zeit spürbar teurer geworden. Da die Einkommen derzeit nur maßvoll steigen, nimmt die Kaufkraft der meisten Haushalte spürbar ab. Ist das nun gefährlich oder brauchen wir uns keine Sorgen machen? Die Antwort lautet: beides.
Ohne Zweifel ist ein Großteil der aktuellen Preisschübe vorübergehender Natur. So wurde die Mehrwertsteuer Anfang des Jahres wieder auf ihren alten Stand heraufgesetzt. Das ist ein Einmal-Effekt, der Anfang kommenden Jahres wieder verschwunden sein wird. Ebenso werden sich die meisten Lieferengpässe verflüchtigen. Zudem löst sich gerade der Konsumstau auf, der sich während der Corona Pandemie gebildet hatte, was von vielen für Preisanhebungen genutzt wird. Aber auch das geht vorüber. Vor allem jedoch ist von einer Lohn-Preis-Spirale, bei der sich Lohn- und Preissteigerungen wechselseitig hochschaukeln und Preisschübe zur Inflation verfestigen, derzeit nichts zu sehen.
Der Klima-Umbruch als Preistreiber
Aber das ist nicht die ganze Geschichte. Wir leben in einer Zeit des Umbruchs. Die Ängste um die teilweise verheerenden Auswirkungen des Klimawandels haben nahezu die ganze Welt ergriffen. Fast überall, insbesondere in den großen Volkswirtschaften, werden zu recht Maßnahmen eingeleitet, um die Emissionen zu senken. Die boomende Nachfrage in diese Richtung läßt weltweit die Preise für Güter, die zu diesem technologischen Wandel benötigt werden, rasant steigen. Im Mittelpunkt steht dabei die erhöhte Nachfrage nach Strom, dem Treibstoff des Wandels in eine emissionsarme Zukunft. Sie läßt die Preise für alle umweltschonenden Technologien wie auch für alle Energieträger, erneuerbare Energien ebenso wie Gas und Kohle, geradezu explodieren.
Diese Tendenz ist leider nicht vorübergehend, sondern dürfte die kommenden Jahre prägen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht belastet dies die Kaufkraft der privaten Haushalte, wenn zum Beispiel Energieträger wie Gas importiert werden müssen. Dann fließt Einkommen ab und steht für andere Zwecke nicht mehr zur Verfügung. Da Energie letztlich für alle Güter gebraucht wird, ist damit zu rechnen, dass die Preise weiterhin breitflächig steigen. Das wird vor allem ärmere Haushalte stark belasten.
Damit droht die globale Energiewende eine soziale Schieflage hervorzurufen. Hierdurch geraten nicht nur Familien in finanzielle Not, sondern sie könnte als Folge die Akzeptanz für den notwendigen Wandel gefährden und ihn damit verlangsamen. Das ist die Situation vor der die SPD immer gewarnt hat. Deshalb hat sie für die kurze Frist nur einen moderaten Anstiegspfad für den CO2-Preis vorgeschlagen, denn die Geschwindigkeit des Umstiegs in der Energiepolitik hängt nicht nur von der Höhe des CO2-Preises, sondern auch von der sozialen Akzeptanz des Umstiegs ab.
Strompreis: Neue Regierung muss gegensteuern
In dieser Zeit steigender Preise gilt es für eine neue Bundesregierung schnell zu reagieren, um die Lage zu entschärfen, bevor sich Notlagen herausbilden oder gar verfestigen. Zunächst sollte man beachten, dass der soziale Ausgleich für eine CO2-Abgabe zwar notwendig ist, aber die sozialen Probleme eines globalen Preisschubs nicht löst. Von daher sind als kurzfristige Maßnahmen zusätzlich die Abschaffung der EEG-Umlage und die Senkung der Stromsteuer notwendig, da sie zumindest den Anstieg der Strompreise dämpfen.
Vor allem aber muss das inländische Angebot an erneuerbaren Energieträgern schnellstmöglich ausgebaut werden. Im europäischen Verbund könnte dies mit Blick auf die unterschiedlichen Gegebenheiten für Solar- und Windenergie besonders effizient geschehen. Der europäische Binnenmarkt kann sich so von teuren Importen abkoppeln. Ein höheres Angebot an Energie wird zudem den Preisanstieg dämpfen, und in jedem Fall bleibt die Kaufkraft im europäischen Wirtschaftsraum erhalten, was zumindest unseren Exporten dient.
Das erfordert, wie im SPD Zukunftsprogramm gefordert, rasche und schnell umsetzbare Investitionen, sowohl von öffentlicher wie auch von privater Seite. So schafft man neue Beschäftigung und Einkommen und senkt die Kosten. Dies ist denn auch das wirksamste Mittel gegen den Preisanstieg und die daraus resultierenden sozialen Probleme.
ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.