Meinung

Freundeskreis in Genf: Warum die SPD international so dringend gebraucht wird

Die Kürzungspolitik von Donald Trump bleibt nicht ohne Folgen. Alleine am UN-Standort Genf droht ein massiver Abbau von Arbeitsplätzen – mit gravierenden Folgen, wie der dortige SPD-Freundeskreis warnt.

von Frank Heber , Christian Hörbelt · 1. September 2025
Der UN-Standort in Genf

Der UN-Standort in Genf

In einer Zeit geopolitischer Umbrüche und wachsender globaler Unsicherheiten steht das internationale System und die multilaterale regelbasierte Weltordnung unter enormem Druck. Unter Donalds Trumps zweiter Präsidentschaft ziehen sich die Vereinigten Staaten aus ihrer traditionellen Rolle als Stabilisator und größter Finanzier internationaler Organisationen zurück. Gerade jetzt ist es an der Zeit, dass die deutsche Sozialdemokratie und die SPD als Teil der Bundesregierung hier Verantwortung übernehmen.

20.000 Stellen weniger in der UNO

Laut dem Schweizer öffentlich-rechtlichen RTS gehören die etwa 7 000 direkten und zehntausenden indirekten Arbeitsplatzverluste im internationalen Genf zu den gravierendsten in der Geschichte der Stadt. Weltweit fallen im UN-System über 20.000 Stellen weg – auch dies ist historisch einmalig. Diese Entwicklungen beschädigen die Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen, der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und anderer multilateraler Institutionen wie UNICEF (United Nations Children’s Fund). „Der Weltfriede kann auf Dauer nur auf sozialer Gerechtigkeit aufgebaut werden“, ist ein bekanntes Zitat aus der Verfassung der ILO. Seit ihrer Gründung 1919 arbeiten dort Regierungen, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften auf internationaler Ebene gleichberechtigt zusammen – weltweit einmalig. 

Genf ist damit kein ferner Ort internationaler Diplomatie, sondern ein konkretes Forum zur Verteidigung und Ausweitung von Arbeitnehmerrechten weltweit. Dort liegt das Fundament für ein internationales Regelwerk, das Menschen statt Märkte ins Zentrum stellt. Ob es das Recht auf gewerkschaftlicher Vereinigungsfreiheit, das Recht zum Streik oder über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt geht – all das wird in Genf mitverhandelt und in Normen festgehalten, die von den Mitgliedsstaaten ratifiziert werden können. Beispielsweise hat Deutschland erst kürzlich das ILO-Übereinkommens Nr. 155 über Arbeitsschutz und Arbeitsumwelt sowie des zugehörigen Protokolls ratifiziert. Ziel des Übereinkommens ist Prävention: Arbeitsschutz-Unfälle und Gesundheitsschäden sollen verhütet und Gefahrenursachen in der Arbeitsumwelt reduziert werden. 

Bärbel Bas: „Brauchen Ja zum Multilateralismus“

Der schrittweise Rückzug der USA aus der Finanzierung solcher Institutionen bedeutet, dass andere Akteure einspringen – und das sind oft nicht die Staaten, die sich für eine regelbasierte Weltordnung einsetzen. Deutschland hat – auch im eigenen Interesse – die Mittel und die politische Glaubwürdigkeit, diese Lücke zu füllen. Unsere Bundesministerin für Arbeit und Soziales und Co-Parteivorsitzende, Bärbel Bas, hat bei der Internationalen Arbeitskonferenz der ILO in Genf am 11. Juni diese Notwendigkeit unterstrichen: „Gerade in Zeiten wie diesen, in Zeiten von Kriegen und Handelskonflikten, und in Zeiten des digitalen und ökologischen Wandels, der uns alle betrifft, brauchen wir ein starkes „Ja“ zum Multilateralismus.“ Und das heißt somit auch ein kräftiges „Ja“ zur ILO.

Eine moderne sozialdemokratische Außenpolitik muss sich mutig in diese Debatte einbringen: für eine gerechtere Globalisierung, für demokratische Kontrolle internationaler Organisationen und für eine starke Stimme der Gewerkschaften im multilateralen System. Gerade in Zeiten, in denen Nationalismus, Protektionismus und autoritäre Tendenzen wieder an Boden gewinnen, muss die Sozialdemokratie als internationale Bewegung sichtbar und handlungsfähig bleiben. Deshalb ist das Bekenntnis von Bärbel Bas, jetzt erst recht das UN-System und die ILO noch zu unterstützen, so wichtig. 

Bekenntnis im neuen Grundsatzprogramm sollte folgen

Die SPD sollte im neuen Grundsatzprogramm klar benennen: Wir stehen zum Multilateralismus, in Genf und anderswo! Das steht implizit, aber nicht ausdrücklich im Hamburger Programm von 2007. Entscheidend ist, dass die SPD insbesondere die ILO im UN-System samt den Global Union Federations stärken will. Wir müssen uns politisch und finanziell mehr in eine Weltordnung einbringen, die auf Solidarität, sozialer Sicherheit und gemeinsamen Regeln basiert. Nicht aus Idealismus, sondern aus Überzeugung – und im Interesse der arbeitenden Menschen, in Deutschland und weltweit. 

Am Ende ihrer Rede sagte Bärbel Bas treffend, dass es kein „Ja, aber“ und erst recht kein „nein und niemals“ geben dürfe, sondern dass die Bundesrepublik für die ILO eine verlässliche Partnerin bleibe. Als SPD Freundeskreis Genf begrüßen wir das ausdrücklich und freuen uns über die Unterstützung – gerade in diesen turbulenten Zeiten wird die SPD so dringend gebraucht wie eh und je.

Autor*in
Frank Heber

ist Co-Sprecher des SPD-Freundeskreises in Genf.

Autor*in
Christian Hörbelt

ist Co-Sprecher des SPD-Freundeskreises in Genf.

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