Meinung

Der Hambacher Forst darf nicht zum nordrhein-westfälischen Wackersdorf werden

Mit seinem Handeln zum Hambacher Forst stellt der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet eine Grundidee des Bundeslandes in Frage: Die Idee, dass Wandel nicht einfach geschieht, sondern aktiv gestaltet wird – im Einklang mit den Interessen der Bürgerinnen und Bürger. Ein Kommentar
von Sebastian Hartmann · 9. Oktober 2018
Protest am Hambacher Forst
Protest am Hambacher Forst

Die NRWSPD stand und steht dafür, weitreichende Strukturwandelprozesse in Nordrhein-Westfalen ohne gesellschaftliche Spaltung zu organisieren. Die rot-grüne Landesregierung unter Hannelore Kraft hat einen gesellschaftlichen Konsens darüber hergestellt, dass die Braunkohleverstromung in Nordrhein-Westfalen absehbar enden wird. Bereits 2016 gelang es, in einem schwierigen Abwägungsprozess eine weitreichende Leitentscheidung zu treffen. Bestehende Genehmigungen wurden aufgehoben und die Tagebaue im Rheinischen Revier verkleinert. Es war das erste Mal, dass deutlich gemacht wurde: Die Zeit der Verstromung der Braunkohle endet – mit dem Willen und durch das Handeln der Sozialdemokratie.

Strukturwandel mit Sensibilität

Es waren Ministerpräsidenten wie Johannes Rau, die den Strukturwandel in der Schwerindustrie beherzt und mit der notwendigen Sensibilität für die Belange der Beschäftigten und Unternehmen angepackt und ohne Strukturbrüche organisiert haben. Und es war die erste rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder, die den deutschlandweiten Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen hat. Willy Brandt sprach vom blauen Himmel über der Ruhr und markierte damit den Beginn praktischer Umweltpolitik.

Die nordrhein-westfälische SPD bekannte sich früh zu den international vereinbarten Klimazielen und machte sie zur Grundlage ihrer Politik. Wir sind davon überzeugt, dass industrielle Produktion und Wertschöpfung in NRW – auf umweltfreundlicher Energieerzeugung basierend – auch zukünftig sichergestellt werden können und müssen. Um die gesellschaftliche Akzeptanz für eine gelingende Energiewende dauerhaft hoch zu halten, muss unsere sozialdemokratische Energiepolitik dabei drei Leitgedanken folgen:

  • Die Energiewende muss sicher, verlässlich und bezahlbar sein – sowohl für die Bürgerinnen und Bürger als auch für die energieintensiven, heimischen Unternehmen.
  • Sie muss sauber und nachhaltig sein – das sind wir den nachfolgenden Generationen schuldig.
  • Und sie muss auf der Basis des größtmöglichen gesellschaftlichen Konsenses erarbeitet und umgesetzt werden.

Armin Laschet spaltet die Gesellschaft

Dieser gesamtgesellschaftliche Konsens ist durch das unverantwortliche Handeln des NRW-Ministerpräsidenten schwer geschädigt worden. Mit Hilfe von juristischen Tricksereien setzte Armin Laschet – und nicht nur sein Innenminister – lieber auf einen massiven Polizeieinsatz gegen die mehrheitlich friedlichen Demonstranten am Hambacher Forst, anstatt selbst vermittelnd einzugreifen. Das nun absehbare Desaster für die schwarz-gelbe Landesregierung stellt eine Grundidee des Landes Nordrhein-Westfalen in Frage: Die Idee, dass wir Wandel nicht einfach geschehen lassen, sondern ihn aktiv gestalten – im Einklang mit den Interessen der Bürgerinnen und Bürger, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Wirtschaft und der Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen.

Armin Laschet hat das Amt des Ministerpräsidenten von NRW in seiner Bedeutung nicht verstanden. Dass er sich jetzt auch noch als großer Versöhner aufspielen will, ist eine Farce. Armin Laschet spaltet unsere Gesellschaft. Umweltschützer, die Beschäftigten der Tagebaue und Bewohner der Region stehen unversöhnlicher denn je gegeneinander. Der Hambacher Forst ist auf dem besten Weg, zum nordrhein-westfälischen Wackersdorf zu werden.

Die nordrhein-westfälische SPD hat intensiv für die Strukturwandelkommission geworben. Sie bietet die einmalige historische Chance, den Prozess des Strukturwandels im Rheinischen Revier ohne Strukturbrüche, Arbeitslosigkeit oder Lücken bei der Energieversorgung herzustellen. Wir wollen, dass die Beschäftigten des Tagebaus, Umweltaktivisten und die Bürgerinnen und Bürger der Region in Zukunft versöhnt miteinander leben können. Das Ziel muss es sein, Dreierlei zu schaffen: Die abschließenden Schritte einer CO2-armen Energieerzeugung festzulegen, einen neuen gesellschaftlichen Konsens zu erreichen sowie zugleich industrielle Wertschöpfung und gut bezahlte Arbeit im Land zu halten. Armin Laschet und die NRW-Landesregierung müssen jetzt handeln – bevor es zu spät ist.

Autor*in
Sebastian Hartmann

ist Mitglied des Deutschen Bundestages und Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für Datenschutz und Cybersicherheit.

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